Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Zu den Klassikern unter den literarischen Werken zählt „Faust I“. Diese Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe erschien im Jahre 1808, wurde aber über einen längeren Zeitraum geschrieben und gehört somit sowohl zur Epoche des Sturm und Drangs, als auch zur Klassik. Das Drama handelt von einem Wissenschaftler namens Heinrich Faust, der nach Erkenntnis strebt, um sein Leben genießen zu können. Dabei soll ihm der Teufel helfen, weswegen er mit diesem einen Pakt schließt, wobei beide glauben, sie seien dem anderen überlegen und dass sie gewinnen würden.
Was genau die beiden sich aus dieser Wette erhoffen und ob einer der beiden wirklich seine Überlegenheit zeigen kann, gilt es nun zu analysieren.
In der vierten Szene namens „Studierzimmer II“ im ersten Teil Fausts befindet sich der Leser, wie der Name schon verrät, an dem Ort, an dem der Gelehrte Dr. Heinrich Faust sein gesamtes Wissen erarbeitet hat. Neben dem Protagonisten selbst, befindet sich in der Szene (V. 1656-1706) auch noch Mephistopheles, da dies die berüchtigte Pakt-Szene ist, in der Faust sich auf eine scheinbar von beiden leicht zu gewinnende Wette einlässt.
Noch bevor die Tragödie richtig beginnt, ist der Prolog im Himmel von wichtiger Bedeutung, da er den Rahmen der eigentlichen Geschichte bildet. In diesem preisen die drei Erzengel die Welt und die Herrlichkeit des Herrn (vgl. V. 242 – V. 270). Im Folgenden schließen der Herr und Mephistopheles eine Wette ab, bei der es darum geht, ob Mephistopheles des Herren „Knecht“ (V. 299) Faust auf den falschen Weg führen kann, denn dieser „dient“ zwar „auf besondere Weise“ (V. 300), jedoch ist er von der Wissenschaft eingenommen und nicht mit seinem Leben zufrieden, was man an V. 307 „Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust“ erkennt. Dies möchte Mephistopheles nun ausnutzen, um Faust auf seinen Weg zu lenken (vgl. V. 314). „So lang er auf Erden lebt, / So lange sei dir‘s nicht verboten“ (V. 315f.). Damit gibt der Herr ihm die Erlaubnis, ist sich jedoch sicher, dass ein guter Mensch „sich des rechten Weges wohl bewusst“ (V. 329) sei. Am Anfang der Tragödie, in der Szene „Nacht“, trifft man auf einen verzweifelten Faust, der sich in einer Existenzkrise als Gelehrter befindet. Obwohl er die damals wichtigsten Gebiete Philosophie, Juristerei, Medizin und Theologie studiert hat (vgl. V. 354ff.), so versteht er, dass die Menschen trotzdem nichts wissen können: „Da steh ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor“ (V. 359f.) und „Und sehe, dass wir nichts wissen können!“ (V. 364). Aus diesem Grund hat er sich „der Magie ergeben“ (V. 378), um zu erkennen, „was die Welt / Im Innersten zusammenhält“ (V. 382f.). Faust würde gerne nach dem Prinzip Burkhardts vom „uomo universale“ leben, dem Universalgelehrten, der alles weiß. Theoretisch ist er auch einer, jedoch verlangt er eine andere Form von Wissen und Erkenntnis. Im Folgenden findet er das Buch eines bekannten Wahrsagers namens Nostradamus und beschwört einen Erdgeist herauf, während er der festen Überzeugung sei, er wäre gottesgleich: „Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!“ (V. 439) und „Ich Ebenbild der Gottheit!“ (V. 516). Dies nennt sich Faustsche Hybris und umfasst die menschliche Überheblichkeit und die Übereinschätzung der eigenen Kräfte. Diese Illusion wird jedoch vom Geist zerstört, „Du gleichst dem Geist den du begreifst, / Nicht mir!“ (V. 512f.), und lässt einen zusammengebrochenen Faust mit Suizidgedanken zurück. Nach einem Gespräch mit seinem Lehrling Wagner, dessen Streben nach Erkenntnis nur durch Bücher und Vorträge geschieht, setzt Faust „den letzten Trunk“ (V. 735) an den Mund, wird jedoch aufgrund von Glockenklang und Chorgesang des Ostermorgens an seine Kindheit erinnert und bricht den Selbstmord ab. Im weiteren Verlauf geht Faust mit Wagner spazieren und fühlt sich vom Frühling wie neu auferstanden, was man mit der Auferstehung Jesu in Verbindung setzen könnte. „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / Durch des Frühlings holden, belebenden Blick“ (V. 903f.). Der Frühling füllt Faust mit neuer Lebensenergie und „führt“ ihn „weg, zu neuem buntem Leben!“ (V. 1121). Nach dem Spaziergang folgt ein Pudel Faust in sein Studierzimmer, welcher sich als Mephistopheles herausstellt und vertrieben wird, jedoch gibt er nicht so leicht auf und kehrt in der Szene „Studierzimmer II“ zurück, welche es nun genauer zu studieren gilt.
