Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Die zu analysierende Szene stammt aus dem Drama „Faust I“, welches 1808 von Johann Wolfgang von Goethe veröffentlicht wurde. Die Tragödie behandelt das Leben des historischen Faust und dessen Streben nach geistiger und weltlicher Erfüllung.
Die Szene stellt die eigentliche Einleitung, den Prolog in das Drama dar. Zuvor liegen zwar zwei weitere Einleitungen vor, diese stehen jedoch nicht in direktem Zusammenhang zum Geschehen des Dramas.
Der „Prolog im Himmel“ beginnt zunächst damit, dass die drei Erzengel, Michael, Gabriel und Raphael, die die Schöpfung des Herrn preisen. Diese durchwegs positive Sichtweise wird durch Mephisto, der im Verlauf der Szene hinzukommt, infrage gestellt. Dieser kritisiert die von den Erzengeln als perfekt und vollkommen dargestellte Schöpfung.
Mephisto wettet, angelehnt an das Buch Hiob, dass er Faust vom rechten Weg, dem Weg Gottes, abbringen könnte. Der Herr geht die Wette nicht ein, er lässt Mephisto jedoch gewähren, da er sich seines Sieges bereits bewusst ist.
Die zu analysierende Szene lässt sich in drei Sinnesabschnitte unterteilen. Im ersten Abschnitt (V. 243-270) preisen die drei Erzengel Raphael, Gabriel und Michael die Schöpfung Gottes. Auffällig ist die durchweg positive Beschreibung der Schöpfung Gottes und auch deren Unendlichkeit. Diese wird vor allem von Raphael beschrieben. So wird in V. 243 beschrieben, dass die Sonne nach „alter Weise“ (op.cit.) tönt und das die „unbegreiflich hohen Werke [Gottes]“ (V.249) „herrlich wie am ersten Tag“ (V.250) seien. Der Erzengel Raphael preist also die Tatsache, dass alles nach „alter Weise“ (V.243) läuft, also alles seinen gewohnten Gang geht, somit keiner Veränderung unterliegt.
Der Erzengel Gabriel preist Naturereignisse, wie zum Beispiel das Drehen der Erde (vgl. V. 252), den Tag-Nacht-Zyklus (vgl. V.253f.) oder den Lauf von Wasser zum Meer (vgl. V.255ff.). Allen diesen Ereignissen muss sich der Mensch unterwerfen und er kann nichts dagegen unternehmen
Der Erzengel Micheal beschreibt Stürme und Gewitter als das Werk Gottes
(vgl. V.25ff.). All diese beschriebenen Phänomene und die Unergründlichkeit Gottes geben „den Engeln Stärke“ (V.267). Weiter führen die drei Engel aus, dass „alle […] hohen Werke“ (V.269) „herrlich wie am ersten Tag“ (V. 270) seien.
Im zweiten Sinnesabschnitt betritt Mephisto die Szene. Ihm missfällt die Lobpreisung der Schöpfung Gottes durch die drei Erzengel. Er sieht nur, „wie sich die Menschen [auf der Erde] plagen“ (V.280) und kritisiert das Streben des Menschen nach Vernunft und einem höheren Verständnis der Welt, was der Mensch, trotz seiner großen Wissbegierde (vgl. V.292), jedoch nie zu erreichen scheint (V.285ff.).
Im dritten Sinnesabschnitt tritt der Herr selber in das Gespräch ein, er fragt Mephisto zunächst, ob ihm denn auf der Welt gar „nichts recht“ (V.295) sei. Dieser verneint und sagt, dass es auf der Welt so schlecht sei, dass er sogar „die Armen selbst nicht plagen“ (V.298) würde. Daraufhin bringt der den Doktor Faust ins Gespräch. Mephisto führt aus, dass Faust nach überirdischem Wissen (vgl. V. 304) und irdischer Lusterfüllung (vgl. V.305) strebt, ihn jedoch alles was er erfährt nicht befriedigen kann (vgl. V. 307). Gott erklärt, dass er Mephisto bald „in Klarheit führen“ (V.309), ihn also von seinem Streben erlösen möchte oder ihm übermenschliche Erkenntnis im Himmel erfahren lassen möchte. Daraufhin schlägt Mephisto dem Herrn eine Wette vor. Dieser sage, dass er Mephisto vom rechten Weg führen könne. Der Herr geht nur indirekt auf diese Wette ein und nimmt diese auch nicht an, er erwidert nur, dass „[solange] der Mensch auf der Erde lebt, /. [s]olange sei dir’s nicht verboten“ (V.315f.). Er gewährt ihm sozusagen auf der Erde freie Hand, ist sich seines Sieges jedoch schon bewusst.
