Aufgabenstellung:
1) Analysiere den folgenden Monolog Faust aus der Szene „Wald und Höhle“ (V.3217-3250). Berücksichtige dabei auch die sprachliche Gestaltung und die Stellung der Szene innerhalb der Dramenhandlung.
2) Vergleiche Fausts Monolog (Aufgabe 1) mit dem Monolog Gretchens am Spinnrad (V.3374-3413). Untersuche dabei insbesondere ihre unterschiedlichen Reaktionen auf die Erfahrung mit der Liebe und erläutere ihre Bedeutung für das jeweilige Figurenbild.
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Aufgabe 1
Der vorliegende Textauszug ist ein Szenenausschnitt aus dem Drama „Faust- der Tragödie Teil 1“, von Johann Wolfgang von Goethe, welches nach jahrelanger Arbeit im Jahre 1808 in Tübingen veröffentlicht und als ein weltliterarisches Werk anerkannt wurde. Das Drama handelt von dem Universalgelehrten Faust, welcher trotz seines Wissens seinen Wissensdurst nicht stillen kann, in eine existenzielle Krise stürzt und deswegen unzufrieden ist.
Der zu analysierende Szenenauszug ist aus der Szene „Wald und Höhle“ (V. 3217-3373), welche sich nach der Szene „Ein Gartenhäuschen“, in der sich Margarete, die tugendhafte Geliebte und Faust, der Universalgelehrte, der zuvor ein Verjüngerungstrank getrunken hat, welcher ihn nicht nur verjüngert, sondern auch bei den Frauen begehrenswert macht (Hexenküche), sich näher kommen. Faust küsst Margarete und diese gesteht ihm ihre Liebe. Nach der Näherung zieht sich Faust in die Natur zurück und genießt sie. In der Natur führt Faust einen inneren Monolog, in dem er sich bei dem Erdgeist bedankt und seine Abhängigkeit von Mephisto realisiert.
Die darauffolgende Szene „Gretchens Stube“ (V. 3374-3405) verdeutlicht die Konsequenzen von dem erotischen Verhalten und das Verlassen von Faust danach.
Der Monolog lässt sich in zwei Etappen unterteilen.
In der ersten Etappe (V. 3217-3239) danke Faust dem Erdgeist, weil dieser ihm alles gegeben habe, worum Faust ihn gebeten habe „du gabst mir, gabst mir alles, worum ich bat“ (V. 3217-3218).
Im Hinblick auf den vorherigen Kontext des Dramas kann man behaupten, dass Faust zum ersten Mal zufrieden und vollkommen ist. Verdeutlicht wird dies mit den Klimax1 „du gabst mir, gabst mir alles“ (V. 3217)
Er genießt die Natur und ist dankbar für die Kraft, die es ihm ermöglicht.
Faust schwärmt von der Natur, in dem er diese als „herrlich“ bezeichnet und mit einem „Königreich“ vergleicht. (V. 3220)
Er ist dankbar dafür, dass er nicht nur einen groben Einblick in die Natur haben darf, sondern sie auch fühlen und sich hineinversetzen darf, als wäre die Natur sein Freund, bemerkbar an dem Vergleich und an der Personifikation2 „in ihre tiefe Brust/Wie in den Busen eines Freundes zu schauen“ (V. 3223-3224).
Wenn man die Natur als seinen Freund ansieht, kann man auch feststellen, dass es sein einziger Freund ist, denn Faust ist ein Alleingänger, der sich von anderen isoliert, weil er sich ihnen überlegen fühlt.
Er betrachtet die Natur nicht nur als Freund, sondern auch als Familie, denn als er von Tieren, die in der Natur leben spricht, nennt er diese „Brüder“ (V. 3225), somit trägt die Natur mehr Bedeutung für Faust, denn Faust hat keine Familie.
Die Replik „ Und wenn der Sturm…tiefe Wunden öffnen sich“. (V. 3227-3234), kann man zweideutig interpretieren.
Die erste Möglichkeit wäre, dass Faust die Katastrophen, die Verzweiflung in seinem Leben und seinen Wissensdurst anspricht.
Die andere Möglichkeit ist seine Vergangenheit und hauptsächlich in Bezug auf seinen Vater, welcher ihn in der Vergangenheit ausnutze um anderen Gift zu verschreiben, von dem Faust aber weggekommen ist.
Die Natur scheint Faust zu beruhigen, denn seine negative Wortwahl verwandelt sich in eine positivere. Wörter wie „braust und knarrt“ (V. 3228), „quetschend“, „dumpf hohl“ und „donnert“ kreieren eine negative Atmosphäre, weil man diese Wörter in Bezug auf ungünstige Situationen verwendet.
Einen Kontrast zu den negativen Wörtern, die zuvor erwähnt wurden, stellen die positiven Wörter, wie „der reine Mond“ (V. 3236), „besänftigend“ (V. 3236) und „schweben“ (V. 3236), dar.
Doch die positive Atmosphäre wird durch das Auftauchen von „silberne Gestalten“ (V. 3238) aufgelöst.
Man kann behaupten, dass mit der „silbernen Gestalt“ Mephistopheles, der Teufel gemeint ist, denn in der zweiten Etappe beklagt Faust seine Abhängigkeit von Mephisto.
In der zweiten Etappe des Monologes schließt Faust damit ab von der Natur zu reden und fängt damit an seine Abhängigkeit von Mephistopheles zu beklagen.
Faust, der in der Ausgangssituation des Monologs zufrieden war, führt dem Ende nach einen Inneren Konflikt aus, geprägt von Selbstzweifeln und einer existenziellen Krise.
Er beteuert, dass dem Menschen „nichts Vollkommenes wird“.
