Drama: Woyzeck (1836-1837, genaue Entstehungszeit unbekannt)
Autor/in: Georg BüchnerEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Das Dramenfragment „Woyzeck“ wurde 1836 von Georg Büchner geschrieben, aber ist 1879 nach Zusammensetzen der einzelnen Szenen veröffentlicht worden. Es ist der Epoche des Vormärz zuzuordnen, welches somit einem gesellschaftskritisches Drama entspricht. Es kritisiert die damaligen Probleme, wie Pauperismus, Unterdrückung der unteren Schicht, aber auch universelle Themen wie Wohlstand, Eifersucht und Aufopferung.
Dies vermittelt Büchner durch die Figur des Stadtsoldaten Woyzeck, welcher der unteren Gesellschaftsschicht angehört. Er wird von mehreren Figuren aufgrund seiner gesellschaftlichen, physischen und psychischen Unterlegenheit unterdrückt. Er ist psychisch krank; Woyzeck ermordet seine Freundin und Kindesmutter Marie, nachdem sie eine Affäre mit dem Tambourmajor hat - trotz der ständigen Aufopferung für sie. Der Mord ist nicht nur folge der Eifersucht , sondern auch der demütig, die Woyzeck erlebt.
Die Szene 22 aus der bearbeiteten Theaterversion von Franz Xaver Kroetz aus dem Jahre 1996 thematisiert den geistigen Zustand Woyzecks, auf den der gesellschaftliche Druck immer wieder wächst und enthält viele Motive von Gewalt.
Die Szene stellt dar, wie Woyzeck seine Probleme aufgrund derer er Marie ermordete, erheblich durch den Mord verschlimmert.
Woyzeck ermordet seine Freundin Marie, nachdem diese ihn mit dem Tambourmajor ™ betrog.
Zu Beginn der Szene stürmt Woyzeck unmittelbar nach dem Mord in das Wirtshaus und fordert Käthe dazu auf, zu tanzen. Er singt dabei Lieder und macht Andeutungen auf den Mord an Marie. Käthe tanzt widerwillig mit. Als er jedoch darauf anspielt, mit ihm zu schlafen und sie sogar körperlich belästigt, wehrt sie ab und schlägt ihn. Sie schafft es, ihn davon abzulenken, als sie Blut an seiner Hand entdeckt. Sie schreit daraufhin los, doch Woyzeck behauptet, er habe sich an der Hand geschnitten. Es versammeln sich Leute um ihn, die aufgebrachtsind und ihn des Mordes beschuldigen. Er fühlt sich immer weiter in die enge getrieben und läuft davon, um die Tatwaffe, ein Messer, zu entsorgen.
Die Szene ist ein durchgängiger Dialog, es gibt nebenbei viele Regieanweisungen, die vor allem die aggressive Art Woyzecks beschreiben.
Zu beginn der Szene gibt es eine Regieanweisung, um die Situation zu beschreiben. Woyzeck fordert unmittelbar nach Betreten des Wirtshaus alle dazu auf, zu tanzen. Sein befehlender Ton zeigt, dass Woyzeck das Gefühl hat, er könnte nun die Kontrolle übernehmen. Er ist sichtlich aufgebracht und verwirrt und droht den Gästen, „(e)r“ (Z. 4), der Teufel, würde sie holen. Er spielt damit auf sich selbst hin, von welchem das Böse nun Überhand gekommen hat. Durch den Imperativ „Alle!“ (Z. 5) betont er seine Aussage. Er wird angestarrt, was ihm aber gleichgültig ist. Daraufhin fängt er an zu singen. Er möchte seine gewonnene „Energie“ auslasen und sich von dem vorher geschehen Mord ablenken. In dem Lied spricht er schon die „Frau Wirtin“ (Z. 7) an. „So, Käthe“ (Z. 13) ruft er, und vermittelt so, er sei entschlossen, mit ihr zu beginnen. Die Regieanweisung beschreibt, dass der Zierharmonikaspieler widerwillig etwas mitspielt (vgl. Z. 14f.). dieserart, so wie die anderen Menschen auch, verwundert , nimmt Woyzeck Drohungen aber nicht sehr ernst. Er tanzt auf die selbe weise mit Käthe, wie mit Marie das mit dem TM tat, als Woyzeck sie erwischte. (vgl. Z. 17). Dies verdeutlicht seine Eifersucht auf den TM, der sich einfach das genommen hatte, was er wollte. Er ahmt ihm dies nun nach und meint, es sei ihm nun.auch gestattet. Er stellt sich somit gegen die gesellschaftliche Unterdrückung, in der er steckt.
Käthe tanzt nach und nach „etwas lieber mit“ (Z. 18). Dies tut sie aus Vorsicht.
