Inhaltsangabe, Gedicht-Analyse und Interpretation
Einleitung
Die Gedichte „Prometheus“ und „Grenzen der Menschheit“ wurden von Johann Wolfgang Goethe verfasst. Die Hymne „Prometheus“ spiegelt die Einstellung des „Sturm und Drangs“ wieder, in dem Protestbewegungen und Auflehnung gegen gesellschaftliche Schranken und Normen zum Alltag gehörten. Mit dem Motto „Das Gefühl ist mehr als die Vernunft“ werden die Jugendkultur und die Formlosigkeit des „Sturm und Drangs“ gut charakterisiert. In der Klassik jedoch, in der „Grenzen der Menschheit“ verfasst wurde, steht die Sehnsucht nach moralischen und ästhetischen Werten im Mittelpunkt. Sie nimmt die Antike als Vorbild und versucht, das Gleichgewicht zwischen Verstand und Gefühl zu finden.
Beide Gedichte handeln von Gott, jedoch wird dieses Thema in „Prometheus“ völlig anders dargestellt als in „Grenzen der Menschheit“. Obwohl sowohl „Prometheus“ als auch „Grenzen der Menschheit“ von Goethe sind, findet er einen jeweils anderen Zugang zu diesem Thema.
Goethe hat zwar die Hymne „Prometheus“ zuerst verfasst, ließ es jedoch nicht sofort veröffentlichen. Erst als er „Grenzen der Menschheit“ fertig gestellt hatte, ließ er beide gleichzeitig veröffentlichen, da es sonst zu viele Proteste gegen „Prometheus“ gegeben hätte.
1. Gedicht: „Prometheus“
Bei dem Gedicht aus der Zeit des „Sturm und Drangs“ nimmt Goethe des Mythos von Prometheus als Ausgangspunkt. Prometheus hatte gegen den Willen des Zeus Menschenwesen erschaffen, worauf Zeus zuerst ärgerlich reagierte, es dann jedoch akzeptieret. Als Prometheus dem Menschen dann auch noch das Feuer gab, verlor Zeus die Geduld und bestrafte ihn.
Das rebellische Verhalten von Prometheus passt gut in das Bild des „Sturm und Drangs“ hinein und so verfasst Goethe dazu eine Hymne, die in acht Strophen mit unterschiedlicher Länge eingeteilt ist, und sich gegen die Götter, besonders gegen Zeus, richtet. Zeus wird von Prometheus direkt angesprochen und bereits in der ersten Strophe wird er aufgefordert, sich nicht in Angelegenheiten der Erde einzumischen. Mit den Worten „Bedecke deinen Himmel, Zeus,/Mit Wolkendunst! […] Mußt mir meine Erde „/“ Doch lassen stehn […]“ (V.1-7) gibt Prometheus Zeus zu verstehen, dass er nun keinen Einfluss auf die Erde mehr habe und sich um seine eigene Welt, also die der Götter, kümmern sollte. In den Worten „und übe, Knaben gleich/ Der Disteln köpft“ (V. 3) wird Zeus spöttisch als jung und unerfahren bezeichnet. Prometheus teilt der Welt der Menschen Eigenschaften zu, die mit Wärme verbunden werden. Durch die Worte „Hütte“, „Herd“ und „Glut“ (V. 8ff.) will er Zeus eifersüchtig machen, da dieser nur über „Disteln, Eichen und Bergeshöhn“ (V.4f) Macht ausüben könne. Hier taucht in den Bildern, wieder, die im Gegensatz zueinander stehen, die Dreigliedrigkeit auf. In der zweiten Strophe werden die Götter durch die Worte „Ich kenne nichts Ärmeres / Unter der Sonn als euch Götter“ (V. 13f.) direkt angesprochen, und der Hohn ihnen gegenüber wird sehr deutlich. Weiters meint Prometheus, dass die Götter Glück hätten, dass es Kinder und Bettler gebe, denn sonst wären sie diejenigen, die dahinvegetieren und von allen missachtet würden. (vgl. V. 19ff.) In der dritten Strophe erinnert sich Prometheus zurück, wie es war, als er noch ein Kind war. Damals hatte er noch ein „verirrtes Aug“ (V. 24) und glaubte noch an die Macht der Götter. Als Kind war er noch unreif und unwissend, wusste nicht, „wo aus, wo ein“. (V. 23). Mit den Metonymien „ein Ohr zu hören meine Klage, / Ein Herz wie meins (V. 26f.) meint er die Götter, die seinen Wünschen und Träumen nie Aufmerksamkeit geschenkt haben. In der darauffolgenden Szene tut er seine Enttäuschung über die Götter kund und bezeichnet Zeus als „Schlafenden“ (V. 37), der ihn nur betrogen habe und nie für ihn dagewesen sei. In der sechsten Strophe befindet sich wieder ein Vorwurf, der durch die rhetorische Frage „Ich dich ehren? Wofür“ (V. 38) deutlich wird. Weiters wird in der Hymne deutlich, dass es zwei Mächte gibt, die über den Göttern stehen: „Die allmächtige Zeit / Und das ewige Schicksal“ (V. 44f.), beide personifiziert und mit einem Epitheton versehen, die diesen zwei Mächten noch mehr Ausdruck verleihen. Mit den Worten „Hier sitz ich, forme Menschen / Nach meinem Bilde, / Ein Geschlecht, das mir gleich sei, […] Und dein nicht zu achten, / Wie ich“ (V. 52- 58) schließt er die Hymne ab und gibt klar zu erkennen, dass Prometheus nichts von Göttern hält, sie nicht achtet und respektiert und ihnen keinen Glauben schenkt.
