Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das vorliegende Gedicht „Die Stadt“ wurde 1851 von Theodor Strom verfasst und ist der Epoche des Realismus zuzuordnen. In einer düsteren Grundstimmung beschreibt der Dichter eine am Meer gelegene Stadt und wie das lyrische Ich, trotz des trostlosen Erscheinungsbildes, emotional mit der Stadt verbunden ist.
Formal lässt sich das Gedicht in drei Strophen mit jeweils fünf Versen einteilen. Weiterhin ist ein Wechsel zwischen 4-hebigem und 3-hebigem Jambus zu finden, sowie durchgehend männliche Kadenzen1. Der fließende Rhythmus wird durch einige Enjambements2 verstärkt. Neben den Endreimen lässt sich das dem Kreuzreim ähnliche Reimschema „abaab“ aufzeigen. Auffällig ist außerdem die Großschreibung am Anfang eines jeden Verses und die Verwendung einiger identischer Reime, wie „Meer – Meer“ und „Stadt – Stadt“, zuzüglich zu den vorhandenen reinen und unreinen Reimen.
Der Inhalt lässt sich aufgrund von nur drei Strophen kurz zusammenfassen: Die erste Strophe beginnt mit einer bedrückenden Beschreibung der Lage und Stimmung in der Küstenstadt. Anschließend folgt eine Darstellung der umliegenden, monotonen und naturlosen Umgebung, gefolgt von positiveren Wendung in der dritten Strophen, als das lyrische Ich seine Jugend mit dieser Stadt assoziiert.
Das Motiv der Eintönigkeit zieht sich wie ein Leitfaden durch das Gedicht, so auch gleich zu Beginn der ersten Strophe mit der negativ konnotierten Repetitio3 „[…]Am grauen Strand, am grauen Meer […]“ (V. 1), welche das düstere Erscheinungsbild der Küstenstadt hervorheben soll, da die Farbe grau meist mit etwas monotonem, langweiligen verbunden wird. Um dies noch zu bekräftigen beschreibt das lyrische Ich zusätzlich mit dem Adjektiv „[…] schwer […]“ (V. 3), auf welch bedrückende Weise der Nebel die Dächer umgibt. Obwohl für gewöhnlich mit Nebel etwas leichtes, schleierhaftes verbunden wird, erhält der Leser durch die eben genannte Emphase einen deutlichen Eindruck der bedrückenden Optik der Stadt. Verstärkt wird dies ein weiteres Mal durch die Anapher4 „[…] und […]“ (V. 2 und 4), welche wiederum auf die Gleichförmigkeit anspielt. Um auch die Leblosigkeit der Stadt darzustellen verwendet das lyrische Ich noch die antithetischen Onomatopoesie
„[…] Und durch die Stille braust das Meer […]“ (V. 4).
Das lyrische Ichs setzt sein Augenmerk in der zweiten Strophe auf die Umgebung der Stadt, welche aufgrund der fehlenden Lebhaftigkeit der Natur ebenfalls freudlos ist. Daher beschreibt es mit Hilfe der emphatische Repetitio, dass es „[…] kein[en] Wald […]“ (V. 6) und […] kein[en] Vogel […]“ gibt (V. 8). Auch aus dem Tierreich ist kein Lebewesen anzutreffen, weshalb die Wandergans „[...] mit hartem Schrei […]“ (V. 9) nur vorbei fliegt, anstatt in dieser Küstenregion zu leben. Selbst für Flora und Fauna ist diese Küstenstadt zu trostlos und keineswegs ansprechend.
Erst in der dritten und letzten Strophe erfolgt ein inhaltlich überraschend positiver Wechsel, welcher schon durch die eingeschränkte Konjunktion „[…] Doch […]“ (V11) eingeleitet wird und den Leser aufmerksam werden lässt. Nun schildert das lyrische Ich mit zwei Metaphern5, wie es durch den „[…] Jugend Zauber […]“ (V. 13) auf unerklärliche Weise doch mit der „[…] grauen Stadt am Meer […]“ (V. 15) verbunden ist und sein ganzes Herz an ihr hängt (vgl. V. 11). Diese positive Weise setzt sich auch durch das Verb „[…] Ruht […] (V. 14) in Verbindung mit dem freudigen Adjektiv „[…] lächelnd […]“ (V. 14.) fort, womit noch einmal der Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Strophen dargestellt werden soll.
Da ihm diese Stadt, trotz der vielen negativen Aspekte, soviel bedeutet, wird sie mit der Personifikation6 „[…] Du […]“ (V. 15) noch einmal hervorgehoben und es kommt ihr eine besondere Bedeutung zu.
Abschließend lässt sich sagen, dass Theodor Storm mit „die Stadt“ ein sehr kritisches und in Bezug auf die dritte Strophe antithetisches Gedicht verfasst hat, welches sowohl die negativen Aspekte, als auch die emotionale Verbundenheit zum Heimatort eines jeden Menschen, zum Ausdruck bringt. Schon die sachliche Überschrift „Die Stadt“ weist genau auf den Inhalt des Gedichtes hin und ist als objektive Beschreibung des Inhaltes typisch für den Realismus. Alles in Allem ist dieses Gedicht – trotz einiger untypischen, subjektiven Empfindungen - für diese Epoche passend.