Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Drama „Faust - Der Tragödie erster Teil“ von Johann Wolfgang von Goethe, veröffentlicht im Jahre 1808, geht es um den Gelehrten Heinrich Faust, der durch seinen unerfüllten, unstillbaren Drang nach Erkenntnis unfähig ist, sein Leben zu genießen. Aus dieser Haltung heraus schließt er eine Wette mit Mephisto, dem Teufel. Faust verspricht Mephisto seine Seele im Gegenzug für den vergänglichen Genuss, der Frieden und Gefallen in Fausts Leben bringen soll. Das Stück spielt in Deutschland um 1500 und handelt von der Dynamik zwischen Gut und Böse, was die Frage aufwirft, ob der Mensch für seine Tat selbst verantwortlich ist oder ob der zu der Tat Anstiftende ebenso verantwortlich ist.
Die Handlung beginnt im Himmel, wo Gott und der Antagonist Mephisto eine Scheinwette schließen, bei der Gott weder verneint noch bejaht. Dabei geht es um den Doktor Faust, einen Gelehrten. Mephisto behauptet, er könne Faust auf seinen dunklen verderbten Pfad führen. Gott widerspricht: „ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange/ Ist sich des rechten Weges wohl bewusst“ (Z. 329).
Weiter geht es mit einer genaueren Vorstellung Fausts, der in der Polarität von Euphorie und Depression zu schwanken scheint. Sein unstillbarer Drang nach Wissen endet in einem Selbstmordversuch, der durch die Chöre des Himmels verhindert wird.
Er begegnet Mephisto und schließt mit ihm eine Wette: Sollte Mephisto es schaffen, Faust dazu zu bringen, befriedigt zu ruhen, etwa durch Genuss, dann wird Faust Mephisto uneingeschränkt dienen. Um die Wette zu gewinnen, versucht Mephisto durch verschiedenen körperlichen Genuss Faust zu befriedigen, was ebenfalls eine Verjüngung Fausts miteinschließt. Anschließend begegnet er einem 14-jährigen Mädchen namens Gretchen, das er sogleich begehrt, sodass er Mephisto auffordert, sie ihm zu beschaffen. Im Laufe der Zeit kommt Faust Gretchen immer näher. Zwar verspürt er Gewissensbisse und ist sich dessen bewusst, dass er Gretchens Leben zerstört, doch wann immer er aufhören und gehen will, schafft es Mephisto ihn davon abzuhalten. Die Textstelle bildet insofern einen Wendepunkt der Gretchenhandlung, als Faust es aufgibt, sich von Gretchen fernzuhalten und somit beschließt, dass sie mit ihm untergehen soll.
Die Szene spielt in einer Höhle, in der sich nur Mephisto und Faust befinden. Es handelt sich um ein Überzeugungsgespräch, bei dem Faust hauptsächlich mit sich selbst spricht und Mephisto ihn zum Schluss zu beschwichtigen versucht.
In ernstem Ton redet Faust von seiner Beziehung zu Gretchen. Zwar empfindet Faust bei Gretchen „die Himmelsfreud“ (Z. 3345), doch schafft er es nicht auszublenden, dass er ihr Unrecht tut. Indem sie sich nämlich vor der Hochzeit nahekommen, wird Gretchens Ruf besudelt. Anschließend bezeichnet Faust sich selbst als „Wassersturz“ (Z. 3350), der als Metapher1 dient, um aufzuzeigen, dass er als eine Naturgewalt auftritt, die nichts aufhalten kann und nur durch Felsen in bestimmte Richtungen gelenkt werden kann. Dieser vorgefertigte Weg führt ihn einen Abgrund hinab, der für den Tod oder das Verderben steht. Doch anstatt seinem Weg zu folgen, ist Faust der Meinung, er selbst habe nicht nur „die Felsen [genommen] und sie zu Trümmern [zerschlagen]“ (Z. 3358f), sondern auch Gretchens kleine Welt, die vollkommen unschuldig und kindlich ist, gefährdet. Er hat „ihren Frieden […] untergraben“ (Z. 3359). Doch anstatt die Schuld auf sich zu nehmen, schiebt er sie Mephisto zu. Er ist der Meinung, nicht er selbst habe so entschieden, sondern Mephisto als Hölle, habe Gretchen als Opfer verlangt (Vgl. 3361). Faust akzeptiert, dass er nichts mehr ändern kann. Er sieht zwar, dass es falsch ist, was eine gewisse „Angst“ in ihm auslöst, doch er will sich nicht mehr zurückhalten. Dies ist der Wendepunkt der Gretchenhandlung. Faust ignoriert das Wissen, dass er Gretchen damit mit in den Abgrund reißt: „Was muss geschehn, mag‘s gleich geschehn!“ (Z. 3363). Er will nicht mehr warten und die Zeit der Angst soll verkürzt werden. Im Laufe des Redeflusses Fausts hat der Leser das Gefühl, dass Faust immer lauter, aufbrausender und wütender wird, was gegen Ende von den Ausrufezeichen an den Satzenden ausgelöst wird (Vgl. 3359-3363) Auch dass der Text in fünfhebigen Jamben geschrieben ist, lässt die Steigerung zu.
Erst nach diesem langen Monolog Fausts kommt Mephisto zu Wort. Er drängt Faust, zu Gretchen zu gehen, um sie zu trösten (Vgl. 3367). Er gibt zu bedenken, dass Faust normalerweise ein Realist ist, der nicht so schnell aufgibt, wodurch er stets gewinnt. Faust soll sich nicht in Selbstmitleid suhlen, sondern zur Tat schreiten. Er soll mit Gretchen schlafen. Im Anschluss der Textstelle wird Gretchen zum ersten Mal als Gretchen bezeichnet und nicht als Margarete, was als Symbol für ihre Schwäche beziehungsweise Naivität angesehen werden kann, die auch Faust in seinem Monolog erwähnt.
Wie bereits angesprochen dient die Textstelle als Wendepunkt in dem Drama. Faust beschließt seinen eigenen und Gretchens Untergang, wogegen er sich zuvor noch gewehrt hatte. Dabei ist sein eigenes Schicksal jedoch nicht vordergründig. Durch seine Entscheidung kommt Mephisto dem Gewinn sowohl der Wette mit Faust als auch der Scheinwette mit Gott ein gutes Stück näher. Sollte Faust nämlich mit Gretchen den Genuss erfahren und sich zu Ruhe legen, gewinnt Mephisto die Wette mit Faust. Sollte sich Faust nicht zur Ruhe legen, hätte Mephisto Faust seinen Weg hinab geführt, wodurch er die Scheinwette mit Gott gewinnt. Es ist somit der Anfang vom Ende von Gretchen.