Drama: Woyzeck (1836-1837, genaue Entstehungszeit unbekannt)
Autor/in: Georg BüchnerEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die zu analysierende Szene stammt aus Georgs Büchners Dramenfragment „Woyzeck“, welches 1879 veröffentlicht, aber erst 1913 uraufgeführt wurde. Das Drama lässt sich epochentechnisch in die Epoche des Vormärzes einordnen.
Die zu analysierende Szene liegt am Anfang des Dramas. In dieser Szene wird der Hauptmann in das Drama eingeführt. Dieser kritisiert Woyzecks schnellen Lebensstil und er erklärt ihm, dass er keine Tugend beziehungsweise keine Moral hätte.
Die Szene kritisiert die zu der Zeit vorherrschende Gesellschaftsform, in welcher eine Person einen hohen Status nur anhand ihres Adelstitel bekommt und durch sein Geburtshaus ein besseres und einfacheres Leben bekommt in welchem er nicht schwer arbeiten muss und sogar zu viel Zeit hat.
Die zu analysierende Szene ist in der Monologform geschrieben. Der Hauptmann und Woyzeck unterhalten sich, während Woyzeck ihn rasiert.
Die Szene steht am Anfang des Dramas. Diese führt den Hauptmann in das Drama ein und trägt dazu bei, die gesellschaftlichen Verhältnisse während der Entstehungszeit des Dramas besser verstehen zu können.
Die Szene beginnt mit einer Regieanweisung. Der Hauptmann sitzt auf einem Stuhl und Woyzeck rasiert ihn. Zunächst ermahnt der Hauptmann Woyzeck langsam vorzugehen, Woyzeck rasiere ihn zu schnell, er könnte die durch die schnelle Rasur gesparten zehn Minuten, gar nicht gebrauchen. Woyzeck antwortet mit: „Jawohl, Herr Hauptmann“ (Z. 9). Daraufhin beginnt der Hauptmann über die Ewigkeit zu philosophieren. Er behauptet, dass ihm „ganz angst um die Welt [werde], [denke er] an die Ewigkeit“ (Z. 10f). Auffällig sind seine durchweg sinnlosen Phrasen wie „Ewig, das ist ewig, das ist ewig[...]“ (Z. 12) oder „nun ist es aber wieder nicht ewig und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick“ (Z. 13f). Auf diese leeren Phrasen antwortet Woyzeck ebenfalls mit „Jawohl, Herr Hauptmann“ (Z. 19). Als nächstes behauptet der Hauptmann, Woyzeck sehe gehetzt aus und fordert ihn auf etwas zu reden, er fragt ihn nach dem Wetter. Wieder antwortet Woyzeck nur in einem kurzen Satz, so sagt er das Wetter sei „Schlimm [...]“ (Z. 24). Der Hauptmann legt ihn rein und sagt, dass der Wind aus Süd-Nord käme, was nicht möglich ist. Auch hier antwortet Woyzeck nur mit „Jawohl, Herr Hauptmann“ (Z. 28). Über Woyzecks Unwissenheit macht der Hauptmann sich lustig und behauptet Woyzeck sei „dumm, ganz abscheulich dumm“ (Z. 29f). Daraufhin kritisiert er, dass Woyzeck keine Moral hätte, er kritisiert Woyzecks uneheliches Kind. Woyzeck antwortet, dass „der liebe Gott den armen Wurm nicht drum ansehn, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde“ (Z. 1f). Der Hauptmann versteht ihn nicht, er sagt Woyzecks Antwort sei „kurios[...]“ (Z. 5). Woyzeck wird wie so oft nicht verstanden. Woyzeck versucht ihm seine Antwort verständlich zu machen. Er sagt, dass die armen Leute keine Moral hätten, da sie zu wenig Geld hätten um moralisch zu handeln. Er geht so weit das er sagt wenn die armen Menschen sogar im Himmel donnern helfen müssten. Der Hauptmann fährt fort und sagt, dass das Woyzeck keine Tugend hätte. Ihm würde auch „die Liebe [kommen]“ (Z. 18), jedoch würde er sich sagen, dass er ein tugendhafter Mensch sei und so seinen sexuellen Nöten widerstehen könnte. Woyzeck antwortet, dass „gemeine Leut“ (Z. 24) keine Tugend hätten, ihnen käme nur „die Natur“ (Z. 25).
Hätte Woyzeck aber einen Hut, eine Uhr und einen Gehrock und könnte er sich vornehm ausdrücken, würde er schon tugendhaft sein wollen. Der Hauptmann antwortet, Woyzeck sei ein guter Mensch, jedoch denke er zu viel, dies sei auch der Grund warum Woyzeck so verhetzt aussehen würde. Er ermahnt ihn langsam die Straße runterzugehen und sich nicht zu hetzten.
