Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Es gibt nicht viele Dichter, die sich in der Geschichte der deutschen Lyrik einen so bekannten Namen verschafft haben, wie Joseph Freiherr von Eichendorff. Er war wohl der bedeutendste Dichter der Hoch- und Spätromantik und verfasste viele bis heute bedeutsame Werke. Insbesondere seine Gedichte sind Ausdruck von Freiheit und Romantik. Damit stellten sie für ihn einen Gegenpol zu seiner von Disziplin geprägten Militärkarriere dar. Aufgrund seines hohen Bildungsstandards sind seine Gedichte wahre sprachliche Meisterwerke, in denen er die Einheit von Inhalt, Form und Sprache perfektioniert.
Besonders gerne thematisiert Eichendorff die Natur. So tat er es auch in seinem Gedicht „Frische Fahrt“. Bildhaft beschreibt er hier den Frühlingsbeginn und wechselt dann in eine irreale Welt, in der er seinen persönlichen Gefühlen Ausdruck verleiht. Tiefgehend verfolgt er das Ziel, die Einheit von Mensch und Natur darzustellen. Der Frühlingsanfang dient ihm dazu als Medium.
Formal besteht das Gedicht aus zwei Strophen mit je acht Versen. Der Text zeichnet sich aus durch eine besonders bildhafte Ausdrucksweise, die schon im ersten Vers deutlich wird. „Laue Luft kommt blau geflossen“ ist der Beginn des Gedichts. Die Bildhaftigkeit wird hier deutlich durch die Zuordnung einer Farbe an die Luft, welche natürlich keine hat. Diese Symbolik der Farbe „blau“ soll das Bild von Wasser suggerieren. Die damit erreichte Anschaulichkeit wird im Fortlauf des Gedichtes noch aufgegriffen. Die Verwendung des Verbes „geflossen“ unterstützt diese Deutung, da es eher auf Wasser als auf Luft hinweist. Das Motiv des Frühlingsbeginns, welches sich durch die gesamte erste Strophe zieht, wird hier bereits eingeleitet durch die Beschreibung der Luft mittels „blaue Luft“. Noch deutlicher wird es jedoch im zweiten Vers. Das Wort „Frühling“ wird hier in zweimal wiederholter Form durch den Ausruf „…soll es sein!“ ergänzt. Der Autor steigert damit die innere Spannung des Gedichtes und drückt gleichzeitig eine Euphorie aus, die eindeutig auf den kürzlichen Beginn des Frühlings verweist. Dies unterstützt den ersten Teil der Deutungshypothese.
Einen anderen Aspekt des Frühlings beschreibt Eichendorff in den beiden Folgeversen. Die Jagd als typische Frühlingsaktivität wird im dritten Vers mit den Worten „Waldwärts Hörnerklang geschossen“ vorgestellt. Eindeutig wird dies durch die Beschreibung des Klanges von Hörnern sowie des Wortes „geschossen“. Allerdings ergibt sich aus dieser sprachlichen Betonung eine Notwendigkeit der bildhaften Interpretation, da Töne kaum geschossen werden können. Ziel war es hier eindeutig, die Jagd zum Ausdruck zu bringen, um so den Frühlingsanfang zu untermauern.
Die Ellipse1 des vierten Verses „Mut’ger Augen lichter Schein“, die durch eine Zäsur2 in zwei Sinneinheiten geteilt wird, bestätigt diese Deutung. „Mut’ger Augen“ beschreibt die Jäger, während „lichter Schein“ sich auf den Sonnenschein bezieht und so den Frühling betont.
Absichtlich erfolgte hier die Auslassung des i in „Mut’ger“, um den Rhythmus, der durch einen vier-hebigen Trochäus vorgegeben ist, zu wahren. Der damit verbundene sprachliche Wechsel von unbetonten und betonten Silben sowie von männlichen und weiblichen Kadenzen3 entspricht einer inhaltlichen Welle. Das Fließen der Luft aus Vers eins ist dabei eine Abwärtsbewegung, aus der durch den Ausruf „Frühling, Frühling“ eine Welle wird. Diese wird weiter geführt durch die Abwärtsbewegung mittels des Waldes und das Aufwärts des Sonnenscheins.