Woyzeck sagt, ihm sei heiß. Durch die Ellipse1 „Heiß!“ (Z. 19) wir jedoch deutlich, dass er sich nicht auf das Sprechen konzentriert, sondern darauf, sich weiter zu bewegen und Käthe zu vermitteln, worauf er hinaus will (vgl. Z. 18). Nun wiederholt er die Drohung vom Anfang, jemand werde geholt werden. Er ersetzt das „Er“ (Z. 4) aber durch die Symbolfigur „der Teufel“ (Z. 20). Dies deutet auf die Sünde, die er begangen hat, hin. Durch diese begründet er sein rücksichtsloses und fast anomales verhalten. Er packt Käthe und wird immer aggressiver (vgl. Z. 20). Nachdem ihm auffällt, dass sie warm ist, sagt er ihr, sie werde auch noch kalt werden (vgl. Z. 21). Mit dieser Metapher2 deutet er auf den Mord an Marie hin. Er sieht nun alle Frauen als Ehebrecherinnen an, wodurch er das Töten dieser rechtfertigt. Er ist also aufgebracht und verwirrt nach dem Mord, freut seine Tat aber nicht. Käthe ist nach der Anspielung verängstigt und möchte sich von ihm loslösen (vgl. Z. 22). Woyzeck fordert sie darauf hin mit einer rhetorischen Frage dazu auf, zu singen (vgl. Z. 23), was sie dann gezwungenerweise tut. Die ersten vier Verse ihres Liedes gleichen dem von Marie, welches sie ein Szene 4 für ihren Sohn singt. Dies schafft eine parallele zu ihr, so wie Woyzeck, der die Frauen alle in eine Schublade steckt. Die Verse handeln von einem „Zigeunerbu“ (Z. 26), welches einen „ins Zigeunerland“ (Z. 28) führt. Dies deutet auf die Verführung durch einen Mann hin. In den folgenden vier Versen singt Käthe davon, dass sie sich nicht verführen lasse und bezieht sich auf die obere Gesellschaftsschicht, der sie nicht angehöre (vgl. Z. 30ff). Woyzeck reagiert daraufhin sehr aufdringlich und „fasst ihn untern Rock“ (Z. 34). Dies ist der Höhepunkt seines aufgebrachten Verhaltens im Wirtshaus. Die Belästigung rechtfertigt er mit der Behauptung, die Frauen würden aufgrund ihrer untreuen Art sowieso in die „Höll“ (Z. 35) gehen. Käthe lehnt ihn jedoch weiterhin ab und nutzt hier jedoch den Kosenamen „Schatz“ (Z. 37). Auch zu diesem Zeitpunkt kann sie ihn immer noch nicht ganz ernst nehmen.
Der Konflikt entwickelt sich immer wieder, als sie ihn schlägt. Spätestens hier wird Woyzeck, der sich zur überlegen zu fühlen versuchte, deutlich, dass er nur ein „schwacher“ Mann ist, als welcher er auch in der Gesellschaft gilt. Sie hat damit seinem neu gewonnenen Frauenbild getrotzt. Woyzeck versucht noch einmal ihr unter den rock zu fassen, wobei er ihre Binde erblickt. Auf einmal wird er ganz ruhig und erwidert er wolle sich „nicht blutig machen“ (Z. 43). Er nimmt Bezug zu dem Mord an Marie, bei dem er sich auch „blutig“ machte.
Nachdem Käthe sich ordnet, folgt der Wendepunkt der Szene: ihr fällt das Blut an Woyzecks Hand auf. Sie lenkt ihn somit ab und möchte wissen, was er an der Hand habe (vgl. Z. 44f). Woyzeck reagiert zunächst ruhig und möchte den Anschein erwecken, er wissen nicht, woher das Blut komme. Käthe konfrontiert ihn jedoch, indem sie „Rot.Blut!“ Ruft. Diese beiden Motive tauchen schon im vorherigen Dram auf und bilden somit eine metaphorische Verklammerung, die auf den Mord an Marie hinweist.
Nun steigt der Druck auf Woyzeck an, worauf er nach draußen flüchtet. Käthe, welche das Wort „Blut“ ständig wiederholt, wird zusammen mit den anderen Menschen immer klarer, woher das Blut stammen könnte. Sie scheint sich sogar auf triumphierende Weise darüber zu freuen, dass sie Woyzeck einen Mord anhängen kann.
Als Woyzeck draußen steht, schauen ihn immer mehr Bewohner aus dem Fenster an (vgl.Z. 50). Er steht nun da wie ein Schautier in einer Manege. Das „Gaffen“ der Nachbarn symbolisiert den gesellschaftlichen Druck, der nun noch mehr auf ihn ausgeübt wird. Er versucht, sich herauszureden und behauptet, er habe sich „geschnitten“ (Z. 51). Dies ist die einzige Stelle, an der er seinen Dialekt nutzt, weil er nervös ist und sich nicht konzentrieren kann. Käthe aber zweifelt seine Lüge sofort an und fragt, wieso er dann noch Blut am Ellenbogen kleben habe (vgl. Z. 53). Die Lage spitzt sich weiter zu; Käthe klagt ihn immer weiter an. Woyzeck versucht seinen gesellschaftlichen „Niedergang“ aufzuhalten, indem er Käthe das „Maul“ zuhält, doch es ist zu spät. Daraufhin kommt „Karl“ mit einem Kinderwagen hinzu. Es ist nicht ganz klar, ob Woyzeck ihn kennt, dass sich sogar das Kind über den Witz Karls (vgl. Z. 59ff) freut, präsentiert die Schadenfreude der Menschen über die „Niederlage“ Woyzecks. Dieser versucht alles als skurrile Anschuldigung abzutun. Daraufhin rennt er davon und eine Menge versammelt und verfolgt ihn.
Die Szene zeigt, dass Woyzecks geistiger Zustand sich nach dem Mord verschlimmert. Er ist sehr verwirrt und handelt unrationell. Er versucht außerdem, sich von seiner Identität als unterdrücktes Mitglied de Gesellschaft zu lösen. Sein aufdringliches Verhalten zeigt, dass er Gerechtigkeit für sich selbst schaffen möchte. Der Druck und die Höhne der Gesellschaft auf ihn wachsen jedoch nur weiter. Das bestätigt Büchners Auffassung, ein mensch könne sich niemals von seinen Umständen lösen.