Aufgabe
Analysiere den Monolog Fausts aus der Szene „Wald und Höhle“ (V. 3217-3250) unter Berücksichtigung der Erfahrung der Liebe zu Gretchen. Vergleiche deine Ergebnisse mit dem Monolog Gretchens aus der Szene „Gretchens Stube“ (V. 3373-3413).
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Der Monolog Fausts aus der Szene „Wald und Höhle“ stammt aus dem Drama „Faust – Der Tragödie erster Teil“, welches von Johann Wolfgang von Goethe verfasst und 1808 veröffentlicht wurde.
In diesem Auszug reflektiert Faust sein Verhalten und seine Liebe gegenüber Gretchen sowie seine Abhängigkeit von Mephisto. Er hat sich allein in eine Höhle zurückgezogen und genießt während seines Monologs die Natur.
Vor der Szene „Wald und Höhle“ treffen sich Mephisto und Marthe sowie Faust und Gretchen in Marthes Garten. Faust wurde in der Hexenküche verjüngt und hat schließlich auf der Straße das erste Mal Gretchen gesehen und sich in sie verliebt. Mephisto konnte ein Treffen organisieren, indem er behauptete, dass er und Faust Zeugen des Todes von dem Mann von Gretchens Nachbarin Mathe sein. Nach dem Treffen und im Anschluss an den Monolog denkt Faust in der Szene „Wald und Höhle“ darüber nach, ob er mit Gretchen eine Liebesnacht verbringen solle. Angestachelt von Mephisto, welcher auf die Befriedigung der Triebbedürfnisse drängt, entscheidet er sich dafür. Dies hat schwerwiegende Folgen und ist ein Wendepunkt im Drama. Gretchens Mutter und Bruder sterben, außerdem wird sie schwanger und bringt aus Verzweiflung ihr Kind um. Faust schafft es nicht mehr, sie vor ihrer Hinrichtung zu retten.
In der Szene „Wald und Höhle“ ist Faust nach dem Treffen mit Gretchen allein. Er wendet sich dem Erdgeist zu und dankt ihm für seine bisherigen Erfahrungen mit Gretchen und Mephisto, auch wenn er sieht, dass Mephisto nicht immer gut zu ihm war. Der Monolog Fausts wird unter Berücksichtigung der Erfahrung der Liebe zu Gretchen analysiert.
Die Regieanweisung „Faust allein“ sowie die Überschrift „Wald und Höhle“ zeigen einen Kontrast zur vorherigen Szene, da Faust einsam in der Natur verweilt und sich Gedanken über seine Erfahrungen mit Gretchen macht. Dadurch gewinnt der Leser einen Eindruck von Fausts innerer Verfassung.
Er glaubt, der Erdgeist sei verantwortlich für seine Erlebnisse: „Du gabst mir alles (w)arum ich bat“ (V. 3217-3218). Faust scheint ihm gegenüber unendlich dankbar und behauptet sogar, er gebe ihm „die herrliche Natur zum Königreich“ (V. 3220). Nach der Begegnung mit Gretchen ist Faust nahezu euphorisch und genießt die Natur als sicheren Rückzugsort, an dem er sich selbst erkennt (vgl. V. 3232-3233). Der Erdgeist würde zudem dafür sorgen, „in ihre (Gretchens) tiefe Brust / (w)ie in den Busen eines Freundes zu schauen“ (V. 3223-3224). Im ersten Teil seines Monologs hat Faust den vollkommenen Moment des Glücks fast erreicht, er ist euphorisch und dankbar für seine Erfahrungen der Liebe mit Gretchen.
Seine Stimmung ändert sich jedoch. Er merkt, „dass dem Mensch nicht vollkommen wird“ (V. 3240) und strebt, wie schon zu Beginn des Dramas nach dem Göttlichen. Er weiß jedoch, dass er diesen Zustand nie erreichen wird, sondern der Erdgeist ihn „den Göttern (nur) nah und näher bringt“ (V. 3242). Außerdem merkt Faust, dass er von Mephisto abhängig geworden ist, da er ihn „schon nicht mehr (e)ntbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, (ihn) vor (sich) selbst erniedrigt“ (V. 3244-3245). Trotzdem ist er froh, dass Mephisto ihn zu Gretchen geführt hat, auch wenn er lediglich auf die Triebbefriedigung drängt, wodurch er süchtig nach Objekten der Begierde wird: „ Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer (n)ach jenem schönen Bild geschäftig an. So tauml‘ ich von Begierde zu Genuss, (u)nd im Genuss verschmacht ich nach Begierde“ (V. 3246-3250). Dass er Gretchen als „schönes Bild“ (V. 3248) bezeichnet, zeigt einerseits seine Liebe zu ihr, aber auch, dass er in ihr nur ein Objekt sieht und nicht die Persönlichkeit eines Menschen. Dies ist natürlich auch auf den Zaubertrank zurückzuführen, wodurch Faust in jeder Frau „Helenen“ sieht.
