Der Nachbarin Haus mit besonderem Schwerpunkt, wie Mephisto seine Vorhaben durchsetzt.
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die Szene „Der Nachbarin Haus“ aus Johann W. Goethes „Faust“ (1818) zeigt ein Gespräch zwischen Gretchens Nachbarin Marthe und Mephisto, der ihr die Todesnachricht ihres Mannes überliefert.
Mephistos Auftreten ist sehr höflich, da er „ehrbietig“ vor den Frauen zurücktritt (vgl. V. 2898). Dies wird durch seine feine Ansprache „Bin so frei, grad hereinzutreten, / Muss bei den Frauen Verzeihn erbeten“ unterstützt, so dass die Wahrscheinlichkeit einer Abweisung der Frauen geringer ist. Gerade Das Verb „erbeten“ weckt fromme Assoziationen, was zur Sympathie gegenüber Mephisto der beiden religiösen Frauen führt. Auffällig ist, dass Mephisto das junge Gretchen als Fräulein achtet. So steigert er seine Sympathie bei Marthe, die mit Gretchen befreundet ist. Mephisto zeigt sich äußerst bedacht durch seine Höflichkeit sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. So zeigt er sich betont gütig und dankbar, was durch die Aussage „Wie freut mich‘s, dass ich bleiben darf.“ deutlich wird. Der Parallelismus „Ich wollt, ich hätt eine fröhere Mär! / Ich hoffe, Sie lässt mich‘s drum nicht büßen.“ deutet die Zwangsläufigkeit mit der Mephisto sein späteres zu anklingendes Vorhaben durchsetzt an. Des Weiteren unterstreicht es die psychologischen Mittel, die Mephisto einsetzt, um sich Marthes Gunst zu erschleichen: er versucht eine emotionale Bindung aufzubauen, die sich dadurch äußert, dass er nur das Beste für Marthe wolle, was seine Aussage „Ich wollt, ich hätt eine fröhere Mär“ impliziert. Stattdessen teilt er ihr recht ironisch und satirisch mit: „Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen“. Marthe ist von diesen Neuigkeiten bestürzt, was ihre Ausrufe und Floskeln wie „O weh“ und „Ach“ unterstreichen. Es klingt an, dass sie von ihrem Mann als „treue[s] Herz“ denkt. Nun liegt es in Mephistos Sinne dieses Bild zu zerstören, zu verfälschen und für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Für dieses Vorhaben erzählt er eine „traurige Geschicht“ (V. 2920). Gretchen äußert sich skeptisch gegenüber schlechter Neuigkeiten, wobei Mephisto die Frauen durch die Antithese1 „Freud muss Leid, Leid muss Freude haben“ überzeugt. Nach dessen Gelingen berichtet er Marthe von seinem Begräbnis, wobei er sich kurz und knapp hält, um sie aus der Reserve zu locken. Die schlechten Nachrichten, die er nun überbringen wird, bereitet er insofern vor, dass er seine vermeintliche innere Zwiegespaltenheit durch die Metapher2 „groß und schwer“ zum Ausdruck bringt. Mephisto möchte nicht als Überbringer von schlechten Nachrichten dienen und ihm scheint die Lage unangenehm zu sein, denn Marthes Mann habe (angeblich) kein Erbe hinterlassen. Marthe, recht erstaunt über diese Mitteilung, macht ihrem Ärger Luft, woraufhin Mephisto tiefes Mitleid ausdrückt („es tut mir herzlich leid“) und Empathie impliziert. Trotzdem redet Mephisto nicht schlecht von Marthes Gatten „Auch er bereute seine Fehler sehr, / (…) bejammerte sein Unglück noch viel mehr“, sodass Mephisto als gutmütig erscheint. Er schmeichelt die Frauen weiterhin „Ihr seid ein liebenswürdig Kind“ und „‘s ist eine der größten Himmelsgaben, / So ein lieb Ding im Arm zu haben“. Mephisto versucht seine Glaubwürdigkeit als Zeuge des Todes zu steigern (vgl. V. 29552). Diese Authentizität wird durch seine Zitate unterstrichen. Durch die folgende Klimax3 versucht er Marthe zu erzürnen: sie sei am Tode ihres Mannes Mitschuld, er habe einen „Schatz des großen Sultans“ und zeige Untreue in Neapel. Bei diesen Aussagen handelt es sich jedoch um Lügen, die Marthe zu Weißglut bringen („Der Schelm“, V. 2985). Mephisto nutzt Marthes angespannten und zugleich emotionalen Zustand aus, indem er ihr einen Heiratsantrag (vgl. V. 3002) macht un sie somit extrem schmeichelt. Durch seine Lügen und Schmeicheleien gelingt es Mephisto, ein Doppel-Rendezvous zwischen ihm und Marthe und Faust und Gretchen auszumachen. Dabei soll Faust als Zeuge dienen.
Die Verabredung im Garten stellt den Anfang des Endes dar, da dieses Treffen Faust und Gretchens Romanze in den Gang setzt. Des Weiteren zeigt die Szene wie rigoros Mephisto vorgeht, indem er durch lügenhaftes Auftreten Sympathie gewinnt. Dies verdeutlicht, dass ihm alle Mittel recht sind, um seine Ziele zu erreichen, auch wenn sie ethnische Opfer beanspruchen. Jene Charaktereigenschaft verdeutlicht die teuflische Verdorbenheit und den Mangel an ethischen Pflichtbewusstsein. Letztendlich dient Marthe als Mittel zum Zweck, um an Gretchen zu kommen und somit sein Vorhaben der Verkupplung von Gretchen und Faust verwirklichen zu können.