Aufgabenstellung:
Aufgabe 1: Analysieren Sie das Gedicht „Städter“ von Alfred Wolfenstein in Hinblick auf die hier entwickelte Vorstellung vom menschlichen Leben in der Großstadt und dessen Bedingungen.
Erläutern Sie, inwiefern es sich um ein Gedicht des Expressionismus handelt.
Aufgabe 2: Vergleichen Sie das Gedicht „Städter“ von A. Wolfenstein mit dem Gedicht „In Danzig“ von Joseph Eichendorff.
Deuten Sie Ihre Ergebnisse vor dem Hintergrund der jeweiligen literaturgeschichtlichen Epoche.
Inhaltsangabe, Gedicht-Analyse und Interpretation
Aufgabe 1
In dem Sonett1 „Städter“, veröffentlicht im Jahre 1914 in seinem Werk „Die gottlosen Jahre“ in Berlin von Alfred Wolfenstein, geht es um die Vorstellung vom menschlichen Leben in der Großstadt und dessen Bedingungen. Das lyrische Ich hat eine negative Einstellung gegenüber dem Leben in einer Großstadt hat, welche man beim Lesen des Gedichts erschließen kann.
Das Gedicht „Städter“ bildet mit den ersten beiden Strophen, welches Quartette sind, und mit den letzten beiden Strophen, die einem Terzett entsprechen, ein Sonett. Das Sonett hat in den Quartetten einen umarmenden Reim (abba, cddc) und in den Terzetten das Reimschema: (efg und gef). Das Gedicht besitzt einen fünfhebigen Jambus. Das Sonett ist in 3 Sinneinheiten einteilbar:
In dem ersten Sinnabschnitt (V. 1-4) beschreibt das lyrische Ich die Häuser bzw. die Enge der Häuser und die Straßen, die „grau geschwollen wie Gewürgte sehen“ (V. 3 f.)
Der zweite Sinnabschnitte (V. 5-8), handelt von den Menschen, die dicht aneinander in den Trams sitzen.
Das lyrische Ich beschreibt im dritten Sinnabschnitt (V. 9-14) das Innere eines Hauses, vergleicht dieses mit der Haut, des Menschen und behauptet, dass das Flüstern der anderen durch die Wand hinüberdringe, doch es bliebe stumm, unberührt und ungeschaut. Mit dem letzten Vers (V. 14) verdeutlicht das lyrische Ich, dass jeder alleine sei.
Im Folgenden möchte Ich auf die Stilmittel eingehen, die im Gedicht verwendet wurden.
Am Anfang des ersten Quartettes vergleicht das lyrische Ich die Enge der Häuser mit den „Löchern eines Siebes“ (V. 1). Unter einem Sieb versteht man etwas, was zwei Sachen voneinander trennt, etwas, was nur Bestimmtes durchlässt. Die Löcher eines Siebes sind klein. In dem Gedicht soll der Vergleich mit dem Sieb die enge Konstruktion der Häuser veranschaulichen.
Die Konstruktion der Häuser, welche so nah einander stehen, lässt die Straßen eingeengt wirken. Die Straßen werden durch die Alliteration „grau geschwollen wie Gewürgte sehn“ (V. 4) beschrieben.
Die Farbe grau ist typisch in Verbindung mit der Straße, wenn man auf die Straße schaut, sieht man eine graue Straße, dabei ist es nicht relevant, ob man in einer Großstadt lebt oder nicht.
In dem Gedicht lässt der Vergleich mit „Gewürgten“ eine negative Atmosphäre entstehen, denn der Begriff stammt von dem Verb „würgen“ und dieses Verb verbindet man oft mit etwas Gewalttätigem. Das lyrische Ich beschreibt mit den Straßen die Menschen, die Bewohner dieser Stadt, die durch die engen Häuser eingeengt werden und untergehen. Man kann die Straßen, aufgrund der Personifikation, dass Straßen wie Gewürgte sehen, als Menschen sehen.
Das lyrische Ich erwähnt in der zweiten Strophe die Anonymität der Leute in den Trams. Anhand der Aussage „Sitzen in den Trams die zwei Fassaden“ (V. 6) beschreibt der Sprecher, dass die Leute sich nur von außen sehen und eigentlich nichts über sich wissen. Fassaden bedeuten im Allgemeinen die Frontseite von etwas und im Textzusammenhang wird eben auf das Äußere aufmerksam gemacht.
