
Drama: Die Physiker (1961)
Autor/in: Friedrich DürrenmattEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die zweite Szene des ersten Aktes des Dramas „Die Physiker“ (1961) von Dürrenmatt handelt von dem Gespräch zwischen Inspektor Voß und Newton.
Inspektor Voß ist aufgrund des Mordes an Irene Straub immer noch im Salon.
Auffällig ist bei dieser Szene, dass der Leser das erste Mal einen Anschein dazu erhält, dass der Physiker Newton und somit auch die beiden anderen Physiker nicht verrückt sind.
Newton kann während des Gespräches Voß beruhigen und eine vertraute Bindung aufbauen, weswegen Voß nicht den Mörder an der dritten Krankenschwester verurteilen möchte.
Die Szene beginnt, als Newton auf Inspektor Voß trifft. Nachdem Newton Auskunft über die aktuelle Situation verlangt und sein Bedauern zu der ermordeten Krankenschwester äußert, räumt er auf. Auch jetzt wird Inspektor Voß wieder mit den Regeln, die im Salon herrschen, konfrontiert, woraufhin er Newton an seinen Mord erinnert. Als das Gespräch jedoch zu seinem Mord wechselt, erzählt Newton, dass er Einstein sei. Anschließend versucht Newton, Inspektor Voß von seiner Genialität zu überzeugen.
Zu Beginn des Gespräches ist Voß aufgrund der Oberschwester immer noch aggressiv und lässt sich dies auch anmerken, denn er antwortet in ironischer Weise und ohne Interesse (vgl. S.18). Newton dagegen interessiert sich für den Vorfall sehr, aber räumt nach einer winzigen Konversation auf, um als weiterhin verrückt zu gelten (vgl. S.19). Auch die Absurdität mittels der „Regeln“ im Salon wird zum Vorschein gebracht; nur die Patienten dürfen trinken und rauchen, was auf Voß erneut deprimierend wirkt (vgl. S.19). Komischerweise behauptet Newton von sich selbst, dass er verrückt sei (vgl. S.20). Doch er vergisst später sein Alter, oder besser gesagt das Alter seiner fiktiven Identität. Es wirkt, als hätte Newton an seine eigene Person gedacht und nicht mehr an die Identität Newtons. Wegen dieser unangenehmen Situation muss Newton seine Identität wechseln, um nicht aufzufallen und seine Mission zu gefährden(vgl. S.20). Voß hat dabei Verständnisprobleme, wirkt aber ebenfalls desinteressiert aufgrund seiner kurzen und einfachen Hinterfragungen (vgl. S.21). Danach verhalten sich beide so, als wäre Newton eine neue Person und starten die Konversation neu. Dabei ist auffallend, dass der aktuelle Mord nicht nochmal thematisiert wird. Stattdessen wird über Musik und Elektrizität geredet, wobei der höhere Redeanteil bei Newton liegt (vgl. S.22f), was seine mentale Überlegenheit auszeichnet.
Newtons paradoxe Frage über den Grund seiner Verhaftung kennzeichnet sich durch die enorme Weite der Anzahl über die getöteten Menschen (vgl. S.22). Während beim Mord der Krankenschwester „nur“ ein Mensch ermordet wird, ist die Auswirkung einer Atombombe mindestens auf über eine Millionen Menschen zu schätzen. Newton erklärt Voß, dass er als Physiker nur durch Beobachtungen an Formeln gelangt und andere Menschen das mathematische Wissen in Erfindungen umwandeln. Newton möchte Voß dazu anregen, die ethische Frage, ob man jemanden eher verurteilt, der einen oder der Millionen Morde begeht, genauer zu bedenken. Der Vorwurf von Newton, dass man zwar einen kleinen Mörder verurteilt, aber den Erfinder der Atombombe nicht, unterstreicht eine groteske2 Vorstellung, die die bürgerliche Weltordnung konkretisiert.
Newtons Aussagen zur Elektrizität lassen sich so erläutern, dass er für die Verwendung seiner Theorien keinerlei Einfluss hat und somit nicht Schuld an den Millionen Morden beim Einsatz einer Atombombe wäre. Er behauptet, dass jeder Idiot einen elektrischen Stromkreis schließen, aber auch jede mögliche Atombombe explodieren könne. Newton stellt Voß als Verbrecher dar, weil Voß physikalische Gesetze zu seinem Vorteil verwendet, wie zum Beispiel das Licht, obwohl er kein Wissen darüber besitzt und keinerlei Informationen über die Konsequenzen seines Handelns weiß. In Newtons Augen ist dieses Handeln unverantwortlich, da Voß immer Menschen in Gefahr bringen könne. Bezieht man diese Gedanken auf eine Atombombe, hätte man innerhalb weniger Sekunden Millionen von Toten, mehrere Hunderttausende Verletzte und den Wohnort innerhalb mehreren Kilometern absolut zerstört und unbewohnbar macht. Auf dieser Basis solle sich Voß selbst verhaften, so Newton (vgl. S.23)
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Newton dem Inspektor überlegen ist, doch selbst logische Fehler in seinen Denkweisen besitzen kann. Im Gegensatz zu Inspektor Voß ist er jedoch in der Lage, seine Glaubwürdigkeit beizubehalten und kann Voß hinters Licht führen. Inspektor Voß verkörpert keinen glaubwürdigen Polizisten aufgrund seiner Schwäche und Ignoranz. Dürrenmatt setzt auf eine fragwürdige Handlung, um kritische Betrachtungen der Branche aufzubauen.
Dürrenmatt setzt ebenfalls bewusst Bezug zu einfachen physikalischen Theorien ein, wie zum Beispiel das Licht, um den Leser zum Nachdenken anzuregen,
Es kommt ein Gefühl auf, als wäre Newton nicht wirklich verrückt, was eine Andeutung auf die nächsten Handlungen ist.