Drama: Die Physiker, 2. Akt (1961)
Autor/in: Friedrich DürrenmattEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
In dem Drama „Die Physiker“, geschrieben von Friedrich Dürrenmatt im Jahre 1961, geht es um das Zusammenleben dreier Physiker, welche drei Krankenschwestern in ihrer Anstalt umgebracht haben. Die Verantwortung der Wissenschaft und wie damit umgegangen wird, ist ein zentrales Thema in diesem Drama.
Die Szene des Physikermahls ordnet sich im Drama im zweiten Akt ein, nach der Befragung der Insassen der Anstalt von Inspektor Voß und vor der Enthüllung der Irrenärztin, Fräulein Doktor von Zahnd als eine irre Person. Die Szene handelt von dem Gespräch zwischen den drei Physikern: Einstein, Newton und Möbius. Einstein und Newton, welche beide als Geheimagenten entlarvt werden, versuchen aus der Anstalt zu fliehen, wobei Möbius versucht, sie davon abzuhalten. Nachdem Möbius verkündet, dass seine Manuskripte mit seinen wissenschaftlichen Erfindungen, der Grund für das Erscheinen der Agenten, verbrannt wurden, diskutieren sie über die Verantwortung der Wissenschaft und wer sie übernehmen sollte. Dürrenmatt will mit dieser Szene betonen, dass der Mensch, also auch der Physiker, die Verantwortung übernehmen muss: „Was alle angeht, können nur alle lösen“ (These 17 des Anhangs). Dies soll im Folgenden näher erläutert werden. Um mich auf diese Intention konzentrieren zu können, werde ich ausschließlich Seiten 71-77 benutzen.
Die Beteiligten der Szene, Möbius, Einstein und Newton, haben verschiedene Positionen. Nach dem Wendepunkt der Szene, der Verkündung, dass die Manuskripte verbrannt sind, dominiert Möbius das Geschehen. Möbius hat die meisten Gesprächsanteile und redet vermehrt mit Hypotaxen: „Unsere Wissenschaft ist schrecklich geworden, unsere Forschung gefährlich, unsere Erkenntnis tödlich“ (S.74). Dies bewirkt, dass Möbius als dominierende Figur in dieser Szene dargestellt wird und damit auch seine Sichtweise als die ‚Richtige’ dargestellt wird. Das Publikum bekommt die Sichtweise des Mächtigsten zu hören und kann daraus schlussfolgern, dass Dürrenmatt damit dem Publikum eine Nachricht überbringen will. Möbius hat die Sichtweise, dass der Mensch, also auch der Physiker, die Verantwortung für die Wissenschaft tragen soll. Diese Sichtweise wird als die Stärkste und die Überlegenste dargestellt und damit will Dürrenmatt dem Publikum seine und die beste Sichtweise zeigen und näher bringen. Außerdem bekräftigt dies seine These „Was alle angeht, können nur alle lösen“.
Nach dem Wendepunkt der Szene wirken Newton und Einstein deutlich unterlegen im Gegensatz zu Möbius. Dies wird durch die sehr wenigen Redeanteile der beiden gezeigt. Außerdem wenn einer der beiden Physiker redet, was nur selten passiert, fallen die Sätze auch oft kurz aus. Ein Beispiel für die Parataxen der Figuren Einstein und Newton ist: „Das war doch keine Lösung“ (Newton auf S.74) oder „Was wollen Sie damit sagen?“ (Einstein auf S.74). Die Unterlegenheit dieser beiden Figuren wird auch stark durch die Tatsache verdeutlicht, dass Möbius eine 16 Zeilen lange Rede zwischen den oben zitierten Sätzen von Newton und Einstein hält. Die Ansichten der beiden Physiker sind auch sehr verschieden im Gegensatz zu der von Möbius. Newton glaubt, dass der Physiker keinerlei Verantwortung übernehmen müsse. Einstein glaubt weiterhin, dass der Staat die Verantwortung übernehmen müsse. Mit der Tatsache, dass Newton und Einstein Möbius unterlegen sind, möchte Dürrenmatt zeigen, dass die Sichtweisen der beiden falsch, oder schlecht sind. Damit bekräftigt er automatisch seine These „Was alle angeht, können nur alle lösen“.
Letztlich haben die drei Figuren ein gespaltenes doch in mancher Hinsicht verbundenes Verhältnis nach dem Wendepunkt in dem Physikermahl. Einerseits sind die Physiker unmittelbar nach dem Wendepunkt sehr gespalten. Möbius hat das Begehren von Newton und Einstein, die Manuskripte, verbrannt und alle drei Physiker haben verschiedene Ansichten über die Verantwortung der Wissenschaft und wer sie übernehmen sollte. Außerdem versucht Möbius die anderen beiden dazu zu überzeugen, dass sie für immer mit ihm in der Anstalt bleiben. Am Ende der Szene stimmen Newton und Einstein aber zu und sie trinken auf ihre toten Krankenschwestern. Dies zeigt, dass die Physiker doch in einer Hinsicht verbunden sind und ein, wenn auch nur mildes, freundschaftliches Verhältnis zueinander haben. Das Einstimmen von Newton und Einstein soll weiterhin betonen, dass Möbius die dominante Figur in der Szene ist. Dies zeigt deshalb, dass auch Möbius Ansicht die dominanteste und auch beste Ansicht ist. Darum betont Dürrenmatt, dass alle Menschen, also auch die Physiker die Verantwortung der Wissenschaft tragen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Dürrenmatt mit der Szene des Physikermahls betonen will, dass die Verantwortung für die Wissenschaft von jedem, also auch von dem Physiker, getragen werden muss. Er erreicht dies, indem er Möbius nach dem Wendepunkt der Szene als dominante Figur darstellt und deshalb seine Sichtweise als die Stärkste und Beste aussehen lässt.