2. Gedicht: „Grenzen der Menschheit“
Das zweite Gedicht, welches in der Klassik verfasst worden ist, ist in fünf Strophen aufgebaut und besteht ebenfalls aus freien Rhythmen. Hier wird ein völlig anderes Bild von den Göttern gezeigt. Gott wird als „uralte“ (V. 59) Gestalt und als der „Heilige Vater“ (V. 60) bezeichnet, der mit „gelassener Hand“ (V. 61) erzieherisch auf jeden Einzelnen wirkt. Er bietet Schutz und Sicherheit und jeder hat Erfurcht vor ihm. Vor allem durch das Oxymoron2 „Segnende Blitze“ (V. 63) wird die erzieherische Ader Gottes deutlich. Im zweiten Teil der ersten Strophe spricht das Lyrische Ich, das durch die Worte „Küss’ ich den letzten Saum seines Kleides“ (V. 65f.) seine Unterwürfigkeit zur Geltung bringt.
Weiters gibt das lyrische Ich den Ratschlag, es solle sich keiner mit den Göttern messen, denn sonst würden „mit ihm spielen / Wolken und Winde“ (V. 77f.), als ob er ein Spielzeug wäre. In der vierten Strophe stellt das lyrische Ich sich die Frage, was die Götter von Menschen unterscheide. (vgl. V.87f.). Diese Frage beantwortet es sich mit einer Metapher3, die Gott als ewigen Strom mit vielen Wellen darstellt. Diese Wellen heben uns, sobald sie uns jedoch verschlingen, versinken wir. (Vgl. V. 91ff.). In der letzten Strophe wird das Leben der Menschen mit einem kleinen Ring verglichen. Es ist begrenzt, jedoch wird es nach einer Generation weiterhin viele andere Geschlechter geben (vgl. V. 95ff.), die „sich dauernd / An ihres Daseins / Unendliche Kette [reihen] (V.98ff.)
Vergleich
Der größte Unterschied zwischen den beiden Gedichten stellt die Einstellung zu Gott dar. In „Prometheus“ überwiegt die Hybris, sich mit den Göttern zu vergleichen. Den Göttern, besonders Zeus, wird Übermut unterstellt und sie werden mit „Schlafenden“ (V. 37) verglichen. In „Grenzen der Menschheit“ bekommt Gott jedoch beschützende Eigenschaften zugeteilt. Man muss sich ihm gegenüber unterwürfig verhalten und Demut zeigen. Wer es wagt, sich mit ihm zu vergleichen, dem wird zu verstehen gegeben, dass Gott auf unser aller Leben Einfluss nehmen kann. In diesem Gedicht wird Gott als treu und erzieherisch bezeichnet und es wird deutlich gemacht, dass Gott jedem Menschen hilft.
Weiters wird in diesen beiden Gedichten der Mensch unterschiedlich gezeigt. In „Prometheus“ wird der Mensch als rebellisch dargestellt. Die Götter dürfen keinen Einfluss auf den Menschen nehmen, da der Mensch als eigenständig gilt und tun kann, was er will. In „Grenzen der Menschheit“ wird, wie im Titel schon erwähnt, der Mensch als nicht perfekt und vollkommen dargestellt, da er auch Grenzen hat, an die er sich halten muss. Er ist Gott gegenüber unterwürfig und von seinem Schutz abhängig, kann sich jedoch sicher sein, Schutz und Sicherheit von Gott zu bekommen.
Auch das Kind bekommt in beiden Gedichten eine andere Bedeutung. Im Gedicht des „Sturm und Drangs“ wird das Kind als dumm und naiv dargestellt. Kinder glauben das, was sie von anderen hören, brauchen jedoch keine Bestätigung, um irgendetwas Glauben schenken zu können. Im zweiten Gedicht jedoch wird das Kind positiv dargestellt und gezeigt, dass es immer bei Gott Schutz findet.
Die Rolle der Natur kommt sowohl in „Prometheus“ als auch in „Grenzen der Menschheit“ zu tragen. In der Hymne „Prometheus“ ist die Natur Teil des Göttlichen und sie ist der Bereich, in dem die Götter Einfluss nehmen dürfen. In „Grenzen der Menschheit“ spielt die Natur jedoch eine ganz andere Rolle. Hier ist der Mensch eingeschränkt, mit der Natur mitzuhalten, da diese auch über sich hinauswachsen kann, wie die „Eiche / oder […] [die] Rebe“ (V. 84f.) und sie auch ihren eigenen Gesetzen unterliegt. So unterliegt der Mensch anderen Gesetzen und ist in seinem Handeln eingeschränkt.
Kurze Zusammenfassung:
Kurz zusammengefasst sind die beiden Gedichte „Prometheus“ und „Grenzen der Menschheit“ sehr unterschiedlich. Jedes der beiden Gedichte weist epochentypische Merkmale auf, die sich durch das gesamte Gedicht ziehen. Im Gedicht aus dem „Sturm und Drang“ spiegeln sich die Rebellion und die Formlosigkeit wider, in „Grenzen der Menschheit“ wirkt sich die Liebe zur Schönheit und zur Ordnung stark aus. Alles hat seine Richtigkeit und die Sehnsucht nach den moralischen Werten ist groß.