
Drama: Woyzeck (1836-1837, genaue Entstehungszeit unbekannt)
Autor/in: Georg BüchnerEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die zu analysierende Szene stammt aus Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“, welches 1913 uraufgeführt wurde. Das Werk ist epochentechnisch der Epoche des Vormärzes zuzuordnen.
In der zu analysierenden Szene beginnt Woyzeck die Untreue Maries zu ahnen, da er die beiden Ohrringe findet, die Marie vom Tambourmajor geschenkt bekommen hat, woraufhin Marie Schuldgefühle beginnen zu bekommt. Es beginnt ein innerer Konflikt zwischen ihren moralischen Vorstellungen und ihren Trieben.
Die Szene lasse sich in zwei Teile unterteilen. Der erste Teil (S. 10 Z. 25 - S. 11 Z. 15) ist in der Monologform geschrieben. Marie spiegelt sich in einer Spiegelscherbe und bewunderte ihre neuen Ohrringe, welche sie vom Tambourmajor geschenkt bekommen hat.
Der darauffolgenden Teil (S. 10 Z. 16-34) ist in der Dialogform geschrieben. Marie unterhält sich mit Woyzeck, der den Raum betreten hat. Er konfrontiert ihn sie mit dem Fund der Ohrringe, hält aber ein und wechselt das Thema.
Die Szene steht ganz zum Anfang des Dramas noch vor der Einführung von Hauptmann und Doktor. Marie hat Woyzeck noch nicht mit dem Tambourmajor betrogen, sie zeigt aber in der vorgegangenen Szene bereits starke Zuneigung zu ihm. In den darauffolgenden Szenen werden zuerst Doktor und Hauptmann in das Drama eingeführt. Dann betrügt sie Woyzeck mit dem Tambourmajor und das Geschehen nimmt seinen Lauf. Woyzeck hört Stimmen die ihm befehlen Marie zu töten, er kauft sich ein Messer und sticht sie ab.
Die Szene beginnt mit einer Regieanweisung um den Sachverhalt darzustellen. Marie sitzt in ihrer Kammer und spiegelt sich mit einem Stückchen Spiegel, auf ihrem Schoß sitzt ihr unehelicher Sohn Christian.
Marie fragt sich aus welchem Material ihre neuen Ohrringe sind. Bei ihren Überlegungen wird sie von Christian unterbrochen, da dieser nicht schlafen will. Sie befiehlt ihm die Augen zu schließen uns singt ein Schlaflied, welches auf die Affäre zwischen ihr und dem Tambourmajor anspielt.
Danach beginnt sie sich weiter im Spiegel zu betrachten. Sie sagt, dass die Ohrringe gewiss aus Gold sind. Sie beschriebt, am Beispiel der Spiegelscherbe, ihre Armut. Trotz dieser dargestellten Armut beschreibt sie sich selber jedoch als genauso hübsch wie die „die großen Madamen“ (S. 11 Z. 9). Dann unterbricht sie ihren Monolog, da Christian sich rührt und bewundert die Reflexion des Spiegelstücks an der Wand.
Der Monolog wird unterbrochen als Woyzeck den Raum betritt. Sie erschrickt und versucht ihre neuen Ohrringe unter ihren Händen zu verstecken. Woyzeck bemerkt dies jedoch und spricht sie darauf an (vgl. S. 11 Z. 18). Als sie darauf angesprochen wird, verneint sie dies zunächst und gibt vor diese gefunden zu haben. Woyzeck ist verwundert, da die Chance zwei Ohrringe auf einmal zu finden, doch sehr gering ist. Daraufhin antwortet Marie, sichtlich beleidigt ob sie eine Dirne, beziehungsweise eine Prostituierte sei. Daraufhin versucht Woyzeck das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. Er bittet Marie sich um ihren gemeinsamen, unehelichen Sohn Christian zu kümmern, dieser würde sogar während des Schlafen schwitzen. Dann überreicht er Marie seinen Sold und etwas Geld von seinem Hauptmann. Marie bedankt sich und sagt, dass Gott es ihm vergelten würde. Daraufhin sagt Woyzeck, dass er fort muss und verlässt die Kammer. Daraufhin beginnt Marie Schuldgefühle zu bekommen und sagt, dass „[Sie sich] erstechen [könnte]“ (S. 11 Z. 33).