Zurückzuführen ist diese Aussage auf die „silberne Gestalt“ (V. 3238). Er ist sich bewusst, dass er, solange er von Mephisto abhängig ist, nicht vollkommen sein wird.
Faust kann Mephisto nicht mehr bändigen, er charakterisiert Mephisto als „kalt und frech“ und obwohl er sich bewusst ist, wie Mephisto ´tickt´, lässt er sich weiterhin auf ihn ein.
Faust behauptet, dass Mephisto für Fausts Triebe verantwortlich sei und dass er die triebhafte Seite von Faust hervorlockt, indem er ihm ein „schönes Bild“ verschafft. (V. 3247 f.)
Die Tatsache, dass Faust seine Triebe als „ein wildes Feuer“ definiert, zeigt, dass Faust seine Triebe nicht mehr kontrollieren kann und er somit für die Tragödie von Gretchen verantwortlich sein wird, denn „Feuer“ symbolisiert Gefahr und andere zu verletzen.
Die letzten beiden Verse veranschaulichen die Ambivalenz von Faust. Er taumle von Begierde zu Genuss und im Genuss suche er nach Begierde.
Die Ambivalenz von Faust ist ein Grund der Unvollkommenheit.
Als Schlussfolgerung, anhand der Ergebnisse, kann man feststellen, dass Faust aus seinem Zustand, vor allem aus seiner Abhängigkeit von Mephisto nicht zufrieden ist und er sich leicht aus der Bahn bringen lässt.
Aufgabe 2
Im Folgenden gilt es, den Monolog Fausts mit dem Monolog Gretchens am Spinnrad (V. 3374-3413) zu vergleichen. Dabei sollen insbesondere ihre unterschiedlichen Reaktionen auf die Erfahrung mit der Liebe untersucht und ihre Bedeutung für das jeweilige Figurenbild erläutert werden.
Nicht nur in Bezug auf ihren Charakter, sondern auch in Bezug auf ihren Erfahrungen, Art und Weise, wie die beiden lieben gibt es Unterschiede.
In seinem Monolog definiert Faust die Liebe als Begierde, Genuss und als erotisches Verlangen (indirekt), wobei Gretchen die Liebe als Erfüllung ansieht.
Unterschiede zeigen sich auch in der Gestaltung des Monologs und in dem Inhalt.
Gretchens Monolog kann man als Lied bezeichnen, denn es besteht aus 10 durchgängigen Quartetten, einem Refrain. In dem Lied findet man einen ein-bis fünfhebigen Jambus, zudem ist er mit rhetorischen Mitteln, wie Anaphern3 und Parallelismen geschmückt.
Gretchens Monolog fängt mit dem Refrain „Meine Ruh ist hin, /Mein Herz ist schwer;/ Ich finde sie nimmer / und nimmermehr./“ (V. 3374-3376) an und dieser Refrain wird von Gretchen dreimal vorgetragen.
Gretchen ist hoffnungslos, sie behauptet, dass sie ihre Ruhe, die ihr genommen wurde, nicht mehr zurückfinden werde.
Die Aussage, dass ihr Herz schwer sei (V. 3375 f.) und ihr Busen dränge, zeigt, dass es Gretchen mit Fausts Flucht sehr Nahe gegangen ist, so nahe, dass sie ausführt, dass die ganze Welt ihr Grab sei, solange er nicht zurückkäme (V. 3379-3380). Faust hingegen, denkt nicht einmal an Gretchen, er macht sich eher Gedanken über seine Abhängigkeit von Mephisto.
Man kann meinen, dass während Gretchen ihre ganze Konzentration Faust widmet, verschwendet dieser nach der Szene mit dem Gartenhäuschen keinen Gedanken an sie.
Faust ist unfähig sich selbst zu binden und treu zu bleiben, dabei hat Gretchen sich an ihn so sehr gebunden, dass sie nicht mehr ohne ihn leben kann.
Ob Faust Gretchen liebt oder nicht, kann man als Leser je nach ´Lust und Laune´ selbst entscheiden, denn nirgendwo, gesteht Faust seine Liebe, wo hingegen Gretchen ihm es offen und ehrlich gesteht auch da erwidert Faust ihre Liebe nicht. (Gartenhäuschen)
Dass Faust Gretchen liebt, ist anzuzweifeln, denn er bestimmt sich skrupellos. Er nimmt keine Rücksicht auf sie und ist im späteren Verlauf für vier Tote zuständig : Valentin, Gretchens Bruder ; die Mutter; der Säugling und Gretchen selbst.
Während er Gretchens Familie und ihrem Ruf schadet, opfert Gretchen alles für ihn, sie nimmt sogar aufgrund ihrer Liebe keine Rücksicht auf die Konvention und auf die anderen kleinbürgerlichen Frauen. Gretchen lässt sich weiterhin auf ihn ein, schwärmt von ihm „Sein hoher Gang … sein Kuß!“ (V. 3394-3401), auch obwohl sie schon eine Vorahnung auf einen Identitätsverlust hat. (V. 3382-3386)
Sie wusste auf was sie sich einlässt, denn zu dieser Zeit war es üblich, dass Männer aus höheren Schichten Frauen aus den unteren ausgesucht, sie dann geschwängert und verlassen haben, trotzdem hat sie es zugelassen. (Hacks) und (Am Brunnen Szene)
Man kann behaupten, dass Gretchen alles selbst erlaubt hat, weil sie zum ersten Mal von jemandem Liebe empfängt, denn wie man weiß, ist sie ohne mütterliche Liebe und ohne väterlichen Schutz aufgewachsen.
Fausts Tragödie hat für Margaretes Tragödie gesorgt.