Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Faust - Der Tragödie erster Teil (Faust 1) ist ein Drama von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1808. Die Tragödie handelt vom Wissenschaftler Heinrich Faust, der nach Wissen strebt und unfähig ist, sein Leben zu genießen. Aus diesem Grund schließt er einen verhängnisvollen Pakt mit dem Teufel, in dem er diesem seine Seele verspricht.
In der vorliegenden Szene, die von S. 38 bis S. 39 und Vers 1064 bis Vers 1125 geht, kommt es zu einem Gespräch zwischen Faust und seinem Schüler Wagner. Die Szene spielt vor dem Tor der Stadt und Faust versucht Wagner während eines Spaziergangs zu erklären, warum er sich so zum Himmel und dem Göttlichen hingezogen fühlt. Der Student kann diesen Trieb von seinem Lehrer nicht nachvollziehen.
Der Szenenausschnitt gehört zur Exposition des Dramas. Nachdem der Leser in den Prologen den Entstehungsprozess des Dramas sowie die Schwierigkeiten beim Schreiben eines solchen Stückes kennengelernt hat und im Prolog im Himmel erfahren hat, dass der Teufel den Pakt mit Faust schließen will, um Gott zu zeigen, wie schlecht die Menschheit ist, ging es in der ersten Szene „Nacht“ vorrangig darum, dass der Wissenschaftler sich über sein Leben beklagt hat. Zusätzlich wollte er sich Hilfe von einem Geist holen, diesen verabscheute er jedoch und entschied sich dazu, sich das Leben zu nehmen. Davon wurde er allerdings durch die Glocken der Osternacht abgehalten. Am Ostermorgen sind alle Menschen glücklich, auch Faust. Trotzdem wird in der vorliegend Szene deutlich, warum er sich so zum Übermenschlichen hingezogen fühlt und dadurch sein Leben nicht mehr genießen kann. Im weiteren Verlauf der Szene begegnet Faust zum ersten Mal dem Teufel Mephisto. Dieser zeigt sich ihm zunächst in Gestalt eines Hundes, welchen der Wissenschaftler mit nach Hause nimmt. Dadurch kommt es dazu, dass die beiden einen Pakt schließen. Durch Fausts Streben erklärt sich, warum er sich auf diesen Pakt einlässt, der ihm Zufriedenheit bescheren soll. Wenn Faust nicht mit seinem Leben unzufrieden wäre, würde er sich nicht auf den Teufel einlassen.
Der Textausschnitt ist ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Faust und seinem Schüler Wagner, in dem Faust allerdings einen viel größeren Redeanteil hat.
Der Abschnitt beginnt mit einer langen Träumerei. Direkt zu Beginn benutzt er die Interjektion1 „O“ (V. 1064), dies unterstreicht seine Unzufriedenheit. Er beneidet die Menschen, die merken, dass das gesamte Wissen nur ein Irrtum ist („O glücklich, wer noch hoffen kann, Aus diesem Meer das Irrtums aufzutauchen“ (V. 1064f.)), die Metapher2 „dieses Meer“ (V. 1065) steht dabei für die Fülle des Irrtums. Der Parallelismus „Was man nicht weiß, das eben braucht man“ (V. 1066) und „Und was man weiß, kann man nicht brauchen“ (V. 1067), macht noch einmal deutlich, wie bereits in der Szene „Nacht“, dass Faust mit seinem Wissen unzufrieden ist, da er der Meinung ist, dass ihm dieses nichts bringe. Trotzdem möchte er sich nicht durch solche Gedanken den Ostertag verderben lassen, sodass er wieder von etwas Schönem sprechen möchte. Er beschreibt, wie die Sonne die Natur ausleuchten (vgl. V. 1068-1073).
Danach beginnt Faust allerdings direkt wieder mit einer Träumerei, er stellt sich vor, wie es wäre von der Erde wegzukommen („O dass kein Flügel mich vom Boden hebt“ (V. 1074)), sein sehnlicher Wunsch danach wird durch die Interjektion „O“ (V. 1074) deutlich.