Die zu analysierende Szene ist in drei Teile geteilt. Der ersten Teil ist in einer Monologform geschrieben (vgl. S. 10 Z. 25 bis S. 11 Z. 15) Als Woyzeck die Kammer betritt, findet ein Wechsel von der Monolog- zur Dialogform statt (vgl. S. 11 Z. 18-32). Danach, als Woyzeck die Kammer verlässt, findet wieder ein Wechsel von Dialog zu Monolog statt(vgl. S. 11 Z. 32-34).
Durch den Dialog (vgl. S. 11 Z. 18-30) wird Woyzecks totale und absolute Abhängigkeit von Marie und Christian deutlich. Selbst bei einem so offensichtlichen Anzeichen der Untreue Maries, versucht er diese zu verdrängen und lenkt das Thema auf seinen Sohn um. Auch daraus wird deutlich, wie stark er von diesem abhängig ist. Dieser Eindruck wird durch die Übergabe seines täglichen Lohns an sie, ohne selbst einen kleinen Teil davon zu behalten.
Auffällig sind auch die Andeutungen auf den weiteren Verlauf des Dramas. Die Beschreibung von Maries roten Mundes (vgl. S. 11 Z. 9), spiegelt sich auch in der siebten Szene des Dramenfragments wider. Dort sagt Woyzeck, Marie hätte „ein[en] rote[n] Mund“ (S. 14 Z. 26). Diese Beschreibung soll auf die Affäre zwischen Marie und dem Tambourmajor anspielen, die in der vorherigen Szene ihren Lauf genommen hat. Auch in der zwanzigsten Szene, der Szene des Mordes, treten die Lippen von Marie wieder in das Geschehen. Auch die Frage „Bin ich ein Mensch?“ (S. 11), kann als Vorausdeutung gesehen werden, das „Mensch“ in diesem Kontext für Dirne, beziehungsweise Prostituierte steht und auch auf die nahende Affäre zwischen Marie und dem Tambourmajor hindeutet. Noch eine Andeutung wird durch das Lied, das Marie für Christian singt deutlich (vgl. S. 11 Z. 3-6). Dort wird ein Mädchen von einem Zigeuner in das Zigeunerland geführt, dies kann mit der Verführung Maries durch den Tambourmajors gesehen werden.
Eine Weitere Andeutung findet sich auch am Ende der Szene. Marie sagt, dass sie sich erstechen könnte (vgl. S. 11 Z. 33), was auf ihr nahendes Ende zurückzuführen sein könnte.
Des Weiteren fällt auf, dass Marie schon in dieser Szene Reue zu zeigen beginnt, dies findet jedoch erst statt als Woyzeck die Kammer verlässt und ihr vorher noch seinen Sold und eine Zulage vom Hauptmann übergeben hat. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass ihr bewusst wird wie Woyzeck sich für sie und ihren gemeinsamen Sohn Christian aufopfert und das sie finanziell von ihm abhängig ist. Letztendlich scheinen ihre moralischen Zweifel der Natur bzw. ihren natürlichen Trieben unterlegen sein, dies wird vor allem durch die den Bindestrich in Zeile 33 deutlich. Dieser zeigt, dass ihre moralischen Zweifel die sie hegt, ihrem Verlangen nach Beachtung, etc. unterlegen sind.
Darüber hinaus wird durch den Dialog zwischen Woyzeck und Marie, Kritik seitens des Autors deutlich. Woyzeck bittet Marie Christian unters Ärmchen zu greifen, der Stuhl drücke ihn. Er beschreibt, wie Christian der Schweiß sogar im Schlafe auf der Stirn steht (vgl. S. 11 Z. 24-27). Der Autor verdeutlicht, wie schwer und ermüdend das Leben der Unterschicht zur Entstehungszeit des Dramas war. Sogar die Jüngsten, in diesem Fall Christian, schwitzen im Schlaf, sie haben Sorgen und Probleme, obwohl sie noch so jung sind. Des Weiteren verdeutlicht diese Beschreibung, wie hart Woyzeck für die Versorgung seiner Familie schuftet.
Abschließend kann gesagt werden, dass die zu analysierende Szene viel über den weiteren Verlauf des Dramas aussagt. So werden, wie oben beschrieben, verschiedene Vorausdeutungen über den Verlauf des Dramas getätigt. Außerdem beginnt Woyzeck nach dieser Szene einen Verdacht über die Untreue Maries zu hegen und sich um seine Beziehung zu sorgen. Zusätzlich wird in dieser Szene Maries innerer Konflikt zwischen Trieben und Moral deutlich. Trotz ihrer Schuldgefühle Woyzeck gegenüber, obliegen hier ihre inneren Triebe.