„Wir werden, hoff ich, uns vertragen!“ (V. 1533) – Mit diesen Worten fängt der richtige Dialog zwischen Mephistopheles und Faust an. Faust erzählt Mephistopheles von seinen Problemen, da er „zu alt, um nur zu spielen / Zu jung, um ohne Wunsch zu sein“ (V. 1545f.) ist. Ebenso verrät er ihm, dass er sich den Tod wünscht: „Der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst“ (V. 1571). Mephistopheles stellt sich unwissend dar, weiß jedoch vom Suizidversuch, was man an V. 1582 erkennt: „Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst“. Im Folgenden hält Faust ein Plädoyer an das Christentum mit der Metapher1 „Ein süß bekannter Ton“ (V. 1584) als Ruf des Christentums und verflucht in mehreren Klimax2 und Anaphern3 die elementaren christlichen Tugenden wie Glaube, Liebe, Hoffnung und Geduld (vgl. V. 151 – V. 1606: „verflucht“ und „Fluch“). Mephistopheles sieht in diesem Augenblick seine Chance und stellt sich Faust unterwürfig, indem er ihm erklärt, dass er mit seinem Frust nicht weiter leben muss („Hör auf mit deinem Gram zu spielen“ (V. 1635)) und er ihm das Angebot macht, sein Diener zu werden: „Ich bin dein Geselle / Und, mach ich‘s dir recht / Bin ich dein Diener, bin ich dein Knecht!“. Der kluge Faust weiß, dass dieses Angebot nicht ohne Gewinn für Mephistopheles stattfinden kann und fragt: „Und was soll ich dagegen dir erfüllen?“ (V. 1649). Sehr wohl weiß er, dass „der Teufel ein Egoist“ (V. 1651) ist. Mephistopheles verspricht nun, auf Erden Fausts Diener zu sein, wenn er „drüben“ (V. 1658), im Jenseits, ihm „das Gleiche“ tut. (vgl. V. 1656 – V. 1659). Faust aber, interessiert das Jenseits überhaupt nicht, er hat nur Interesse am Diesseits. Dies sieht man an V. 1660: „Das Drüben kann mich wenig kümmern“ und an V. 1663: „Aus dieser Erde quillen meine Freuden“. Mephistopheles versucht nun erst recht Faust zu überreden, indem er ihm seine Künste anbietet und sagt, er würde Dinge hinbekommen, die kein Mensch vor ihm bekam (vgl. V. 1671 – V. 1674: „In diesem Sinne kannst du‘s wagen …“). Die beiden Protagonisten reden abwechselnd in Kreuz- und Paarreimen. Faust gibt sich noch nicht überzeugt und beginnt den Teufel schlecht zu machen: „Was willst du armer Teufel mir geben?“ (V. 1675). Auf diese rhetorische Frage folgt eine weitere: „Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben / Von deinesgleichen je gefasst?“ (V. 1676f.). Da er nach Erkenntnis strebt, fragt er, ob je der Geist eines Menschen, seine Seele, von Mephistopheles berührt wurde. Im Verlauf nennt er viele Antithesen4, Widersprüche, wie zum Bespiel „Doch hast du Speise die nicht sättigt“ (V. 1678) oder „Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt“ (V. 1681). Des Weiteren fordert er mehr Widersprüchliche Dinge: „Zeig mir die Frucht die fault, eh man sie bricht / Und Bäume die sich täglich neu begrünen!“ (V. 1686f.). Darauf antwortet Mephistopheles selbstbewusst und mit größter Sicherheit: „Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht / Mit solchen Schätzen kann ich dienen“ (V. 1688f.). Nun ist Faust überzeugt und schildert Mephistopheles, wann sein letzter Tag gekommen sei, nämlich dann, wenn er den Genuss des Lebens verspürt (vgl. V. 1692 – V. 1697). Mit „Die Wette biet ich!“ (V. 1697) findet man die Parallele zu der Wette zwischen dem Herrn und Mephistopheles wieder – der Vorgang wiederholt sich. Mephistopheles und Faust einigen sich zuerst wörtlich und mit Handschlag („Topp!“ / „Und Schlag auf Schlag!“ (V. 1698f.)), im Verlauf dann noch mit Blut (vgl. V. 1740ff.). Letztlich endet dieser Abschnitt mit Fausts Ziel, nämlich in einem Moment voller Glück zu sein und bei Erreichen dieser Bedingung zu sterben und Mephistopheles zu dienen: „Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön!“ (V. 1699f.). Mit dieser Apostrophé und der Exclamatio wird der absolute Glücksmoment dargestellt, den Faust erreichen will und für den er bereit ist zu sterben und seine Seele im Jenseits zu verkaufen bzw. zu tauschen. „Werd ich“ steht hierbei für die Bedingung, die Folgen werden nun aufgezeigt: „Dann magst du mich in Fesseln schlagen / Dann will ich gern zugrunde gehn! / Dann mag die Totenglocke schallen / Dann bist du deines Dienstes frei“ (V. 1701ff.). Die Anaphern „dann“ stehen für die Folgen, die Metapher der Totenglocke für den Tod Fausts. „Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen / Es ist die Zeit für mich vorbei!“ (V. 1705f.). Dem Ende Fausts Bedingung wird ein Ausrufezeichen zur Verdeutlichung und Bekräftigung angehängt und schließt den Rahmen der wörtlichen Wette ab.