Die Szene ist in der Dialogform geschrieben. Auffällig ist hierbei, dass Der Hauptmann, vor allem zu Anfang des Dialogs die kleinsten Redeanteile hat. Auf Seite 36 antwortet er nur mit „Jawohl, Herr Hauptmann“ (Z. 28). Erst als Hauptmann ihn mit seinem unehelichen Kind konfrontiert versucht er sich zu verteidigen werden seine Sätze länger. Das Sprachniveau der beiden Personen ist sehr unterschiedlich. Der Hauptmann redet sehr gehobenes Deutsch, jedoch wird bei genauerer Betrachtung klar, dass die Sätze des Hauptmanns eigentlich nur komplett leere Phrasen sind. Woyzeck redet niederes Deutsch, seine Sätze ergeben jedoch bei genauerer Betrachtung mehr Sinn ergeben, der Hauptmann versteht diese jedoch nicht.
Dieses Problem ist typisch für Woyzeck. Mit den Dingen die er sagt hat er eigentlich immer recht, jedoch fehlt ihm die Bildung um sich präzise genug auszudrücken. Mit dieser Szene versucht Georg Büchner dem Zuschauer das Hauptproblem der Gesellschaft. Er kritisiert die ungleiche Verteilung von Bildung und Reichtum. Der Hauptmann musste keine großen Anstrengungen tätigen um Hauptmann zu werden. Er wurde vermutlich im Stande des Adels geboren. Seine Eltern konnten ihm die nötige Bildung bezahlen um im militärischen Dienst zum Hauptmann aufzusteigen. Er hat Benehmen gelernt und kann sich vernünftig ausdrücken, jedoch ist er nicht intelligent. Woyzeck stellt das genaue Gegenteil dar. Er wurde in der unteren Bevölkerungsschicht geboren, vermutlich hatten seine Eltern nicht genügend Geld um ihm die nötige Bildung zu bezahlen. Trotzdem ist Woyzeck intelligent. Er führt die richtigen Gedankengänge durch, jedoch kann er sich nicht gehoben ausdrücken, weswegen er oft nicht verstanden wird. Aufgrund der mangelnden Bildung lässt sich Woyzeck auch so einfach von dem Hauptmann auf den Arm nehmen. Der Hauptmann muss, allein durch seinen sozialen Stand, nicht schwer arbeiten. Als Hauptmann hat er nichts zu tun, dies geht so weit, dass er Woyzeck ermahnt ihn langsam zu rasieren, da er mit den durch die schnelle Rasur gesparten Zehn Minuten nichts anzufangen weiß.
Im Kontrast dazu steht Woyzeck, der durch seinen niederen sozialen Stand, neben seiner Tätigkeit als Stadtsoldat, noch mehrere Nebentätigkeiten erledigen muss. Die zu analysierende Szene lässt sich als Kritik der Ständegesellschaften verstehen. Des Weiteren lässt sie sich mit einem Brief Woyzecks „An die Familie“ in Verbindung bringen (vgl. „An die Familie“ S. 50). Dort beschreibt er, dass ein Mensch nur durch die äußeren Umstände einen Charakter eingehaucht bekommt, also nicht für seine Dummheit oder ähnliches bestraft werden kann.
Abschließend kann gesagt werden, dass die zu analysierende Szene zunächst den Hauptmann in das Drama eingeführt. Dem Zuschauer soll die zu der Zeit vorherrschende Ungerechtigkeit nachvollziehen können und bereits zu Anfang des Dramas Sympathie für Woyzeck empfinden soll und dem Hauptmann Abneigung entgegenbringen soll. Meine zu Beginn der Szenenanalyse getätigte Deutungshypothese kann ich zustimmen.
Die in dieser Szene beschriebene Problematik, lässt sich auch noch heute teilweise auf unsere Gesellschaft beziehen. Trotz großen Bemühungen seitens der Politik und der Gesellschaft herrscht in Deutschland immer noch keine vollkommene Chancengleichheit. Für Kinder und Jugendliche die aus ärmeren Schichten stammen ist es immer noch schwerer eine gute Position in der Gesellschaft zu erlangen, als für Menschen aus höheren Bildungsschichten. Oftmals können Eltern die selber aus ärmlichen Verhältnissen stammen, ihre Kinder nicht ausreichend in der Schule unterstützen, da sie selber das nötige Bildungsniveau nicht haben, ihnen die nötigen finanziellen Mittel fehlen oder sie aufgrund von ihrer Arbeit nicht genügend Zeit haben sich ausreichend um die schulische Laufbahn ihrer Kinder kümmern können.