Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die zu analysierende Szene stammt aus dem Drama „Faust I“ von Johann Wolfgang von Goethe, welches 1808 veröffentlicht wurde. Die Tragödie behandelt das Leben des historischen Doktora Faust.
Die Szene stellt den drameninternen Wechsel von Gelehrten- zu Gretchenträgodie dar. In der vorherigen Szene hat Mephisto in der Hexenküche dafür gesorgt, dass Faust mithilfe eines Zaubertranks um 30 Jahre verjüngt wird. Zudem wurde durch einen Zauberspiegel Fausts Verlangen nach einer weiblichen Person geweckt.
Faust kehrt in dieser Szene in die Stadt zurück und trifft dort, auf der Straße, auf das junge Gretchen. Er bietet ihr Geleit an und ist von ihr verzaubert. Gretchen lehnt ab, sie sagt, dass sie „weder Fräulein, weder schön“ sei. Faust überredet Mephisto dazu, Gretchen zu seiner Geliebten zu machen. Mephisto arrangiert, das Faust in Gretchens Zimmer ein Geschenk hinterlegen kann um sein Verlangen nach ihr zu stillen.
Die Szene lässt sich in drei Sinnesabschnitte unterteilen.
Der erste Sinnesabschnitt (V. 2605-2608) behandelt die erste Begegnung von Faust und Margarethe (Gretchen).
Der darauffolgende, zweite Abschnitt, beinhaltet Fausts Monolog über diese Begegnung.
Mit Mephistos Auftreten beginnt der dritte und letzte Abschnitt.
Betrachten wir zunächst den ersten Sinnesabschnitt, die Begegnung zwischen Faust und Gretchen. Faust erblickt Gretchen, die die Straße herunterläuft. Faust bittet darum, sie begleiten zu dürfen. Er betitelt sie als „schönes Fräulein“ (V. 2605), also mit einer adeligen Anrede. Gretchen reagiert darauf schüchtern und ängstlich. Sie erwidert, dass sie weder „Fräulein [noch] schön“ (V. 2607) sei und alleine nachhause gehen könne. Sie verlässt schnell die Szene. Durch diese flüchtige Begegnung lassen sich einige Merkmale von Gretchen und Faust erkennen. Betrachten wir zunächst die Reaktion Fausts. Faust reagiert in dieser Szene ungewohnt impulsiv und unbedacht. Es wird deutlich, dass der Verjüngungstrank der Hexe eine starke Sehnsucht in ihm geweckt hat, die lange Zeit durch seine Moralvorstellungen und seinen Forscherdrang unterdrückt wurde. Durch Gretchens Reaktion wird deutlich, dass diese sehr schüchtern ist und sich von Fausts Drängen überrumpelt fühlt. Dies wird durch das schnelle Verlassen der Szene deutlich.
Im zweiten Teil der Szene, hält Faust einen kurzen Monolog. In diesem schwärmt er von Gretchen. Diese Schwärmereien lassen eine kurze Charakterisierung Gretchens zu. Fausts Beschreibungen zur Folge hat Gretchen Rote Lippen und sehr blasse Wangen (V. 2611f.). Dazu sei sie „Sitt- und tugendreich / Und etwas schnippisch doch zugleich“ (V. 2611f.). Die Tatsache, dass Gretchen kurz angebunden war, findet Faust entzückend (V. 2617).
Im dritten Teil der Szene, betritt Mephisto die Szene. Faust beginnt direkt Forderungen zu stellen. Es fällt auf, dass sich Fausts Sprache stark verändert. Die Forderungen sind sehr forscher und barscher Natur. So sagt Faust das, wenn „das süße […] Blut / Heut Nacht [nicht] in [seinem] Armen ruht“ (Z.2636ff.), er den Vertrag auflösen werde. Fausts Verlangen nach Gretchen ist sehr groß. Dies wird vor allem durch seinen parataktischen Satzbau deutlich. Als er noch über Gretchen schwärmt ist dieser hypotaktisch und überschwänglich. Dies wird außerdem durch die Redeanteile im Dialog verdeutlicht. Faust redet kaum und wie vorher beschrieben nur parataktisch. Mephisto überwiegt in diesem Dialog. Dieser versucht ihn mit verschiedenen Argumenten von seinem Vorhaben abzubringen oder ihn zu vertrösten. Die Forderungen Fausts sind von einem riesigen Verlagen nach Gretchen verbunden. Mephisto versucht ihn in vielfachen Ausflüchten zu vertrösten und zu zügeln. Zunächst versucht Mephisto Faust klarzumachen, dass er keine Macht über Gretchen habe, da diese unschuldig sei und sogar „für nichts zur Beichte“ (V. 2625) geht. Danach versucht er ihn mit Moral davon abzuhalten, mit Gretchen anzubändeln. Als Faust dann aber damit droht die Vereinbarung zu beenden, geht Mephisto auf seine Forderungen ein, sagt jedoch, dass er mindestens vierzehn Tage braucht um die richtige Gelegenheit zu finden. Faust ist diese Zeitspanne viel zu groß. Er sagt, dass er selber nur sieben Stunden bräuchte, um Gretchen zu verführen. Diese Überschwänglichkeit lässt sich sicherlich auf den Verjüngungstrank zurückführen. Mephisto antwortet darauf, dass Faust sich gedulden solle, wäre die Freude bei längerer Geduld doch viel größer. Auch dies scheint Faust nicht überzeugen zu können, so sagt er, dass er „Appetit auch ohne“ (V. 2653) das lange Warten habe. Mephisto wird ungeduldig und beschwört Faust sehr resolut, dass Gretchen nicht im Sturm zu erobern sei, dies sei nur über Geduld und Bedacht möglich. Faust ist trotz dieser doch recht absoluten Ansprache nicht zu überzeugen und so verspricht Mephisto ihm schließlich, ihn in ihr Zimmer zu bringen. Faust sieht die Möglichkeit Gretchen ein Geschenk übergeben zu können.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Szene einen gelungen Übergang zur, im zweiten Teil von Faust I, folgenden Gretchentragödie darstellt. Die Person Gretchen wird in das Drama eingeführt und durch Faust kurz charakterisiert. Des Weiteren wird Fausts Sehnsucht und seine mentale Veränderung nach der Einnahme des Verjüngungstranks deutlich. Am Ende der Szene wird ein Ausblick auf die folgende Szene gegeben.