Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Auf meinen bestürmeten Lebens=Lauff“ entspringt der Gattung des Sonetts und wurde von der Dichterin Catharina Regina von Greiffenberg, welche von 1633 bis 1694 gelebt hat, im Jahre 1662 verfasst; also in der Zeitepoche des Barocks, dessen Weltbild geprägt war von einem stark fanatischen Glauben und einer massiven Todesangst durch den Dreißigjährigen Krieg.
Diese epochale Grundeinstellung spiegelt auch das Gedicht wieder, in dem das lyrische Ich auf sein bisheriges Leben zurück blickt und dabei merkt, dass durch die Vergänglichkeit alles Irdische die Hinwendung zu Gott als einzige Möglichkeit übrig bleibt.
In der ersten Strophe verdeutlicht das lyrische Ich, was sein Leben beeinflusst und was in dessen Mittelpunkt steht, wobei sein Geist hauptsächlich von Angst bestimmt wird. Seinen Blick in die Zukunft richtet das lyrische Ich in der zweiten Strophe und merkt dabei orientierungslos, dass sein Herz und sein Körper gefühlt schon voneinander getrennt wurden. Nachdem schließlich der Mut und alle damit verbundenen Hoffnungen in Strophe drei zerbrechen, sieht das lyrische Ich seinen einzigen Ausweg in der Zuwendung zu Gott.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen, wobei die ersten beiden Strophen aus vier und die letzten beiden Strophen aus jeweils drei Versen bestehen. So ist eine Teilung in zwei Quartette und zwei Terzette zu erkennen.
Als Reimschema wurden für die ersten beiden Strophen jeweils zwei umarmende Reime verwendet, wobei sich die Terzette in ein Reimschema mit cdc / dcd aufteilen. Das Metrum2 setzt sich in jedem Vers wiederholend zusammen aus einem sechshebigen Jambus, also einem Alexandriner, der in den Quartetten mit einer weiblichen, zwei männlichen und wieder mit einer weiblichen Kadenz endet. Bei den Terzetten wechseln die Kadenzen3 versübergreifend, beginnend mit einer unbetonten Endung.
Der Alexandriner und die strikte Gesamtform des Gedichts sind ebenso charakteristisch für die Barocklyrik wie der hier verwendete „Vanitas“- Gedanke. Er ist der Überbegriff für die Vergänglichkeit von allem Irdischen und steht bei diesem Begriff über dem „memento mori“- Motiv. Dieser aus dem Lateinischen stammende Mahnruf bedeutet übersetzt „bedenke deines Todes“ und ruft zum nachdenken über den Tod auf.
Um diese Abfolge der Erlebnisse und Entscheidungen des lyrischen Ichs zu veranschaulichen, wählt Catharina Regina von Greiffenberg hier das Wortfeld des Meeres. So zeigen die mit dem Meer in Zusammenhang stehenden Begriffe „Wirbelstrom“ (V. 1), „Sturm“ (V. 4), „Wellen“ (V. 5), „See“ (V. 8), „Wind“ (V. 11, 13) und „Hafen“ (V. 14), wie verloren und hilfreich ist und keine Orientierung in der jetzigen Situation besitzt. Die Verbindung eines Enjambements4 mit einer Anapher5 (vgl. V. 3ff.), welche aus dem Personalpronomen6 „mein“ besteht, unterstreichen seine Orientierungslosigkeit, wodurch für das lyrische Ich nicht klar wird, wie es weiter gehen soll, da es sich von dem „Wirbelstrom“ (Metapher7, V. 1) nicht befreien kann. Die Personifikation8 „(...) der Wirbelstrom (…) mich drähet (...)“ (V. 1f.) und der in der ersten Strophe verwendete Parallelismus verstärken diese Wirkung. Durch die Aussage „Mein Herz und Aug´ ist dort / es wartet schon auf mich am Ruhe=vollen Port“ (V. 6f.) erscheint es, als wäre das lyrische ich gedanklich woanders und sein Körper von dem Geist getrennt.
Ein Tiefpunkt tritt schließlich bei dem Übergang von den Quartetten zu den Terzetten ein, da die Hoffnung und der Mut des lyrischen Ichs zerbrechen, da es durch den „Mast“ (V. 9), welcher sich symbolisch durch Stärke auszeichnet, keinen Antrieb mehr besitzt. Dadurch, dass das lyrische ich seine Lebenszeit nicht beeinflussen kann (vgl. V. 12) und durch den Wind auf Umwege gelenkt wird (vgl. V. 13), wendet es sich schließlich mit der Imperativform „bring“ (V. 14) mit der Aufforderung zu Gott hin, ihn endlich zu erlösen und ihn somit an sein Ziel zu bringen. Gott kann hier vermutlich als lyrisches Du angesehen werden, welches in Vers zwei auch direkt angesprochen wird. Somit wird schon durch das lyrische Ich selbst durch diese Bitte ein Fazit formuliert, was das Ende des Gedichts, zugleich aber auch eine Art Abschied ausfindig machen lässt
In Bezug auf die epochalen Umstände zu der Zeit des Barocks wird dem lyrischen Ich bewusst, dass Alles vergänglich und Nichts von Bestand ist. Grund dafür ist die Lebensweise der damaligen Bevölkerung, welche hauptsächlich von der Pest und dem Dreißigjährigen Krieg beeinflusst wurde. Die Menschen wussten nicht, wie lange sie noch leben würden, oder ob sie den nächsten Tag noch erleben können. Dies führte hauptsächlich bei der ärmeren, aber durchaus auch bei der reichen Bevölkerung, wie auch bei dem lyrischen Ich aus dem Gedicht, zu einer tiefen Religiösität. So entstand ein zu Gott hingewandter und zum Jenseits gerichteter Lebensstil, bei dem sich die Menschen mit dem Tod auseinander setzten. Bei den Adeligen folgte ein verschwenderischer Lebensstil auch heute noch erkennbar an prachtvollen Schlössern oder Kirchen, da sie mit einigen Problemen der Ärmeren nicht konfrontiert wurden.
Insgesamt wirkt das Gedicht „Auf meinen bestürmeten Lebens=Lauff“ von Catharina Regina von Greiffenberg sehr grausam und für die heutige Gesellschaft schon fast unvorstellbar aufgrund der unterschiedlichen Umstände der Epochen. Es zeigt, wie schnell sich die Menschen angesichts eines als unruhig und bedrängend erfahrenen Lebens zu Gott und seiner Unendlichkeit hinziehen lassen als Folge ihrer aktuellen Lage. Es zeigt in einer bildhaften Sprache sehr deutlich, wie die Menschen ihre Lebensführung durch das Bewusstsein der Vergänglichkeit abänderten, immer in Gedanken an die Hoffnung, später ein erfülltes Leben zu führen.