Aufgabe
Erklärt die Existenzkrise Fausts, indem ihr aufzeigt, was Faust bislang in seinem Leben erreicht hat, wonach er strebt und welchen Weg er wählt, um sein Ziel zu erreichen. (Zitate einbauen, auf Fausts Sprache achten!)
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Der Szenenausschnitt „Nacht“ (V. 354-417) zeigt den Protagonisten Faust unruhig in einem „hochgewölbten, engen gotischen Zimmer“ seinem Lebensfrust Luft machend.
Zu Beginn werden aussagekräftige Regieanweisungen vorangestellt. Die hohen Wölbungen (vgl. Regieanweisung) spiegeln sein inneres Wesen, welches nach oben strebt, also zu möglichst geistlich wertvollen Erleuchtungen, wider. Im Kontrast zu diesem unendlichen Streben nach Erkenntnis steht die Enge (vgl. ebd.), die ihn im seinem Treiben einschränkt, so dass seine Ziele nicht erreicht werden können. Die architektonische Gegensätzlichkeit symbolisiert demnach ein zentrales Dilemma Fausts: das menschliche Streben und dessen Grenzen. Der Ausruf „Weh!“ (V. 398) zeigt Fausts starke Verbitterung und seine Wortwahl des Kerkers (vgl. ebd.) beschreibt seinen im nicht zu sättigenden Wissensdurst gefangenen Geist. Dies bedrückt ihn so weit, so dass sein Gemüt zutiefst unzufrieden ist, so dass sich diese mentale Unzufriedenheit in körperlichen Reaktionen wie seinem unruhigen Auftreten (vgl. Regieanweisungen) widerspiegelt.
Als Gelehrter hat er eine Fülle von Studien hinter sich gebracht, so hat er das Studium der Philosophie, Rechtswissenschaften, Medizin und Theologie bereits abgeschlossen (vgl. V. 354 f.). Sein hoher Bildungsgrad wird ebenfalls durch seine Titel wie dem des Magisters und Doktors deutlich (vgl. V. 360). Dabei vergegenwärtigt die Anapher1 „Heiße Magister, heiße Doktor“ (V. 360) die Zwangsläufigkeit seiner Wissbegierde. Das Streben nach Wissen scheint eine unersättliche Gier für den Gelehrten zu sein. Dabei zeigt die Antithese2 „Herauf, herab und quer und krumm“ (V. 362), dass die Wissensaneignung ein sehr vielschichtiger Prozess ist und deutet zugleich an, dass trotz dieser Diversität es letztendlich zu einem ungenügenden Ergebnis führt.
Faust zieht als Fazit „dass wir nichts wissen können!“ (V. 364). Dies scheint sehr ernüchternd zu sein, wenn man bedenkt, dass trotz der vielen Arbeit, die in den ganzen Studien steckt, es letztendlich zu einem nihilistischen Ergebnis – der Ahnungslosigkeit – kommt.
Sein tiefes Bedrücken durch diese Tatsache bringt Faust durch sein Herz, das verbrenne (vgl. V. 365) aus. Dies treibt er mit einem Vergleich auf die Spitze: er ist zwar „gescheiter als alle die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen“ (V. 366 f.). So gehört er zwar zu der intellektuellen Elite – und somit zu einer Minorität – ist trotz dessen ahnungslos. Eigentlich müsste er zufrieden sein, denn ihn „plagen keine Skrupel noch Zweifel“ (V. 368) und ihm mangelt es auch an Hochachtung vor Hölle und Teufel (vgl. V. 369). Gleichzeitig scheint sich seine verbitterte Unzufriedenheit durch äußere Faktoren und vor allem auch materielle Dinge zu intensivieren, da es ihm nicht nur an Freunden (vgl. V. 370), sondern auch Gut und Geld (vgl. V. 374) mangelt. So ist Faust nicht nur geistig unbefriedigt, sondern auch materiell und personenbezogen. Der Parallelismus „Bilde mir nicht ein, was Recht zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren“ (V. 371 f.) zeigt einen für Faust nicht endenden Teufelskreis: die unersättliche Begierde nach Erkenntnissen und Wissen. Diese nicht rosigen Aussichten für einen Intellektuellen wie Faust führen sogar soweit, dass der Protagonist zu der Aussage „Es möchte kein Hund so länger leben!“ (V. 376) kommt. Dieser Hinweis auf suizidale Gedanken verdeutlicht Fausts pure Verzweiflung. Er zieht die Konsequenz, dass Magie noch helfen könne: „Drum hab ich mich der Magie ergeben“ (V. 377).