Zum fünften Vers hin erfolgt nun bereits ein Wechsel. Der Dichter verlässt die reale Welt und gibt seiner bildhaft beschriebenen Beobachtung ein irreales Gegenstück. Sprachlich wird dieser Umbruch allerdings durch die Einleitung mit „Und“ übergangen. Deutlich wird der Wechsel jedoch in den Versenden. Während zuvor nur Zeilenstile vorliegen, sind nun Vers fünf und sechs sowie sieben und acht durch ein Enjambement5 verbunden. Dieser passt auch zu den inhaltlichen Zusammenhängen.
Der Wandel von Beobachtung zur irrealen Deutung vollzieht sich im fünften und sechsten Vers „Und das Wirren bunt und bunter“ „wird ein magisch wilder Fluss“ lautet die Formulierung dessen. Das Wort „magisch“ macht das Irreale dabei deutlich. „Wirren“ stellt hier den Bezug zum Vorhergehenden her und bezeichnet die Wirren des Frühlingsbeginns. Inhaltlich passen diese Vers auch durch die Steigerung „bunt und bunter“ und das Adjektiv „wilder“ zur Beschreibung des Flusses zusammen. Das Bild von Wasser als Luft aus Vers eins findet hier nun wieder Anwendung.
Eine romantische Ergänzung erfolgt dann in Vers sieben und acht. Dort liest man: „In die schöne Welt hinunter“ „lockt dich dieses Stromes Gruß.“ Dabei ist der „Gruß“ symbolisch auf den Frühling bezogen. Eine besondere Rolle nimmt diese Stelle des Gedichts ein, da der Leser hier direkt angesprochen wird. Dazu dient die Anrede „dich“. Diese wird genutzt für die symbolische Aufforderung aus Vers sieben in die Natur hinaus zu gehen und sie selber zu erfahren. Die Euphorie dieser Aussage wird deutlich im Adjektiv „schöne“ vor dem Symbol der „Welt“.
Mit dem Wechsel der Strophen, wechselt zeitgleich auch das Motiv. Vordergründig geht es jetzt nicht mehr um den Frühling, sondern um die Einheit von Mensch und Natur in der subjektiven Traumwelt Eichendorffs. Deutlich wird dies auch im Auftauchen eines direkten lyrischen Ichs, wohingegen in der ersten Strophe kein direkter Sprecher zu erkennen ist.
Die Einheit des Gedichtes wird aber dennoch durch die Fortführung des Kreuzreimes zweimal pro Strophe und dem damit verbundenen Wechsel männlicher und weiblicher Kadenzen, beginnend bei der weiblichen, erreicht.
Die Überleitung in die irreale Traumwelt bewerkstelligt der Autor, indem er das lyrische Ich direkt sprechen lässt: „Und ich mag mich nicht bewahren!“ Mit diesem Ausruf bindet es sich selbst an die Handlung des Gedichtes. Gemeint ist mit „nicht bewahren“, dass es sich nicht fernhalten und ausschließen möchte. Folglich beteiligt es sich an dem Strom des Frühlings.
Diese Beteiligung wird ab dem nächsten Vers erklärt. „Weit von euch treibt mich der Wind“, liest man dort. Das lyrische Ich lässt sich also mitreißen vom „Wind“, welcher hier symbolisch zu verstehen ist und einen Bezug schafft zur „Luft“ des ersten Verses und damit indirekt ebenfalls den Frühling bezeichnet.
Einen ähnlichen Bezug schafft die Ergänzung aus Vers elf. „Auf dem Strome will ich fahren“ lautet er und beinhaltet mit „Strome“ eine Wiederholung aus dem achten Vers, welche ebenfalls einen Bezug zum Frühling aufbaut.
Die Euphorie über diese persönliche Erfahrung der Natur spricht dann aus der Ergänzung des Verses zwölf. Sie wird besonders durch das Ausrufezeichen am Ende des Vers „Von dem Glanze selig blind!“ betont. Dieser so wunderbare „Glanze“ lässt sich jedoch in zwei Ansätzen interpretieren, die beide in ihrer Kombination richtig sind. Zum Einen ist gemeint, wie wundervoll die Natur in der Zeit des Frühling ist, auf der anderen Seite jedoch bezeichnet „Glanze“ auch den Glanz von der Einheit von Mensch und Natur. Diese findet nämlich in der Erfahrung der Natur durch das lyrische Ich Ausdruck.