In diesem Gedanken wird außerdem deutlich, wie der Wissenschaftler sich sein Leben vorstellt, wenn er von der Erde befreit würde. Die Bilder „stille Welt“ (V. 1077), „beruhigt jedes Tal“ (V. 1078) und „erwärme Buchten“ (V. 1082) zeigen, dass er von einem ruhigen und schönen Leben träumt, anderes als im Gegensatz dazu, wie er sich momentan fühlt. Durch sein Wissen fühlt er sich eingeengt und unruhig(vgl. Regieanweisung am Beginn der Szene „Nacht“).
Doch der Wissenschaftler weiß selber, dass dies nur ein Traum ist und nicht wirklich werden kann („Ein schöner Traum“ (V. 1089)). Mit seiner Seele möchte er weg, allerdings weiß er, dass sein Körper auf der Erde bleiben muss („Zu des Geistes Flügeln wird so leicht kein körperlicher Flügel sich gesellen“ (V. 1090f.)). Die Interjektion „Ach!“ (V. 1090) macht jedoch deutlich, wie gerne er genau dies hätte. Faust ist der Meinung, dass er nicht als einziger diesen Drang verspürt, sondern, dass jeder das Bedürfnis hat, seine Seele zu lösen („Doch es ist jedem eingeboren, Dass sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt“ (V. 1093f.)).
Er stellt sich zusätzlich alle möglichen Vögel vor, wie sie über die Erde fliegen, dieses Bild verstärkt seinen Drang danach ebenfalls fliegen zu können (vgl. V. 1094-1099). An dieser Stelle sagt Wagner das erste und einzige Mal im Textausschnitt etwas. Er kann Fausts Wunsch nicht verstehen, da er selber dieses Gefühl noch nie hatte („Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden“ (V. 1102)). Mit dem Hendiadyoin „Wald und Feldern“ (V. 1102) will er seinem Lehrer klar machen, dass es auf der Welt genug gibt, an dem „man sich satt sieht“ (V. 1102). Die Ellipse3 und Wortwiederholung „Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt“ (V. 1105), dies ist zusätzlich ein Parallelismus, sowie seine Rede von einem „würdigen Pergamen“ (V. 1108) sollen verdeutlichen, wie viel Wissen man aus einem Buch holen kann. Wagner ist der Meinung, dass man nach dem Lesen eines Buches bereits alles Erdenkliche besitzt. Dies wird durch die Personifikation4 „So steigt der ganze Himmel zu dir nieder“ (V. 1109) gezeigt.
Faust beneidet seinen Schüler darum, dass er sich auf der Erde so wohl fühlt („Du bist dir nur des einen Triebes bewusst, O lerne nie den anderen kennen!“ (V. 1110f.)). Die Interjektion „O“ (V. 1111) unterstützt diese Aussage.
Er vergleicht seinen Drang mit „zwei Seelen“ (V. 1112) welche „in seiner Brust wohnen“ (V. 1112) (Personifikation). Sein Denken ist die eine Seele, sie „will sich von der anderen trennen“ (V. 1113) und hinaufsteigen in den Himmel („Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust“ (V. 1116)). Sein Körper allerdings („klammende Organe“ (V. 1115)), welcher die zweite Seele ist, kann sich nicht von der Welt lösen.
Faust hofft darauf, dass es Geister gibt, welche ihm dabei helfen können, „in eine neues, buntes Leben“ (V. 1121) zu gelangen.
Könnte er Magie anwenden („Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein“ (V. 1122)), könnte er sich damit selber aus seinem Leben befreien („Und trüge er mich in fremde Länder!“ (V. 1123)).
Der Szenenausschnitt hat eine wichtige Bedeutung für das Drama. Faust erklärt seinen Drang danach, sich von der Welt zu lösen und in das Göttliche überzugehen. Durch diesen Drang ist er mit seinem Leben nicht mehr zufrieden und kann es nicht genießen. Dies erklärt zum einen, warum er sich in der ersten Szene („Nacht“) selber umbringen möchte, zum anderen aber auch, warum er sich auf den Pakt des Teufels einlässt, denn dieser verspricht dem Wissenschaftler den vollen Genuss im Gegenzug zu seiner Seele.
Faust denkt sich, dass er so wie sein Leben momentan ist, es nicht weiterführen möchte, hofft aber durch den Teufel darauf, die Freude des Lebens noch einmal zu genießen. Daher hat er auch kein Problem damit, seine Seele als „Bezahlung“ zu geben.