Hintergrund von „Willkommen und Abschied“
Goethe führte als 21-Jähriger eine etwa eineinhalbjährige, intensive Beziehung zur Pfarrerstochter Friederike Brion aus Sessenheim (bei Straßburg). Später entschied sich Goethe für den Abbruch der Beziehung, weil sie nicht dem gesellschaftlichen Stand entsprach, aus dem Goethe stammte. Die Verliebtheit Goethes, seine wechselhaften Höhen und Tiefen, werden in den Gedichten aus seiner Sturm- und Drang-Zeit deutlich und werden später unter dem Titel „Sessenheimer Lieder“ publiziert.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht oder das zur Gattung des Liebesliedes gehörende „Willkommen und Abschied“ wurde von Johann Wolfgang von Goethe geschrieben und erschien erstmals 1775 ohne Titel in der Werkausgabe, 1789 wurde dann die vollständige Version mit Titel veröffentlicht. Lyrik zu dieser Zeit kann der Epoche des „Sturm und Drangs“ zugeordnet werden, die sich zeitlich etwa von 1767-1785 vollzieht. In dem Gedicht geht es um ein lyrisches Ich welches sich mit seiner Geliebten trifft und sie dann wieder verlassen muss. Anfangs wird der Weg zu hin, durch einen tiefen Wald beschrieben, dann folgt das Willkommen und danach müssen sie sich verabschieden, es folgt der also der Abschied. So setzt sich der Titel mit dem Inhalt in Verbindung. Durch viele stilistische Mittel, einen wechselnden Rhythmus, Wortwahl und Metrum1 wird erst die Traurigkeit des lyrischen Ichs dargestellt, dann seine Freude und abschließend wieder seiner Trauer des Abschieds dargestellt und verdeutlicht. So soll gezeigt werden das Liebe sowohl Freude als auch Schmerz, also komplette Gegenteile beinhaltet.
Das Gedicht ist vierstrophig, jede Strophe enthält 8 Verse, es gibt also gesamtfassend 32 Verse. Die Reimform ist durchgehend im Kreuzreim, der Vermaß/Metrum ist ein 4-hebiger Jambus, wo jeweils betonte Wörter auf unbetonte folgen. Die Kadenzen2 sind abwechselnd weiblich dann männlich. Es gibt einige Enjambements3 und die Zeitform ist durchgehend in der Vergangenheit. Am Anfang des Gedichts, aus der Perspektive, des lyrischen Ichs, eines Jünglings wird seine aufgewühlte Stimmung beschrieben. Er reitet durch eine gruselige Nachtlandschaft. Der Rhythmus gleicht einem Rittrhythmus. Der angstbereitende Wald wird vom lyrischen Ich mit vielen Personifikation und Anaphern4 ausgeschmückt. Er sieht in Bäumen Figuren, „im Nebelkleid die Eiche“ (V. 5) oder die „Finsternis aus dem Gesträuche mit hundert schwarzen Augen sah“ (V. 7-8), er fühlt sich unwohl und seine Gedanken formen den Wald lebendig. Er übertreibt „hundert schwarze Augen“ (V. 8), verwendet also Hyperbeln5. Die Anapher am Anfang „Es schlug mein Herz, (…) /Es war getan (…)“ (V. 1-2), wirkt also würde er stottern, als wäre er gerade flüchtig und verboten, heimlich aufgebrochen um seine Geliebte zu Treffen. In der zweiten Strophe folgen viele Wörter aus dem Wortfeld der Angst wie „kläglich“ (V. 10), „schauerlich“ (V. 12) und „Ungeheuer“ (V. 13), seine Stimmung wird bestimmt von diesen negativen Emotionen. Erst in Vers 14 folgt die Wendung, er beschreibt mit einer Alliteration seinen Mut „frisch und fröhlich war mein Mut“ und stottert danach Anaphern, die gleichzeitig Ellipse6 und Parallelismus sind „In meinen Adern welches Feuer!/In meinem Herzen welche Glut!“ (V. 15-16), es scheint als sei ihm aufgrund der bevorstehenden Begegnung der Atem verschlagen und er wüsste nicht mehr, wie er seine Sätze ordnen soll. In der dritten Strophe beginnt dann die Begegnung mit seiner Liebe. Alles wird viel rhythmischer und langsamer. Die Worte gleiten mehr mit verwendeten Binnenreimen „Dich sah ich“ (V. 17), und er personifiziert wieder seine Gefühle „(…) milde Freude/floss von deinem süßen Blick(…)“ (V. 17-18). Seine Wortwahl zentriert sich jetzt auf beschönigende, euphemistische Wörter und Symbole aus dem Wortfeld der Liebe, wie „rosenfarbnes Frühlingswetter“ (V. 21). Er benutzt Diminutive7 um seine Angebetete zu beschreiben „liebliche Gesicht“ (V. 22) und alles dreht sich um das lyrische Ich und sie, es reihen sich viele Possessivpronomen aneinander „(…) mein Herz“ (V. 19), „Und jeder Atemzug für dich“ (V. 20) und „(…) Zärtlichkeit für mich (…)“ (V. 23). Seine überströmenden Gefühle zeigen sich außerdem mit Exklamatien8. In der letzten Strophe zeigt sich nun wieder der Wandel zu traurigen Gefühlen, der Abschied naht. Sein Herz „verengt“ (V. 26) sich eine Metapher9 für Schmerz. Der Rhythmus wird wieder schneller und Anaphern, wie in der ersten Strophe zeigen negative Gefühle „Und doch (…)/Und Lieben (…) (V. 31-32). Am Ende zieht das lyrische Ich ein Fazit, was die Deutungshypothese noch einmal bestätigt und veranschaulicht, „Und doch welch Glück geliebt zu werden!/Und lieben, Götter, welch ein Glück“ (V. 31-32).
Liebe wird also, als Moral des Gedichts, als gegensätzliches Gefühl beschrieben welches Freude und Schmerz mit sich zieht. Außerdem enthält das Liebeslied, viele Emotionen, die das lyrische Ich durch zahlreiche Personifikationen10, persönliche Bezüge mit Possessivpronomen, Parallelismen, Hyperbeln und Euphemismen11 darstellt, sowohl auch das Überströmen der Gefühle mit Anaphern und Alliterationen12. Solche Gedichte mit raschen Gefühlsänderungen und der starken Präsenz von Emotionen sind typisch für die Epoche des Sturm und Drangs. Meist ist das Ende in Ekstase und Handlungen werden oft verboten vollzogen, das lyrische Ich ist oft Held geprägt von Freiheitsdrang, auch die Natur spielt eine große Rolle. Der Rittrhythmus ist typisch für diese Epoche, ebenso das Erwähnen von Schöpfungskräften, wie der Götter, prägt den Sturm und Drang als Geniegedanken. Die Deutungshypothese bestätigt sich also vollends.