Die Epoche der lyrischen Romantik
Definition/Allgemeines zur Literaturepoche Romantik:
Die Romantik gilt als eine der wichtigsten Gegenströmungen zur Aufklärung. Sie sieht sich als Gegenpol zur vernunftorientierten und wissenschaftsgläubigen Aufklärung (1720-1800) und versucht den Menschen mit seinen Empfindungen, Gefühlen, der Seele und den Mysterien der rein positivistischen Betrachtung zu entrücken und dem kalten Rationalismus zu entreißen. Es steht das Ich im Vordergrund mit seiner Seele, seiner Leidenschaft, aber auch seinen Leiden und Qualen. Gleichzeitig kritisiert die Romantik aber auch die antiken Vorbilder der Weimarer Klassik (1794-1805) mit ihren starren und fest vorgegebenen Formen (die Vertreter der Weimarer Klassik bezeichnen diese feste Form als „Harmonie“). Die Romantiker forderten, dass man sich nicht nur mit der Nachahmung von antiken Vorbildern begnügen solle. Der wichtigste Vertreter der romantischen Lyrik ist Joseph von Eichendorff.
- Die Romantik bezeichnet eine kulturgeschichtliche Epoche im 18. und 19. Jahrhundert (1795-1848) auf dem Gebiet der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur.
- Wird unterteilt in verschiedene Phasen mit verschiedenen Zentren: Frühromantik (Jenaer Romantik oder auch „Ältere Romantik“) von 1795/98 bis 1804, Hochromantik (Heidelberger Romantik) von 1804 bis 1818, Spätromantik (Berliner Romantik) von 1815 bis 1848
- Romantisch bedeutet romanhaft, poetisch, phantasievoll, stimmungsvoll, sinnlich, abenteuerlich. Der romantische Begriff wurde dabei wesentlich vom Philosophen und Literaten Friedrich Schlegel geprägt.
- Die Romantik steht im Gegensatz zum Klassizismus. Es wird im Gegensatz zum Klassizismus keine Reinheit mehr in den Dichtungsgattungen angestrebt, stattdessen kann es jederzeit Wechsel zwischen Prosa (Erzählungen) und Gedicht (Versform) geben. Die Abwendung von klassischen Formen führt zu einem z.T. fragmentarischen Schreibstil der Romantiker.
- Abwendung von der Antike und von klassischen Vorbildern. Der Klassizismus steht Ordnung, Ruhe, Harmonie, Entsagung, geschlossene Formen und Streben nach Objektivität, Ablehnung des Phantastischen sowie für das Gleichgewicht zwischen Gefühl und Verstand. Die Romantik dagegen für schöpferische Phantasie, Sprengen der Grenzen des Verstandes, Subjektivität und die Freiheit des Individuums als Ideal, Hang zum Übersinnlichen und zur Übernatürlichkeit.
- Bewusster Gegenentwurf zum aufkommenden Industriezeitalter.
Historischer Kontext:
- Auflösung der feudalen, aristokratischen Ständegesellschaft, Entwicklung des Bürgertums und damit auch Entwicklung eines bürgerlichen Selbstbewusstseins.
- 1806: Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, im selben Jahr gründeten Kurmainz, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau, Kleve-Berg und weitere Fürstentümer mit Unterzeichnung der Rheinbundakte in Paris den Rheinbund.
- 1807-1814: Preußische Reformen: Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, Städteordnung, Heeresreform, Bildungsreform, Judenemanzipation.
- 1812: Frankreich führt unter Napoleon Bonaparte Krieg gegen Russland.
- 1813-1815: Die Befreiungskriege führen zum Ende der französischen Vorherrschaft in Mitteleuropa unter Napoleon Bonaparte.
- 1813: Völkerschlacht bei Leipzig: Entscheidungsschlacht in den Befreiungskriegen, bei der die Verbündeten Russland, Preußen, Österreich und Schweden gegen die Truppen Napoleon Bonapartes kämpfen.
- 1815: Napoleon verliert die Schlacht bei Waterloo (damals Niederlande, heute Belgien).
- 1815: Nach der Niederlage Napoleons wird der Wiener Kongress eingeleitet, der zur Neuordnung Europas infolge der Französischen Revolution führt.
Themen der Romantik:
- Hingabe zur Natur (Landschaft, Wald).
- Kritik an der Vernunft, z.T. deutliche Abwendung von der Aufklärung (siehe Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren von Novalis).
- Hervorheben des Unterbewusstseins und der menschlichen Psyche (siehe Der Sandmann von Hoffmann).
- Aufhebung der Grenzen zwischen verschiedenen Disziplinen (Philosophie, Naturwissenschaften, Literatur).
- Hinwendung zu Sagen und Mythen des Mittelalters sowie zu Märchen.
- Propagieren einer Volksdichtung und Volkspoesie, Entstehung der Märchensammlung der Gebrüder Grimm.
- Sehnsucht in verschiedenen Formen: Trennung (Einsamkeit) und Wiederfinden, Heimweh (Heimat) und Fernweh (Fremde), Wanderung und Reisen.
- Romantische Ironie: Der Autor kann erzeugte Stimmung und Bilder schlagartig und z.T. mit nur einem Wort zerstören.
- Verklärung von Nacht und Dämmerung. Traum, Dämmerzustand und Schlafzustand gehen ineinander über.
- z.T. Vermischung heidnischer und religiöser Mythologien wie der christliche Auferstehungsglaube (besonders bei Joseph von Eichendorff). Besonders in der Spätromantik gibt es eine Hinwendung zur Religion.
- Weltflucht und Flucht ins Private, Zurückdrängen der Gegenwart und Hinwendung zur Vergangenheit. Sehnsucht nach aristokratischer Ordnung.