Im gesamten Dialog haben sowohl Mephistopheles als auch Faust in etwa den gleichen Redeanteil, da sie beide Protagonisten der Tragödie sind und hier ihr gemeinsamer Plan besiegelt wird. Mephistopheles spricht in sehr einfacher Sprache, was man als schlau und hinterlistig bezeichnen kann, da er sich vor Faust als unterwürfig ausgibt und ihm seine Dienste anbietet. Er lullt Faust mit seiner Sprechweise ein, versucht ihn von sich zu überzeugen und ihn von seinem Leiden, der Existenzkrise, abzubringen. Dabei hat er sein eigentliches Motiv, die Wette zum Herrn, stets im Hinterkopf. Faust zeigt sich zuerst sehr misstrauisch und kritisch gegenüber Mephistopheles und spricht in umfangreichen, bildhaften Beschreibungen (vgl. V. 1660 – V. 1670 oder V. 1678 – V. 1687). Im Endeffekt glauben beide die Wette gewinnen zu können, jedoch könnte man auch behaupten, dass es sich um eine „win-win-Situation“ handelt, da Faust glücklich werden und das Leben genießen kann, während Mephistopheles sowohl einen Diener im Jenseits als auch die Wette zum Herrn gewonnen hätte. Insgesamt steigert sich der Dialog bis zur Wette, da diese den Höhepunkt der Szene bildet und die Schlüsselszene zum Stück ist. Das Verhältnis zwischen Mephistopheles und Faust ist in dem Moment zu zwei Kollegen geworden, die sich gegenseitig helfen, jedoch ist vorerst Mephistopheles der Diener Fausts, da sie sich ja auf Erden befinden.
Vergleich mit der Szene „Auerbachs Keller in Leipzig“ und „Hexenküche“
Anhand von zwei weiteren Szenen lässt sich die Beziehung der zwei Protagonisten darstellen. Zum einen „Auerbachs Keller in Leipzig“, in welcher Mephistopheles Faust in „lustige Gesellschaft“ (V. 2159) bringt, um ihn durch das Leben, welches auf den Genuss (in dem Fall Alkohol und Gesang) ausgerichtet ist, glücklich zu machen. Während Mephistopheles mit anderen Leuten trinkt und singt, so äußert Faust sich nur ein einziges Mal mit den Worten: „Ich hätte Lust nun abzufahren“ (V. 2296). Dass für Faust dieses Leben animalisches Verhalten bedeutet und nicht seinem Begriff von Glück entspricht, äußert sich in den Tiernamen der anderen Leute, wie zum Beispiel Frosch, Schwein, Nachtigall und Bock (vgl. V. 2299ff.). In der Szene „Hexenküche“ führt Mephistopheles Faust zu einer Hexe, die ihn mit einem Trank verjüngen soll. Faust ist anfangs skeptisch, was sich an V. 2340 „Verlang ich Rat von einem alten Weibe?“ und an V. 2344 „Schon ist die Hoffnung mir verschwunden“ äußert. Er möchte keine Hilfe von einer (alten) Frau: „Warum denn just das alte Weib! / Kannst du den Trank nicht selber brauen?“ (V. 2366f.). Nachdem er „das schönste Bild von einem Weibe! (V. 2436) in einem Spiegel sieht, möchte Mephistopheles ihm helfen „so ein Schätzchen aufzuspüren“ (V. 2445). Zu Ende der Szene hat Faust sich verjüngt, denkt aber nur an das Mädchen, welches er im Spiegel gesehen hat. Mephistopheles will Faust nun helfen, eine Frau auf der Straße zu finden. Faust vertraut Mephistopheles wohl immer noch nicht ganz und ist nicht von seinen Methoden überzeugt, jedoch ist Mephistopheles der festen Überzeugung, die Wette zu gewinnen. Faust äußert sich in den zwei Szenen kaum und lässt sich von Mephistopheles, der genaue Pläne für ihn hat, lenken.
Schluss
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich das Verhältnis zwischen Mephistopheles und Faust im Laufe der Tragödie verändert und dass die Pakt-Szene die Schlüsselszene des gesamten Buches ist. Auch kennzeichnet sie den Schluss der Gelehrtentragödie und den Beginn der Gretchentragödie, da sie für alle weiteren Ereignisse verantwortlich ist. Fausts Streben nach dem eigentlichen Sinn im Leben und der Erkenntnis, kann der Epoche des Sturm und Drangs zugeschrieben werden, wie man in V. 1768 sieht: „Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist“.
„Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern / Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern“ (V. 1774f.). Wir alle leben mit dem Durst nach Leben und diese Passage zeigt, dass man auch bereit ist für den Sinn des Lebens zu leiden und dies ist eine mögliche Aussage darüber, was Goethe uns zu sagen vermag.