Aufgabe:
Analyse und Interpretation einer Textstelle (Gespräch zwischen Mephisto und Faust mit anschließendem Zitatbezug zum Thema : Mephisto als „Sparringpartner“ für Faust)
Textstelle:
V. 1671 bis V. 1759
Außentext:
„Faust hält zwar die Form des Vertrages mit dem Teufel ein, unterläuft aber dessen Inhalt, dessen „Geist“: Er führt die Verhandlungen eigenmächtig durch und erlaubt Mephisto nur die Rolle eines Sparring-Partners“. (Ulrich Gaier)
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
„Zwei Seel wohnen, ach! In meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen; Die eine hält in derber Liebeslust, sich an die Welt, mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich vom Durst zu den Gefilden hoher Ahnen“ (Z. 1110 ff.). Dieses Zitat stammt aus Goethes Drama „Faust“, welches 1808 erschienen ist. Im Allgemeinen handelt es sich um den Protagonisten Faust, der alle vier Fakultäten der mittelalterlichen Universität absolviert hat, dennoch aber nach transzendenter Erleuchtung strebt. Ihm reicht das rein irdische Wissen nicht aus. Vielmehr will er verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Zu Beginn des Dramas schließt der Herr mit dem Teufel, welcher Mephisto heißt, eine Wette ab. Mephisto und Gott sin zwei unterschiedliche Charaktere, die auch verschiedene Weltbilder haben und jeweils anders über die Bestimmungen und Absichten des Menschens denken. Gott glaubt an das Gute im Menschen und dessen Fähigkeit, sich zu entwickeln. Mephisto hingegen sieht das Schlechte in jenem Menschen und bezeichnet solchen als vernunftbegabtes Tier. Infolgedessen schließen die beiden eine Wette ab. Mephisto, der den negativen Pol der Schöpfung symbolisiert, behauptet, dass er es schaffe, den Universalgelehrten Faust durch Lust und Begierde vom rechten Weg abzubringen. Gott ist demnach anderer Ansicht und ist sich sicher, dass Mephisto die Wette verlieren wird. Sollte er sie dennoch gewinnen, bekäme er die Seele Fausts im Jenseits. Wichtig zu erwähnen ist, dass Mephisto nur ein Teil der Schöpfung Gottes ist und somit keinen gleichberechtigten Wettpartner darstellt. Fausts pansophisches und kosmisches Weltbild stellt eine Schwierigkeit für den Teufel dar. Der Teufel möchte die Menschen durch Begierde, Lüste und Wünsche erreichen und beeinflussen. Faust ist der Gegenentwurf dazu, da er nicht viel von irdischen Begierden hält und darin keinen Reiz zur Vollkommenheit spürt. Es sehnt sich nach viel mehr, nach göttlicher, überirdischer Erkenntnis, welche nicht aus Büchern oder anderen Schriften gewonnen werden kann. Er fühlt eine starke innere Zerrissenheit, weil er endlich wissen möchte, was die Welt im Innersten zusammenhält und warum bestimmte Umstände eintreten. Vor lauter Verzweiflung versucht Faust Erkenntnis aus verschiedenen Dingen zu gewinnen. Diese sogenannten Entgrenzungsversuche spielen eine wichtige Rolle beim Verständnis seiner Krise. Der erste Versuch, vollkommene Erkenntnis zu erlangen, läuft in seinem Studierzimmer ab, in dem er ein Buch über den Makrokosmos studiert, jedoch keinerlei für ihn relevante Erkenntnis bekommt. Faust widmet sich voller Verzweiflung der Magie, mit der er einen Erdgeist beschwört, welcher ihn allerdings negiert2, da er diesem in keinster Weise gleicht, geschweige denn mithalten kann. Er könne nur Wesen gleichen, die er begreife. Faust ist dermaßen schockiert, dass er nur noch noch einen letzten Ausweg sieht, den Suizid. Durch den Selbstmord erhofft er sich im Jenseits Antworten auf all seine Fragen zu bekommen. Trotzdem gelingt ihm auch der dritte Entgrenzungsversuch nicht, da die Osterglocken erklingen, welche Kindheitserinnerungen bei ihm auslösen und ihn zudem an die Auferstehung Gottes erinnern. Der Glaube hält ihn von dem Selbstmord ab. Im weiteren Verlauf des Dramas kommt es zu einer Begegnung mit einem Pudel, der ihm nach seinem Spaziergang mit einem Genossen folgt. Faust sieht von Anfang an ein magisches Wesen in dem Pudel, was wieder sein Streben nach höheren Fähigkeiten deutlich macht. Der Pudel verwandelt sich schließlich in Mephisto. Durch die gescheiterten Entgrenzungsversuche ist Faust noch tiefer erschüttert als zuvor, er ist überfordert und somit leicht empfänglich für den Teufel. Mephisto und Faust diskutieren eine Weile, bis Faust einen Vorschlag bekommt. Mephisto bietet ihm an, dessen Knecht auf Lebenszeit zu sein, wenn Faust ihm dafür im Jenseits dient. Faust geht die Wette ein. An diesem Punkt setzt nun die Textstelle an.