Für Eichendorff war es aber wichtig, dass jeder Mensch die Natur so erkennt um sich mit ihr verbinden zu können. Deshalb schiebt er den dreizehnten Vers „Tausend Stimmen lockend schlagen“ nach. Die „Stimmen“ sind dabei die Menschen, die er in die Erfahrung der Natur locken möchte.
Einen krönenden Abschluss der inhaltlichen Welle, die parallel zu den alternierenden Kadenzen verläuft, wobei Weibliche Tief- und Männliche Hochpunkte sind, stellt der vierzehnte Vers dar. „Hoch Aurora flammend weht“ spielt auf die römische Göttin der Morgenröte, Aurora, an. Sie steht symbolisch für die Sonne, die mit ihren Strahlen dem Frühling Leben einhaucht. Diese Deutung der „Aurora“ als Sonne bestätigt sich durch das verwendete Wort „flammend“. Das Verb „weht“ hat seine Begründung in dem beschriebenen Wind bzw. Strom und dessen Bewegung.
Bis zu diesem Punkt lässt sich die Inhaltswelle aus Vers vier weiterverfolgen. Auch dies ist ein Beweis der dichterischen Meisterleistung durch Eichendorff. Die „Wirren“ aus Vers fünf sind am Boden angesiedelt, während die Magie des Folgeverses die Welle nach oben schlagen lässt. Danach bewirkt das Wort „hinunter“ ebendies. Der Gruß am Ende der Strophe hebt die Welle wieder auf einen Hochpunkt, passend zur männlichen Kadenz.
Der Fortlauf ergibt sich aus dem tiefen „nicht bewahren“ sowie der Aufwärtsbewegung mittels des „Windes“ aus dem zehnten Vers. Eindeutig ist dann der „Strom“ als Fluss wieder auf dem Boden zu finden (weibliche Kadenz). Der Glanz hingegen entspricht wie auch der hohe Stand „Auroras“ einem Hochpunkt, zwischen dem die „Stimmen“ ein letztes Wellental bilden. Ab diesem Punkt folgen noch zwei Ausrufe im fünf- und sechzehnten Vers, die die Spannungs- bzw. Inhaltswelle künstlich auf einen Höchstpunkt heben, der gleichzeitig auch Ende ist.
„Fahre zu!“ verkörpert noch einmal die Euphorie über die Natur sowie die Einheit von Mensch und Natur. Dazu passt dann auch das Ende. „Ich mag nicht fragen, wo die Fahrt zu Ende geht“. Das „Ich“ des lyrischen Ich genießt die Erfahrung der Natur. Dennoch kommt irgendwann das beschriebene „Ende“ in Form des Sommers.
Das ganze Gedicht hindurch thematisiert Eichendorff die für ihn typische Naturerfahrung. Wie bereits in der Einleitung gesagt, beinhaltete das Gedicht zwei Motive, deren Darstellung das Anliegen des Autors gewesen ist. Die romantische Beschreibung des Frühlingsbeginns als Ausgangslage findet sich vor allem in der ersten Strophe, aber auch in Anspielungen später. Dann, in der zweiten Strophe, findet man das Motiv der Einheit von Mensch und Natur, deren Darstellung für Eichendorff immer ein besonderes Anliegen war.
Allerdings gilt das nicht für ihn sondern für fast alle Romantiker. Überhaupt ist dieses Gedicht ein typisch romantisches Werk. Thema und Motiv sind dafür charakteristische Inhalte und auch die Verknüpfung von Realem und Irrealem – von Mensch und Natur entspricht der romantischen Auffassung der Erkenntnis der Welt. Dazu passen auch die bildhafte Ausdrucksweise sowie der hohe dichterische Anspruch. Dieser findet sich in Aspekten wie dem Kreuzreim, dem vier-hebigen Trochäus oder der Wortwahl typisch romantischer Wortfelder. Beispiele dafür sind „Schein“, „magisch“, „Glanze“, „selig“, oder der „Wind“. Wäre das Gedicht in Strophen zu je vier Versen gegliedert gewesen, so wäre es überdies ein typisches Volkslied gewesen. Beginnend beim Wechsel von betonten und unbetonten Silben bis zum einfachen Reim. Die Teilung in nur zwei Strophen erklärt sich aus dem Motivwechsel. Alles in allem ist dieses Gedicht typisch Eichendorff – typisch Romantik.