Drama: Woyzeck (1836-1837, genaue Entstehungszeit unbekannt)
Autor/in: Georg BüchnerEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die zu analysierende Szene stammt aus dem Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner.
Dieses Werk ist der Epoche des Vormärzes zuzuschreiben, das Drama wurde 1913 uraufgeführt.
Die Szene thematisiert die Vergänglichkeit des Einzelnen.
Zunächst findet ein Dialog zwischen Woyzeck und Käthe statt (S. 28 Z. 24 - S. 29 Z. 18). Später kommen noch der Wirt und der Idiot hinzu (S. 29 Z. 31).
Die Szene steht am Ende des Dramas. In den vorhergehenden Szenen hat Woyzeck seine Freundin Marie, mit welcher er ein uneheliches Kind hat, erstochen. Sie hat ihn mit dem ihm übergeordneten Tambourmajor betrogen.
In der zu analysierenden Szene befindet sich Woyzeck im Wirtshaus. Er tanzt und singt mit Käthe, seiner neuesten Errungenschaft. Er singt ein Lied, welches Andres in der zehnten Szene singt. Im Verlauf der Szene fällt Käthe das Blut auf, welches Woyzeck noch vom Mord an Marie an sich hat.
Sie beginnt zu schreien, Menschen beginnen sich um Woyzeck zu scharen. Der Wirt beginnt ihn über seinen Blutfleck auszufragen. Woyzeck beginnt sich in seinen Ausflüchten zu verhaspeln, er flieht aus der Szene.
Auffällig sind die übermäßigen großen Redeanteile Woyzecks. Dies steht in starken Kontrast zu den vorhergegangenen Szenen. Woyzeck redet sonst meist parataktisch. Hier bedient er sich jedoch häufig eines hypotaktischen Satzbaus. So singt er zum Beispiel ein Lied.
Alle Personen die in der Szene vorkommen, stammen aus der Unterschicht, deswegen befinden sich alle auf demselben sprachlichen Niveau.
In der Szene werden verschiedene Vorausdeutungen über das Ende des Lebens und der Mord an Marie getätigt. Zu Anfang der Szene sagt Woyzeck „Tanzt alle, immer zu […]“ (S. 28 Z. 24). „immer zu“ wird im gesamten Drama als Vorausdeutung für den Mord an Marie verwendet. Auch als Woyzeck Stimmen befehlen Marie zu töten, sagen diese „Immer zu“. Des Weiteren befindet sich in der 24 Zeile eine Vorausdeutung auf das Ende des Lebens. Woyzeck sagt, dass alle Menschen tanzen und ihr Leben genießen sollen, der Tod würde jeden einmal treffen. Dies steht in starken Kontrast zu der normalen Lebensweise Woyzecks. Hier arbeitet er durchgehend und fristet ein arbeitsreiches Leben. Dies könnte durch den von ihm verübten Mord an Marie erklärt werden.
Marie und vor allem sein Sohn Christian sind alles was er hat. Dies wird auch in der neunten Szene deutlich, wo er sagt, dass er ohne Marie und seinen Aalen nichts mehr hat. Durch den Mord an Marie bricht er mit den von ihm festgelegten Werten und Konventionen. Sein Leben hat keinen Sinn mehr, er hat nichts mehr an was er sich festhalten kann. Dies zeigt seinen plötzlichen Lebenswandel.
In dieser Szene scheint es fast, als hätte Woyzeck die Spitze seines Wahnsinns erreicht, nachdem er Marie getötet hat. Ein normaler Mörder würde sich nicht direkt nach seinem Mord in ein Wirtshaus begeben und dort tanzen, sondern sich eher vor der Polizei oder anderen Menschen verstecken oder mindestens seine Kleidung tauschen um eventuelle Spuren zu vertuschen. Woyzeck tut dies nicht, obwohl er mit diesen Folgen eigentlich vertraut sein müsste, da er auch die Mordwaffe versteckt. Zudem singt er, was er im gesamten Drama nicht einmal getan hat. Des Weiteren strotzen seine Reden nur so von Erzählungen über die Vergänglichkeit und Fragilität des Lebens, was die irrsinnige Wirkung Woyzecks verstärkt, wie z. B. „Kähte, du wirst auch noch kalt werden“ (S. 29 Z. 4) oder „er [der Tod] holt euch doch alle“ (S. 28 Z. 24f).
Das Blut, welches Woyzeck auf seinem Arm und seiner Hand hat, wird von Käthe bemerkt. Dies ist nicht verwunderlich. Als jedoch sogar der Narr, oder der Idiot das Blut bemerkt und dazu sagt, dass der „Ries [Menschenfleisch] riech[t]“ (S. 29 Z. 26f), wird klar, dass jeder in diesem Wirtshaus den Verdacht hegt, das Woyzeck einen Mord verübt haben könnte oder damit in Verbindung stehen könnte.
Die Szene übt zudem Kritik an der Gesellschaft. Als Woyzeck mit dem Blut an Ellenbogen und Hand gefragt wird, fragt er ob er „Mörder“ (S. 29 Z. 30) und befiehlt den Dabeistehenden sich selber anzuschauen (vgl. S. 29 Z. 30). Der Autor ist der Meinung, dass ein Mensch nicht unbedingt für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen ist, da sein Verhalten den Umständen in denen er geboren wurde und in denen er sich befindet, geschuldet ist. Anstatt Woyzeck also zu bedrängen und ihn als Mörder zu bezeichnen sollten sie eher ihren eigenen und den Einfluss der Gesellschaft auf Woyzeck betrachten und sich erst dann erlauben ein Urteil zu fällen. Dieser Einfluss kommt zwar vor allem durch die Abmachung mit Doktor und die ständige Unterdrückung durch den Hauptmann zum Ausdruck, jedoch wird er auch von der Gesellschaft, zum Beispiel wird dieser jedoch auch durch den Tambourmajor und den Unteroffizier verübt. All diese Einflüsse führen letztendlich zu Woyzecks Mord an Marie.
Abschließend kann gesagt werden, dass diese Szene den Höhepunkt von Woyzecks Wahnsinn darstellt. Woyzeck hat die wichtigste Person in seinem Leben ausgelöscht und somit nichts mehr an was er hängt, er bricht mit seinen Wertvorstellungen. Er tanzt mit Kähte und gibt wilde Todesvorahnungen von sich, die seinen Wahnsinn unterstützen. Dieser Wahnsinn wird durch das unvorsichtige und untypische Verhalten Woyzecks verstärkt. Des Weiteren stellt diese Szene eine Kritik an der Gesellschaft und der Beurteilung von Mördern, seitens des Autors dar.