„Wird ich zum Augenblick sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen (…) (V. 1700 ff.): Dies ist eine zentrale Aussage Fausts in der Textstelle. Hauptthema ist der Abschluss der Wette zwischen Faust und Mephisto, dem Teufel. Sie diskutieren über die Wette und welche Vorteile diese beiden Parteien bringen werde. Zu Beginn der Szene behauptet Mephisto, Faust außergewöhnliche Dinge und Fähigkeiten geben zu können. Er nennt diese Dinge „seine Künste“, was zeigt, dass Mephisto individuelle Kräfte besitzt Menschen zu beeinflussen. Sei es durch schwarze Magie oder die primitive Lust der Begierde. Durch die Worte: „was noch kein Mensch gesehen“ (V. 1674) will er Faust neugierig machen und ihn stärker an sich binden. Faust bezeichnet den Teufel als „armen Teufel“, was zu erkennen gibt, dass Faust nicht sonderlich viel von seinem Gegenüber hält. Er bezeichnet sich selbst als ein Mensch im hohen Streben und macht außerdem deutlich klar, dass er geistlich in einer anderen Liga spielt (V. 1676 ff.). Die Wiederholung „Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast du rotes Gold, das ohne Rest (…) wird deutlich, wie wenig Faust Mephisto schätzt. Faust erwartet außergewöhnliche, übermenschliche Fähigkeiten, setzt somit seine Anforderungen sehr hoch. „Zeig mir die Frucht, die fault, bevor man sie bricht“ (vgl. V. 1686): Mephisto ist darauf nicht besonders überrascht und sagt aus: „Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht ab.“ Des Weiteren benutzt der Teufel das Wort „dienen“, welches klar und deutlich zeigt, dass er Faust untergeordnet ist, ihm alle Last abnimmt und für ihn lebt. Kommt Faust zur Ruhe und findet sein inneres Gleichgewicht, lässt sich belügen und von Genuss und Begierde verleiten, so gewinnt Mephisto die Wette und Faust ordnet sich diesem unter. Ohne weitere Worte oder Erwiderungen bestätigt der Teufel die Wette mit dem Wort „Topp!“. Wenn Faust von sich selbst behaupten kann, dass er mit sich und der Welt zufrieden ist, so kann Mephisto seine Seele haben. Mephisto ist sich seiner Sache sehr sicher und ist stark davon überzeugt, Faust vom rechten Weg abbringen zu können. Er macht Faust klar, dass er die Wette im Hinterkopf behalten solle und diese niemals zu vergessen hat (vgl. V. 1707). „Ich habe mich nicht freventlich vermessen.“ (V. 1700 ff.) zeigt, dass Faust keinerlei Zweifel oder Ängste an der wette hat. Mephisto fügt hinzu, dass er als „Diener“ seine Pflcht erfülle. Wieder kommt das Wort „Diener“ vor, welches nochmals die untergeordnete Rolle Mephistos gegenüber Faust symbolisiert. Durch den umarmenden Reim wird dem Leser ein Gefühl der Umschlossenheit und Fürsorge vermittelt. Mephisto gewinnt an Aufmerksamkeit und der Leser lässt eine gewisse Nähe zum Gegenpool der Schöpfung zu. „Ist´s nicht genug, dass mein gesprochenes Wort auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?“ (vgl. V. 1718): Faust beklagt sich darüber, dass Mephisto die Wette schriftlich dargelegt haben möchte. Durch die oben angeführten Worte zeigt sich, wie überzeugt Faust von sich ist, zudem betitelt er sein Versprechen als „Manneswort“ und unterstellt dem Teufel gleichzeitig, noch nie davon gehört zu haben. Folglich charakterisiert Faust Mephisto damit als eher unerfahren und menschenfremd. Dennoch lässt sich die Ironie hier heraushören, da Faust ziemlich genau weiß, dass er die Wette gewinnt. Faust fragt Mephisto, was er für Materialien fordert für das Aufschreiben der Wette. Er betitelt ihn mit „böser Geist“. Darauf bietet er Mephisto eine große Auswahl an verschiedensten Materialien zum Beschreiben an. „Erz, Marmor, Pergament, Papier?