Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Werk: Faust- Der Tragödie Erster Teil – J.W. von Goethe (Gartenszene)
Erweiterte Fragestellung: Faust – Ein verführter Verführer
Klasse: K1
Interpretation
Das 1808 veröffentlichte Drama „Faust - Der Tragödie Erster Teil“ von Johann Wolfgang von Goethe
spielt in Deutschland um 1500. Dabei geht es um den Gelehrten Heinrich Faust, der durch seinen
unerfüllten, unstillbaren Drang nach Erkenntnis die Grenzen des verfügbaren Wissens erreicht hat.
Aufgrund seines Unvermögens sein Leben zu genießen, schließt er mit dem Teufel Mephisto eine
Wette ab. In der Überzeugung zu gewinnen, verspricht er diesem seine Seele im Austausch gegen
den vergänglichen Genuss, der Frieden und Gefallen in Fausts Leben bringen soll. Das Drama handelt
in erster Linie von der Dynamik zwischen Gut und Böse und von der Zerrissenheit zwischen dem
Streben nach dem Göttlichen und dem Verhaftetsein im Irdischen, was die Erfahrung von Liebe und
Begierde miteinschließt.
Die beiden Hauptakteure Faust und Margarete befinden sich im Garten einer Nachbarin bei ihrem
ersten Rendezvous. Es ist ihre zweite Begegnung nach dem Treffen am Dom. Faust, der Gretchen als
„kleiner Engel“ (Z.3163) anspricht und somit ihre „sitt- und tugendreiche“ (Z.2611) Art hervorhebt,
fragt sie, ob sie ihn wiedererkennt von ihrer Begegnung vor dem Dom. Gretchen bejaht dies, indem
sie auf ihre Reaktion anspielt, die ihre Unterwürfigkeit zum Ausdruck bringt (Vgl. 3165). Fausts
anschließende Fragen nach ihrer Vergebung zeigen sein schlechtes Gewissen, sie festgehalten zu
haben. Doch Gretchens Antwort macht deutlich, dass sie nicht ihm die Schuld zuschiebt, sondern die
Schuld bei sich sucht. Diese Unsicherheit, etwas „Unanständiges“ (Z.3172) getan zu haben,
verdeutlicht ihre Jugend und ihr fehlendes Selbstvertrauen. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt den
Eindruck „leicht zu haben zu sein“ (Vgl. 3173f) und sah keinen Vorteil für Faust mir ihr anzubandeln,
da zwischen ihnen ein Standesunterschied herrscht.
Der hier vorherrschende Madrigalvers mit vier oder fünf Hebungen erweckt den Eindruck eines
lockeren ungezwungenen Gesprächs. Gretchens anschließendes „Spiel“ mit der Blume zeigt ihre
Freiheit und Kindlichkeit, was durch die kurzen Verse verdeutlicht wird. Zum einen kann man dieses
„Spiel“ als kindlich ansehen, zum anderen aber auch als Vorausdeutung ihrer Entjungferung.
Nachdem Gretchen das letzte Blatt herausgerupft hat, wird Faust ernst, in dem er ihr seine Liebe
gesteht. Dieses Liebesbekenntnis verliert jedoch insofern an Kraft, als Faust es vermeidet von sich in
der ersten Person zu reden. Er spricht von sich als „er“ und vermeidet so, sich durch ein
Liebesbekenntnis an Gretchen zu binden. Für ihn scheint sie nur eine Durchgangsstation zu sein.
Seine Liebe, die für ihn „unaussprechlich“ (Z. 3199) ist, kann nur erfühlt werden. Er ist ein Mann des
Gefühls, was er bereits Wagner gegenüber erklärt: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht
erjagen“ (Z.534). Faust ist der Meinung, dass das Ende seiner Liebe, ihn in eine große Verzweiflung
stürzen würde, folglich will er, dass seine Liebe niemals endet. Diese niemals endende Liebe und
unverbrüchliche Treue ist genau das, was Gretchen sich wünscht, was aus dem Lied, dass sie in ihrem
Zimmer beim Ausziehen singt, klar wird (Vgl. 2759- 2782).Im Anschluss an dieses Liebesbekenntnis
versteckt sich Gretchen in einem Gartenhaus. Faust jedoch bleibt einen Augenblick in Gedanken
stehen und folgt ihr erst dann, wie aus den Regieanweisungen ersichtlich ist. Die anschließende
Höhlenszene lässt vermuten, dass Faust schon hier erste Zweifel, seine Beziehung mit Gretchen
betreffend, überkommt.
Im Großen und Ganzen zeigt die Textstelle den Anfang der Liebe zwischen Faust und Gretchen. Zuvor
war Gretchen für Faust eine unbekannte Person, nach der er sich verzehrt hat. Doch erst jetzt bei
ihrem ersten richtigen Kontakt wird sie real. Zwar hatte er schon zuvor kurzzeitig Zweifel bei diesem
Vorhaben, doch diese konnte Mephisto allein durch sein Auftauchen vertreiben. Die anschließende
Höhlenszene macht jedoch deutlich, dass diese Begegnung seine Zweifel bestärkt. Dass diese Zweifel
nicht ausreichen, um Faust von Gretchen fernzuhalten, ist meiner Meinung nach Mephisto
zuzuschreiben. Dies wirft die Frage auf, ist „Faust – ein verführter Verführer“?
In meinen Augen ja. Er ist der Verführer Gretchen, die ohne ihn eine vermutlich schöne Zukunft
gehabt hätte. So wie Valentin seine Schwester beschreibt, scheint es, als habe sie viele Bewunderer
gehabt und sie hätte sicherlich eine bessere Partie machen können. Faust nutzt sie und ihre Lage aus.
Gretchen ist jung und schutzlos, da Marthe, anstatt auf sie aufzupassen, als Kupplerin fungiert und
die Liebesbeziehung auch noch ankurbelt. Gretchen könnte sich zwar von Faust fernhalten, doch sie
ist zu jung und blauäugig, um zu erkennen, dass dieser sie nur ausnutzt. Doch auch Faust wird
verführt, nicht von Gretchen, sondern von Mephisto. Von dem Moment an, in dem Faust Mephisto
begegnet, hat Mephisto die Kontrolle, welche er niemals verliert. So verführt er Faust mit der
Vorstellung auf ein besseres, ein glücklicheres Leben, das scheinbar nur er Faust geben kann. Die
Verjüngung Fausts ist ein Beispiel dafür. Mephisto bietet Faust zwar zwei Methoden zur Verjüngung
an, doch er kann sich sicher sein, dass Faust den Trank wählt und nicht den schwereren Weg, das
Arbeiten. Dieser erste Anstoß ist der Beginn. Durch diesen Trank verführt, verlangt Faust nach
Gretchen. Dies und alles was darauffolgt, ist Mephistos Plan, denn er wusste, dass Faust von
Begierde erfüllt sein würde, nachdem er diesen Trank getrunken hat (Vgl. 2603f). Der Trank entfacht
seine Begierde so stark, dass er in seinem Willen unfrei wird (Vgl. 3072). Faust ist sich dessen
bewusst, dass das, was er tut, falsch ist, doch der Verführung durch Mephisto hat er nichts
entgegenzusetzen.