Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das vorliegende Gedicht „Prometheus“ von J. Goethe ist eine unverblümte Kritik an den Herrschaftsverhältnissen. Durch die personifizierte Allegorie1 des Prometheus, der zu den Göttern des Olymp spricht, greift Goethe die Autoritäten an, und spiegelt damit ganz die Einstellung des Sturm und Drang wieder. Auch durch allerlei sprachliche Mittel verleiht Goethe dem Gedicht einen stark revolutionären Charakter, auflehnend gegen die bestehende Gesellschaftsordnung. Interessant ist vielleicht, dass dieses Gedicht zuerst anonym erschien, und der Verleger in dem Buch freie Seiten einfügte, um dem verärgerten Leser die Möglichkeit zu geben, dieses Gedicht herauszureißen.
Die hymnische Strophenform verleiht dem Gedicht einen pathetischen und gefühlsbeladenen Grundton. Gleichzeitig entspricht der Inhalt gerade nicht dem einer Hymne, da es kein Lob, sondern eher eine Kritik an Zeus ist. Durch das fehlende Reimschema, freie Rhythmen und ungleiche Verszahl erreicht Goethe ein Aufbrechen der gängigen Ordnung, da dies nicht der Norm der Lyrik entspricht. All dies verdeutlicht ein Kernthema des Gedichts: die Unabhängigkeit des Menschen und sein Selbstbewusstsein, wenn er gegen Regeln verstößt.
„Prometheus“ ist ein wichtiger Held in der griechischen Mythologie, da er die Menschen erschuf („forme Menschen nach meinem Bilde“) und oft als Kulturbringer der Menschheit auftritt, da er ihnen das Feuer brachte, hier erwähnt durch „Herd“ und „Glut“. Prometheus steht damit exemplarisch für das Selbstbewusstsein, der voller Energie die Autoritäten nicht anerkennt. Zeus hingegen repräsentiert das gängige Herrschersystem des 18. Jahrhunderts, das durch Gesetzte und Einschränkung für Recht und Ordnung sorgt. Goethe charakterisiert ihn im Gedicht jedoch sehr negativ, worauf ich gleich näher eingehen werde. Eine andere Möglichkeit dieses Gedicht zu interpretieren, ist das Thema der Rebellion der Jugend gegen die ältere Generation. Zeus wird ja oft als Göttervater beschrieben und Goethe mehrmals die Gläubigen als „Kinder“ abtut.
Das Gedicht beginnt mit einem schockierenden Imperativ, der die, nach dem Titel erwartete Hierarchie auf den Kopf stellt. Prometheus verhöhnt Zeus und befiehlt ihm sich zu schämen in dem ersten Vers „Bedecke deinen Himmel, Zeus“. Gleichzeitig trennt Prometheus die göttliche Sphäre von der weltlichen. Dies wird nicht nur durch den „Wolkendunst“, sondern auch durch die Menge an Possessivpronomen erreicht: „dein Himmel“ steht „meiner Erde“, „meiner Hütte“ und „meinem Herd“ gegenüber. Der erste Vers könnte aber auch bedeuten, dass Prometheus den göttlichen Donner nur als Theater abtut, und Zeus nun auffordert den Vorhang zu zuziehen. Zeus soll dann erst mal üben, einem „Knaben gleich“. Es folgt ein Parallelismus, der alle Gegenstände beschreibt, die Zeus nicht anrühren soll („meine Erde“, „und meine Hütte“, „und meinen Herd“) diese Gegenstände stellen eine Antithese2 zu den „Eichen und Bergeshöhn“, die dem Zeus zur Verfügung stehen. Dies zeigt die Heftigkeit und Emotionalität, mit der Prometheus seinen Lebensbereich gegen Zeus verteidigt.
In der zweiten Strophe prangert Prometheus die Abhängigkeit der Götter an, die den Gegensatz zu der Stärke des Menschen bildet, nämlich die Unabhängigkeit. Die Götter „nähren kümmerlich von Opfersteuern“ die „Kinder und Bettler“ ihnen bringen. Goethe beschimpft geradezu die Götter, durch Wörter wie „Ärmer’s“, „kümmerlich“ und die sarkastische Bemerkung „Eure Majestät“. „Kinder und Bettler“ symbolisieren die unreifen und armen Gläubigen, die durch den Glauben ihre Hoffnung auf schönere Zeiten erhalten.
Danach rechtfertigt Prometheus und vielleicht auch Goethe seine frühere Gläubigkeit dadurch, dass er ein „Kind“ war, also unschuldig und wissenslos.
In seiner Hilflosigkeit, Verlassenheit und Einsamkeit wandte er sich an die Götter, da er nicht das Wissen und die Macht besaß andere Wege zur Selbsterfüllung zu gehen.
Es folgen eine Aneinanderreihung von rhetorischen Fragen, bekommt jedoch von den Göttern keine Antwort, da sie schlafen („Dem Schlafenden dadroben“) oder die Fragen nicht hören („Ein Ohr, zu hören meine Klage“). Das „heilig glühend Herz“ befindet sich genau in der Mitte des Gedichts und zeigt, dass sich Prometheus in seinem Streben letztendlich selbst geholfen hat, da dieses Herz die Götter voll ersetzt. Die Götter sind demnach das Gegenteil vom „glühenden Herz“ – kalt und gleichgültig.
Der Vers „Ich dich ehren? Wofür?“ stellt sogar fast eine Anklage dar und die Repetition von „Hast“ und „Hat“ in dieser Strophe klingt wie Schläge.
Prometheus akzeptiert die „allmächtige Zeit“ und das „ewige Schicksal“ als die wahren Götter, die sogar über Zeus und seinem Olymp stehen („Meine Herren und deine?“). Die Götter werden somit vermenschlicht, was auch durch die geschickte Vertauschung der Adjektive verstärkt wird. Normalerweise müsste es ja „ewige Zeit“ und „allmächtiges Schicksal“ heißen.
Erwähnenswert in der nächsten Strophe ist der Neologismus4 „Knabenmorgenblütenträume“, der durch ein Enjambement5 in 2 Teile geteilt ist. „Knabenmorgen“ symbolisiert die Jugend und den Beginn von Hoffnung, während „Blütenträume“ die Hoffnungen und Wünsche einer Person darstellt. Im Kontext der Verse heißt das: man ist eine Blüte, die aber nicht reift, weil sich die Träume nicht erfüllen.
Die letzte Strophe wiederholt nochmal den Inhalt des Gedichtes. Das Lyrische Ich kreiert wieder eine Distanz zwischen dem angeredeten Zeus und sich selbst. Gelichzeitig zeigt er wie verankert er ist mit der Erde „Hier sitz‘ ich“. Dadurch das er Menschen erschafft, die Prometheus gleichen, soll der Mensch ebenso schöpferisch, selbstständig und kritisch denen gegenüber sein, die ihn abhängig machen wollen. Die letzten zwei Verse „Und dein nicht zu achten / Wie ich.“ sind ein Aufruf zum Aufstand gegen die Herrscher.
Insgesamt ist dieses Gedicht äußerst revolutionär, da Goethe offen zu einem Aufstand aufruft. Dieses Gedicht ist typisch für die Zeit des Sturm und Drang, kontrastiert aber seine späteren Werke in der Klassik.