“. Daran wird deutlich, wie offen und überzeugt Faust ist. Ihm kommt es nicht auf das Irdische an, wie in diesem Fall das Aufschreiben einer wette, sondern auf die Tatsache, dass er sie mündlich ausformuliert hat. Mephisto sieht das Gute und die Richtigkeit in der schriftlichen Festhaltung der Wette. Ebenso fordert er, die Wette mit einem Bluttropfen zu unterzeichnen. Faust willigt sofort ein und ist in gewisser Weise verwundert, dass Mephisto sich mit einem Tropfen Blut auf einem kleinen Stück Papier zufrieden gibt. Mephisto bezeichnet das Blut als „besonderen Saft.“ (vgl. V. 1740). Blut ist das physische Lebenselixier jedes Menschen und deshalb so wichtig für den Teufel. Ohne Blut ist der Mensch nicht fähig zu leben. Anschließend erzählt Faust über die Veränderung, der er sich in der Zukunft unterziehen wird und dass „des Denkens Faden zerrissen ist“ (vgl. V. 1748). Dies bedeutet, dass Faust sich für das Jenseits öffnet und sich durch Leidenschaft zu einem besseren Menschen machen, sich „heilen“ lassen möchte. Er sieht den Teufel nicht mehr als Gegenspieler, sondern als Teammitglied, da er das Wort „und“ benutzt und somit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen lässt. Faust hat in der Szene einen deutlich höheren Redeanteil als sein Antagonist Mephisto. Zudem fällt auf, dass Faust mehr hinterfragt und die Sache genauer analysiert. Ein Niveauunterschied lässt sich dadurch gut erkennen. Die Kraft, das Überirdische zu begreifen zu wollen, ist stärker als das Verlangen nach Begierde und Lust. Allerdings kann man dennoch sagen, dass Faust sich für den Teufel öffnet, da er von dem Verlangen nach vollkommenem Wissen strebt und Antworten auf seine geheimnisvollen Fragen wünscht. Die Thematik des Dramas lässt sich gut mit dem Zitat von Ulrich Gaier vergleichen. Dies bedeutet, dass Faust jedoch die Wette einhält, jedoch eigenständig, rational handelt und sich von Mephisto nicht sonderlich beeinflussen lässt. Diese Thematik wird in vielen Szenen deutlich. Am Anfang des Dramas in der Szene „Nacht“ wird Fausts Intention schnell deutlich. „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält.“ (vgl. V. 380 ff.). Das „ich“ in dieser Aussage sagt aus, dass Faust aufgrund seines eigenen Verlangens nach Erkenntnis handeln will, der Teufel ist demnach nur ein „Hilfsobjekt“ zum Erreichen seiner Ziele. Mephisto ist ein Teil von jener Kraft, „die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ (vgl. V. 1335). Faust benutzt diesen Teil als Hilfe für seine Erkenntnisgewinnung. Ein weiteres bedeutsames Zitat ist: „Ich hätte Lust nun abzufahren“ (vgl. V. 2295). Faust sieht keinerlei Erfüllung, Sinn oder Zweck in dem Trinkgelage der Studenten. Er fordert zu gehen. Mephisto geht auf diese Aufforderung ein, schlussfolgernd nimmt Faust selbst die Führungsrolle ein. Des Weiteren schafft es Mephisto nicht, Faust moralisch komplett zu verändern. Am Ende der Gretchentragödie realisiert Faust seine Fehler und gesteht sich Schuld ein. Ein letzter Punkt wäre der, dass der Teufel nicht in jeder Situation Macht ergreifen kann. Dies lässt sich anhand der Szene „Straße“ belegen. Gretchen ist unschuldig und fromm, folglich hat der Teufel keine Macht über sie und kann diese nicht beeinflussen. Mephisto ist eben nur ein Teil der Kraft, ein Teil der Schöpfung Gottes, nicht mehr. Infolgedessen ist er bei beiden Wetten jeweils Gott und Faust unterlegen. In Bezug auf die Bibel lässt sich hier das gleiche Szenario auffinden. Der Teufel ist nur ein kleiner Teil, der Minuspol der Schöpfung.
Das Thema des Dramas lässt sich gut mit einer allgemeinen Problematiken und Situationen vergleichen. Übertragen symbolisiert das Streben nach irdischem Wissen eine Art Gefangenheit des eigenen Geistes. Der moderne Mensch strebt nach immer mehr Wissen und Verstand und vergisst dabei wichtige existenzielle Fragen des Lebens zu beantworten.