Nach diesem Monolog von Faust tritt Mephisto auf, welcher versucht, Fausts Liebe auf die Befriedigung seiner Triebbedürfnisse zu beschränken, obwohl Faust dies zunächst gar nicht im Sinn hat. Dass seine Stimmung kurz vor Mephistos Auftreten umschwingt, deutet schon auf die Wendung dieser Szene hin.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass seine Erfahrungen der Liebe mit Gretchen durchaus positiv sind und er dadurch ein eine euphorische Stimmung gerät, wodurch er dem Erdgeist übermäßig dankbar ist und er seine Umgebung, die Natur, vollkommen verklärt. Als Faust jedoch merkt, dass Mephisto in der Nähe ist, verändert sich seine Stimmung und er gesteht sich, dass er durch den Teufel süchtig nach Genuss ist. Dies deutet schon darauf hin, dass Faust sich für die Liebesnacht mit Gretchen entscheidet, wodurch er zu ihrem Tod beiträgt.
Auch Gretchen befindet sich nach dem Treffen mit Faust allein in einer Stube und singt über ihre Liebe zu ihm. In der Szene „Gretchens Stube“ besingt Gretchen alle, ihrer Meinung nach positiven Eigenschaften Fausts, wie z. B. sein Aussehen oder sein Küssen. Sie stellt ihre Gefühle dar und wünscht sich immer bei ihm zu sein. In folgender Analyse werden Gretchens Erfahrungen der Liebe zu Faust mit denen von Faust aus der Szene „Wald und Höhle“ verglichen.
Vergleich zu Gretchens Monolog in „Gretchens Stube“
Schon die Regieanweisung „Gretchen am Spinnrad, allein“ stellt einen Gegensatz zu der vorherigen Szene dar. Während Faust die Weite der Natur aufsucht, um allein zu sein, begibt sich Gretchen in ein kleines Zimmer und spinnt. Dies könnte auf das gegensätzliche Leben der beiden hinweisen. Faust scheint an nichts gebunden zu sein, er ist ein Gelehrter und damit in der Gesellschaft höher gestellt. Gretchen jedoch kommt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und ist abhängig von ihrer Mutter.
Gretchen scheint durch die Begegnung mit Faust aufgewühlt zu sein: „Meine Ruh ist hin, (m)ein Herz ist schwer, (i)ch finde sie nimmer und nimmermehr“ (V. 3374-3377). Diese Abfolge von Versen wird in ihrem Lied öfters wiederholt. Dies unterstreicht, genau wie das unregelmäßige Versschema ihre innere Unruhe. Faust dagegen entspannt in der Natur und kann sich selbst finden. Gretchen behauptet zudem, sie könne ohne Faust nicht mehr leben: „Wo ich ihn nicht hab, (i)st mir das Grab, (d)ie ganze Welt ist mir vergällt“ (V. 3378-3381). Sie würde „nach ihm nur schau(en)“ (V. 3390), „nach ihm nur geh(en)“ (V. 3392). Sie scheint viel abhängiger von Faust zu sein, als er es von ihr ist. Faust sieht Gretchen zwar als „schönes Bild“ und ist durch das Treffen mit ihr in euphorischer Stimmung, Gretchens Gefühle wirken jedoch deutlich aufrichtiger und ernster. Sie vergöttert „(s)ein(en) hohen Gang, (s)ein edle Gestalt, (s)eines Mundes Lächeln, (s)einer Augen Gewalt“ (V. 3394-3397). Dies kann man in Bezug zu ihrem vorherigen Lied „König von Thule“ setzen, in welchem sie von treuer und aufrichtiger Liebe singt. Sie glaubt, sie habe in Faust den richtigen Partner gefunden. Faust jedoch möchte nur seinen Genuss stillen, da er in jeder Frau eine „Helena“ sieht.
Auch Gretchen „drängt (s)ich nach ihm hin“ (V. 3406-3407), wünscht sich ihn zu küssen (vgl. 3410-3413) und bei ihm zu sein. Ihr Verlangen ist aber nicht nur von kurzer Dauer, sie sehnt sich nach Ewigkeit. Wenn sie an Faust denkt, ist „ihr Kopf verrückt“ und „ihr armer Sinn zerstückt“ (V. 3382-3385).
Gretchen hat die Liebe zu Faust also deutlich tiefgründiger erfahren als Faust die Liebe zu ihr. Er spricht zwar verklärt von ihrer Begegnung und Gretchen scheint für ihn auch wichtig zu sein, zudem möchte er aber auch Genuss erfahren. Gretchens Liebe zu Faust ist absolut aufrichtig und sie vergöttert ihn, weswegen sie schließlich der Liebesnacht zustimmt. Dies deutet schon auf den Ausgang des Dramas hin. Gretchen merkt, dass Faust sie nicht mehr liebt und er sie nur aus dem Kerker befreien will, um sein schlechtes Gewissen zu besänftigen. Deswegen lässt sie sich nicht befreien und nimmt die Schuld für die Tode auf sich. Zudem ist in der Szene „Gretchens Stube“ eine Entwicklung von Gretchen zu sehen. Sie ist so sehr verliebt, dass der Leser weiß, dass sie dem Angebot der Liebesnacht zustimmen wird. Damit stellt sie sich gegen ihre Mutter und ist nicht mehr die brave Tochter, wie die Gesellschaft es von ihr erwartet.