Drama: Woyzeck (1836-1837, genaue Entstehungszeit unbekannt)
Autor/in: Georg BüchnerEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Analyse und Erörterung
Eine hitzige Kontroverse stellt die Frage, ob das Fragment „Woyzeck“ als Eifersuchtstragödie anzusehen ist, dar. Um dieser Frage gerecht zu werden, benötigt es einer evaluierten Erörterung, die beide Seiten widerspiegelt.
Zunächst folgen die Argumente, die für diese These sprechen.
Das Fragment „Woyzeck“ spiegelt eine tragische Liebesgeschichte der Figuren Marie und Woyzeck wider. So ist Woyzeck ein armer Soldat, der durch diverse Nebentätigkeiten versucht, Geld zu verdienen, um Marie und ihrem Kind ein halbwegs akzeptables Leben zu ermöglichen. Es zeigt, dass Woyzeck alles das in seiner Macht stehende tut und Marie maßlos liebt. Beispielsweise lässt er ein gesundheitsschädliches Experiment über sich ergehen und wird gedemütigt, nur um durch Maries Untreue verletzt zu werden, so dass er sie umbringt. Marie ist eine Frau zwischen zwei Männern, was ihr zum Verhängnis wird und somit ein tödliches Ende nimmt.
Ferner spitzt sich Woyzecks Eifersucht im Verlauf des Dramas immer weiter zu, so dass dies für die These spricht. Diese Klimax1 führt zur Tragödie, nämlich Maries Mord, den Woyzeck aus Eifersuchtsmotiven begeht. Gestärkt wird dieses Argument durch das Beispiel, dass es zunächst zum flüchtigen Kontakt zwischen Marie und dem Tambourmajor auf dem Jahrmarkt kommt, diese dann materielle Geschenke erhält und es letztendlich zu einem sexuellen Rendezvous kommt, so dass es nur logisch und nachvollziehbar erscheint, dass Woyzeck immer eifersüchtiger wird.
Ein weiterer Beleg ist das klassische Konzept von Schuld und Sünde, von der Woyzeck und Marie sprechen, so dass es sich um eine reine Liebestragödie handelt, die klassische Muster widerspiegelt.
Auch wenn einige Dinge für diese Annahme sprechen, so spricht vieles dagegen.
„Woyzeck“ als Eifersuchtstragödie würde sich auf diverse Nebensächlichkeiten und Charaktere konzentrieren, die für den Verlauf des Dramas unbedeutend sind. Beispielsweise sich wichtige Figuren wie der Hauptmann und Doktor unbedeutend und irrelevant für die Eifersuchtstragödie. Sie stehen in keinem Zusammenhang zu Marie und bieten Platz, um an der Theorie der Eifersuchtstragödie zu zweifeln.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Woyzeck Marie nicht aus alleiniger Eifersucht umbringt. Die Eifersucht ist einer vieler Faktoren, die zu Maries Mord führen. Vielmehr ist der Mord ein Akt der Selbstzerstörung. Bei der tragischen Figur Woyzeck handelt es sich um einen schizophrenen Charakter, bei dem Stimmen den Mord an Marie befehlen. Seine Schizophrenie wird durch das wissenschaftliche Erbsenexperiment begünstigt, so dass man nicht von einer Eifersuchtstragödie reden kann und allenfalls von einer Tragödie eines psychisch kranken und labilen Charakters.
Drittens ist das Dramenfragment ein komplexes literarisches Werk, das nicht eine reine Eifersuchtstragödie abhandelt. Es handelt sich um einen Appell, die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Aus Büchners Sicht ist der Mensch das Produkt der äußeren Einflüsse und das Leben spiegelt lediglich die Fatalität dessen wider. Dieses Produkt Mensch wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, was sich anhand des Dramenverlaufs nachvollziehen lässt. Woyzecks ärmliche Verhältnisse prägen ihn sehr: so die mangelnde Bildung, das fehlende Geld und der ständige Gehorsam, dem er unterliegt. Die Gesellschaft, welche durch Figuren wie dem Doktor, Hauptmann und Tambourmajor repräsentiert wird, hat einen signifikanten Einfluss auf ihn. All jener Druck wirkt auf Woyzeck ein, so dass Maries Mord nur Mittel zum Zweck ist, nämlich ein Ventil, um aus gesellschaftlichen Konventionen und Normen auszubrechen. „Woyzeck“ als Eifersuchtstragödie ist eine billige Illusion, die sich auf Nebensächlichkeiten fokussiert.
Es lässt sich festhalten, dass „Woyzeck“ nicht einer Eifersuchtstragödie entspricht. Dies geht anhand der Contra-Argumente hervor, die aufgrund ihrer Gewichtigkeit und Glaubwürdigkeit überwiegen. Vielmehr handelt es sich um ein büchnerisches Werk, das sich kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzt und an jene appelliert. Somit sollte Georg Büchners Intention, aufklärend zu agieren, nicht missachtet werden.