Seine Lebensaufgabe findet sich in dem Zitat „Dass ich erkenne, was die Welt / Im Innersten zusammenhält“ (V. 382 f.). Es zeigt einen alten Intellektuellen auf der endgültigen Suche nach Gewissheit.
Um dieses Ziel zu erreichen reicht es nicht an bloßen Überlegungen und Experimenten, denn Faust möchte „nicht mehr in Worten kramen“ (V. 385) und sucht seine Gewissheit – wie bereits erwähnt – in der Magie.
Weitere sprachliche Auffälligkeiten sind der von Goethe verwendete Knittelvers, der durch seine starke Ausprägung an Unruhe und mitunter Unregelmäßigkeit Fausts innere Situation, seinen Frust und seine intellektuelle Unzufriedenheit widerspiegelt.
Der Gelehrte scheint seine gewohnte Studierumgebung satt zu haben (vgl. V. 389 ff.), was vermutlich auf seine Unzufriedenheit und die damit einhergehenden Assoziationen zurück zu führen ist. Stattdessen macht sich in seinem Monolog ein Umschwung bemerkbar: Faust verspürt starke Sehnsucht (vgl. V. 392 ff.). Dies wird durch seinen Ausruf „Ach!“ (ebd.) unterstützt. Er sehnt sich in die Natur wie die Berge, Wiesen. So sollen seine Erkenntnisse nicht wie bisher durch theoretisches Arbeiten, sondern vielmehr durch praktische Erkundungen mit Hilfe der Magie (vgl. „mit Geistern schweben“, V. 394) erfolgen. Die Natur dient somit als Zufluchtsort seiner negativen Gefühle und ermöglicht seinen quälenden „Wissensqualm“ (V. 396) zu mildern.
Im Folgenden entsteht ein starker Kontrast zwischen der positiv beschriebenen Natur und der negativ vermittelten Studierbude. Er verflucht sein Zimmer als „dumpfes Mauerloch“ (vgl. V. 399). Es zeigt eine Fülle an wissenschaftlichen Gegenständen wie „diesem Bücherhauf“ (V. 402), „angeraucht[en] Papier“ (V. 405), „Gläsern, Büchsen“ (V. 406) und vollgepfropften Instrumenten, die Wissenserfolg versprechen sollten, tatsächlich durch seine wissenschaftlichen Misserfolge nur weitere Frustration auslösen. Das Himmelslicht hingegen erschient lieb (vgl. V. 400).
Diese schmerzlichen Erkenntnisse führen dazu, dass Faust „Herz/Sich bang in [s]einem Busen klemmt“ (V. 410 f.). Der „Schmerz“ (V. 412) von dem er spricht, hemmt in gar in seiner Lebensregung (vgl. V. 413) und raubt ihm somit jegliche Lebensfreude. Dies wird in den letzten Versen „Statt der lebendigen Natur, / Da Gott die Menschen schuf hinein, / Umgibt in Rauch und Moder nur / dich Tiergeripp und Totenbein“ (V. 414-417).
Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass Faust in einer tiefen Existenzkrise steckt: als Gelehrter, der stets nach Wissen strebt, dass unstillbar scheint, stürzt er sich in tiefe Unzufriedenheit. Dies führt zu stärkster Verzweiflung, so dass als Ausweg nur das Anwenden von Magie gesehen wird, um seine intellektuellen Ziele zu verwirklichen.