Dieses Bewusstsein teilt Mephisto jedoch nicht, er verlang „Triumph aus voller Brust“ (V.333), sollte er gewinnen. Hier wirkt Mephisto überheblich, Gott hingegen wirkt besonnen und wirkt, trotz der überheblichen und überspitzen Beschreibung durch die drei Erzengel nicht überheblich.
Dass der Herr seine ganze Schöpfung bewundert und schätzte, wird vor allem zu Ende des Prologs deutlich. Hier beschreibt der Herr, dass der Schalk, hier ist Mephisto gemeint, ihm „am wenigsten zur Last“ (V.339) ist. Ferner beschreibt er, dass er Mephisto nutze, um die Menschen anzutreiben und dafür zu sorgen, dass ihnen nicht langweilig wird, oder ihre „Tätigkeiten […] erschlaffen“ (V.340), d. h. dass der Mensch träge wird.
Der dritte Prolog endet mit einem Monolog Mephistos, es wird deutlich, dass er, als Teil der Schöpfung Gottes, ebenfalls zu ihm heraufsieht. Er bewundert, wie menschlich der Herr „mit dem Teufel. [Mephisto] [spricht]“ (V. 353).
Der vorliegende Prolog kann als eigentlicher Anfang des Stücks gesehen werden, in vielen Inszenierungen werden zum Beispiel, die ersten beiden Prologe weggelassen und es wird direkt mit dem dritten Prolog, dem ersten Prolog der sich direkt auf die Handlung des Dramas bezieht, begonnen.
Der Prolog liefert zunächst die Rahmenhandlung des Stückes, die Wette zwischen Gott und dem Teufel. Außerdem wird aber bereits einiges über die Figurenkonstellation und das Menschenbild von Gott und Mephisto deutlich.
Mephisto sieht den Menschen als minderwertig und vergleicht ihn mit einem Tier (vgl. V.286) oder etwas, das im Staub kriecht, unfähig sich aus diesem zu erheben. Seine Beziehung zu den Menschen vergleicht er mit der Beziehung von Katze und Maus (vgl. V. 321), er sieht sich sozusagen als Katze, die mit der Maus spielt und sich an seiner Überlegenheit erfreut. Der Mensch dahingegen ist die Maus, welche sich nicht gegen die Katze wehren kann und einfach nur als Spielzeug dient. Es kann also festgehalten werden, das Mephisto sich dem Menschen überlegen fühlt, ihn nur als Mittel zum Zweck, seiner eigenen Belustigung, nutzt.
Für den Herrn dagegen gilt der Mensch als Teil seiner Schöpfung, seine Beziehung zum Mensch vergleicht er mit der Beziehung eines Gärtners zu seinem Bäumchen, der sich an diesem erfreut und hofft, diese Freude auch auf lange Sicht hin zu erhalten.
Im Gegensatz zu Mephisto glaubt der Herr nicht, dass ein Mensch vom rechten Weg abgebracht werden kann, sondern dass der Mensch „irrt, […] solang er strebt“ (V.317). An dieses Streben nach dem rechten Weg glaubt Mephisto jedoch nicht, für ihn ist der Mensch ein Art Fehler oder Störfaktor in der Schöpfung, was er dem Herrn durch die vorgeschlagene Wette beweisen will.
Die vorliegende Szene führt also den Leser in das Geschehen ein, legt Rahmenbedingungen fest, führt die Erzengel, den Herrn, Mephisto und auch Faust in das Drama ein und stellt das Menschenbild der beiden Gegenspieler, Gott und Teufel, dar.