- Keine bzw. kaum Gesellschaftskritik in der Romantik (Ausnahme: Heinrich Heine, z.B. in Deutschland. Ein Wintermärchen, siehe Caput 7 und Caput 18).
- Übernatürlichkeit und Surrealismus.
- Die Romantik ist zumeist unpolitisch, aber z.T. gab es Vermischung mit nationalistischen Tendenzen, was zur sog. Nationalromantik führte (bspw. Kriegslied von Emanuel Geibel).
Kennzeichen und Merkmale:
- Metaphern
- Chiffren
- Synästhesien
- Verwendung musikalischer, lyrisch-symbolischer Formeln (besonders bei Eichendorff)
- Zentrales Symbol ist die Blaue Blume, welche für Liebe und Sehnsucht sowie für das Streben nach Unendlichkeit und für die Wanderschaft steht.
Gedichtbeispiele und bekannte Werke zu romantischen Themen:
Nacht (Mond):
- „Der Spinnerin Nachtlied“ von Eichendorff (this article is also available in English: „The Night Song of the Spinner“)
- „Mondnacht“ von Eichendorff
- „Nachtzauber“ von Eichendorff
- „Nachts“ von Eichendorff
- „Nachtlied“ von Eichendorff
Natur:
- „Andacht“ von Ludwig Tieck
- „Waldgespräch“ von Eichendorff
Unterbewusstsein:
- „Zwielicht“ von Eichendorff
- „Wünschelrute“ von Eichendorff
Mittelalter:
- „Das zerbrochene Ringlein“ von Eichendorff
- „Sehnsucht“ von Eichendorff (das lyrische Ich versetzt sich beim Belauschen zweier Wandergesellen gedanklich ins Mittelalter)
Fremde/Fernweh, Reise, Wanderschaft:
- „In der Fremde“ von Eichendorff
- „Frische Fahrt“ von Eichendorff
- „Der frohe Wandersmann“ von Eichendorff
Sehnsucht (Liebe, Einsamkeit):
- „Sehnsucht“ von Eichendorff (this article is also available in English: „Longing“)
- „Der Spinnerin Nachtlied“ von Eichendorff von Eichendorff (this article is also available in English: „The Night Song of the Spinner“)
- „Abschied“ von Eichendorff
- „Das zerbrochene Ringlein“ von Eichendorff
Romantische Ironie:
- „Mein Herz, mein Herz ist traurig“ von Heine
Märchen:
- „Aus alten Märchen winkt es“ von Heine
- „Lockung“ von Eichendorff
Traum und Traumwelt:
- „Aus alten Märchen winkt es“ von Heine
- „Wiegenlied“ von Brentano
Mythologie und Religion:
- „Mondnacht“ von Eichendorff
Bekannte Autoren/Vertreter der Romantik:
- Ludwig Tieck (Frühromantik)
- Novalis, eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (Frühromantik)
- Joseph von Eichendorff (Heidelberger Romantik)
- Clemens Brentano (Heidelberger Romantik)
- Achim von Arnim (Heidelberger Romantik)
- Heinrich Heine (Spätromantik)
- Eduard Mörike (Spätromantik)
- Ludwig Uhland (Spätromantik)
- Theodor Storm (Spätromantik)
- Kein Vertreter der Romantik ist hingegen Johann Wolfgang von Goethe, welcher die Romantik kritisch beurteilte und sich stattdessen den Naturwissenschaften zuwandte (Goethe betrieb z.B. Studien zum Thema Anatomie, Farb- und Lichtphänomene sowie zur Meteorologie). Goethe wird der Weimarer Klassik sowie dem Sturm und Drang (Geniezeit) zugeordnet.
- Eichendorff und Goethe als konträre Persönlichkeiten: Eichendorff verschloss sich neuen Entwicklungen und blickte zurück in die „gute alte Zeit“, während Goethe technischen Neuerungen aufgeschlossen gegenüber war. Eichendorff galt aber gleichzeitig als Bewunderer Goethes.
Und zum Schluss noch etwas auf die Ohren!
TL;DR? Dann entspann und lass es dir erzählen!
29. Juli 2017 um 21:54
[…] Hölderlin wird bisweilen sowohl der Weimarer Klassik als auch der Romantik zugerechnet. Sein Gesamtwerk wird oftmals aber auch als eigenständig betrachtet und keiner der […]
30. Juli 2017 um 13:39
[…] Die nachfolgenden Epochen wie die Aufklärung, die Empfindsamkeit, der Sturm und Drang oder die Romantik schätzen die Regelpoetik gering und distanzierten sich von ihr und setzten stattdessen auf freie […]
30. Juli 2017 um 13:47
[…] Die Epoche der lyrischen Romantik Die Epoche des lyrischen Symbolismus […]
01. August 2017 um 19:45
[…] Romantik (1795-1848) […]
01. August 2017 um 21:46
[…] Man verfasste „in lingua romana“, in der Sprache des eigenen Volkes – daher der Name „Romantik“ (und nicht zuletzt kommt auch das Wort „Roman“ daher). Plötzlich war Formvollendung, […]
07. August 2017 um 20:49
[…] Zinnober“ von E. T. A. Hoffmann aus dem Jahre 1819. Es lässt sich somit der Literatur der Romantik (1795-1848) […]
07. August 2017 um 22:51
[…] persönlichen Empfindungen, die aufgrund von äußeren Ereignissen ausgelöst werden (wie in der Romantik oder im […]
03. Oktober 2019 um 14:31
Vielleicht sollten wir gerade in unserer heutigen Welt wieder auf die Worte Heine & Co. hören.