Der Sprecher vertritt die Meinung, dass die Menschen es mitbekommen, wenn das lyrische Ich weint, aber sich nicht darum kümmere (V. 9-14). Dass die Wände so dünn wie Haut (V. 9) sind, zeigt, dass jeder alles mitbekommt, bzw. hört, aber nicht sieht. Die Haut eines Menschen ist dünn, jedoch nicht durchsichtig und die Tatsache, dass man nichts sieht, aber hört, lässt dem Menschen, der das Weinen mitbekommt, nicht weiter Raum nachzuforschen. Die Tatsache, dass sich niemand um die Person, die weint, kümmert, ist erkennbar an der Metapher „abgeschlossener Höhle“ (V. 12). In eine „abgeschlossene Höhle“ kommt man nicht rein. Im Textzusammenhang gilt diese abgeschlossene Höhle als das Haus, in das keiner reinkommen kann und somit der Mensch „unberührt und ungeschaut“ bleibt. (V. 13)
Das lyrische Ich kritisiert die Großstadt und führt aus, dass in einer Großstadt eine Ich-Dissoziation2 stattfinde, dass man in einer Stadt auf sich allein gestellt sei, aufgrund der Anonymität. Der Sprecher kritisiert, dass ein jeder teilnehme, aber jeder fern voneinander stehe und fühle (V. 14)
Auffällig ist außerdem, dass das Flüstern, welches die Eigenschaft hat, dass es leise geschieht, als ein Gegröhle, was man mit etwas Lautem in Verbindung bringt, dargestellt wird. Mit dieser Darstellung will das lyrische Ich vermitteln, dass egal wie leise man spricht ein jeder es mitbekommt und verdeutlicht, dass es keine Privatsphäre gibt.
Es handelt sich um ein Gedicht aus der Epoche des Expressionismus, denn es besitzt Merkmale der Epoche. Es lässt expressionistische Themen, wie Großstadt, die Anonymität und die Ich-Dissoziation, erkennen. Außerdem wurde das Gedicht im Jahre 1914 geschrieben, im Zeitraum des Expressionismus, welche von 1910 bis zu 1925 war.
Aufgabe 2
Das Gedicht „In Danzig“, von Joseph von Eichendorff, veröffentlicht im Jahre 1842, handelt von der Stadt Danzig in Polen und deren Wirkung auf das lyrische Ich.
Das Gedicht besteht aus 4 Quartetten, somit hat es 16 Verse. In allen Quartetten besitzt das Reimschema (abab) Kreuzreim.
Man kann das Gedicht „In Danzig“ in 4 Sinneinheiten unterteilen:
Der erste Sinnabschnitt (V. 1-4) beschreibt die Umgebung, die Häuser und die Statuen.
Der zweite Sinnabschnitt (V. 5-9) beschreibt den Mond und dessen Wirkung auf die Stadt.
In dem dritten Sinnabschnitt (V. 9-12) wird die stille Einsamkeit vermittelt.
Der letzte Sinnabschnitt (V. 13-16) weist auf das Vertraute in der Stadt hin.
Im Folgenden möchte ich die beiden Gedichte „Städter“ und „In Danzig“ miteinander unter folgenden Aspekten vergleichen: äußere Form, Atmosphäre, Sprache, Themen, Syntax, Einstellung des lyrischen Ichs, Epoche und Titel.
Zu der äußeren Form kann man sagen, dass im Gegensatz zu „Städter“, das Gedicht „In Danzig“ kein Sonett ist, sondern ein durchgängiges Quartett (4x Quartette) und es besitzt 16 Verse, während das Gedicht „Städter“ 14 Verse. Das Reimschema im Gedicht von Wolfenstein ist (abba, efg und gef) also ein umarmender Reim, im Gedicht von Eichendorff liegt ein einheitliches Reimschema (abab), der Kreuzreim vor.
Die Atmosphäre bei dem Gedicht „Städter“ ist negativ, verdeutlicht durch Begriffe, die die Enge und den Platzmangel hervorheben, wie „beieinander“, „drängend“ (V. 2), „ineinander“ (V. 5 und V. 8), „dicht“ (V. 3). Jemandem Fremdes so nah zu sein, erweckt ein unangenehmes Gefühl.
Im Gegensatz zu der negativen Atmosphäre im Gedicht „Städter“ ist die Atmosphäre in dem Gedicht „In Danzig“ eher positiv, aufgrund der Begriffe, wie „zauberhaft“ (V. 7) und „Märchenwelt“ (V. 8). Durch diese Begriffe fühlt man sich in einer fabelhaften Welt.
In dem Gedicht „Städter“ werden Personifikationen3 (Straßen..sehen V. 3-4), Metaphern4 (Fassaden, Sieb V. 6, V. 1), Alliterationen5 („grau geschwollenen und Gewürgte V. 4) und Farbsymbolik (grau V. 4), verwendet.
In dem Gedicht „In Danzig“ wird die Stimmung durch Adjektive beschrieben, wie „dunkle“ (V. 1), „hohe“ (V. 1), „tief“ (V. 2) etc.
Die Themen im Gedicht „Städter“ entsprechen der Epoche Expressionismus: die Großstadt, die Anonymität, die Ich-Dissoziation.
In dem Gedicht „In Danzig“ sind die Themen der Romantik entsprechend: Spuk (V. 3), Mond, Nacht (V. 5), Märchen, Musik, Lied (V. 14), Religion (Gott V. 15) und die Romantisierung der Welt bzw. Einsamkeit.
Die Einstellung des lyrischen Ich ist im Gedicht von Wolfenstein negativ und im Gedicht von Eichendorff positiv gegenüber der Stadt.
Was den Titel angeht, sind beide neutral, wobei man beim Gedicht „Städter“ nicht weiß, um welche Stadt es sich handelt.
Zur Syntax kann man sagen, dass bei dem Gedicht von Wolfenstein die ersten beiden Strophen einen Satz pro Strophe 3 und 4 verbunden sind.
Bei dem Gedicht von Eichendorff gibt es einen Satz pro Strophe.