Hintergrund von „Willkommen und Abschied“
Goethe führte als 21-Jähriger eine etwa eineinhalbjährige, intensive Beziehung zur Pfarrerstochter Friederike Brion aus Sessenheim (bei Straßburg). Später entschied sich Goethe für den Abbruch der Beziehung, weil sie nicht dem gesellschaftlichen Stand entsprach, aus dem Goethe stammte. Die Verliebtheit Goethes, seine wechselhaften Höhen und Tiefen, werden in den Gedichten aus seiner Sturm- und Drang-Zeit deutlich und werden später unter dem Titel „Sessenheimer Lieder“ publiziert.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Bei dem Text „Willkommen und Abschied“ handelt es sich um ein Gedicht von Johann Wolfgang Goethe aus dem Jahre 1789.
Ich verstehe es als Liebesgedicht, welches zum Teil traurig aber auch fröhlich ist. Genauer gesagt handelt es sich um einen Mann, was sich zumindest vermuten lässt, da das Verhalten des lyrischen Ichs von der Rollenverteilung her nicht zu einer Frau aus der Zeit Goethes passt. Dieser nimmt eine lange Reise auf sich, um seine Geliebte zu sehen, doch schon am nächsten Tag muss er sie wieder verlassen.
Das Gedicht ist in einem einheitlichen Reimschema verfasst. Hierbei handelt es sich um einen Kreuzreim, der pro Strophe zweimal vorkommt. In allen vier Strophen zu je 8 Versen wird der Jambus als Metrum1 verwendet. In jedem Vers handelt es sich um vier Hebungen. Der formale Aufbau gestaltet sich also komplett regelmäßig.
In Vers 1 ist das lyrische Ich auf dem Weg zu seiner Liebsten. Er ist aufgeregt und freut sich auf seine Liebste. Es ist kurz vor dem Ziel, so wie es sich erhofft hatte was in Vers 2 deutlich wird, als es sagt: „eh' gedacht“. Es ist Abend und es dämmert bereits. In Vers 4 wird beschrieben, dass die Berge bereits nicht mehr von der Dunkelheit zu unterscheiden sind. Das lyrische Ich fühlt sich beobachtet. Dies äußert es in Vers 7 und 8, indem es sagt: „Wo Finsternis aus dem Gesträuche, Mit hundert schwarzen Augen sah“. Man kann sagen, dass die erste Strophe lediglich die äußeren Umstände der Reise beschreibt. Es kommt durch Worte wie „Finsternis“ (Vers 7) oder „schwarze Augen“ (Vers 8) auf, was auch zu den äußeren Umständen passt, da das lyrische Ich durch die Nacht reist.
Zu Beginn der zweiten Strophe wird weiterhin die düstere Stimmung zum Ausdruck gebracht, indem der Autor den Mond, der kaum durch die Wolkendecke zu sehen ist (Vers 9-10), und das Säuseln und Pfeifen des Windes (Vers 11-12) darstellt. Auch in Vers 13 weckt der Ausdruck „Die Nacht schuf tausend Ungeheuer“ eine düstere Stimmung, doch im folgenden Vers (Vers 14) wird zum ersten Mal die Gefühlslage des lyrischen Ichs geschildert. Im Gedicht wird dieser Vers mit dem Wort „Doch“ (Vers 14) eingeleitet, wobei die entgegensetzende Konjunktion „Doch“ den inhaltlichen Sprung von äußeren Umständen zur Gefühlslage noch einmal unterstreicht. Das lyrische Ich ist frischen und frohen Mutes, weil es ein Ziel hat das es um jeden Preis erreichen will: seine Geliebte. Durch eine Alliteration2 im Vers („frisch und fröhlich [...]“) wird die Aussage des lyrischen Ichs bekräftigt. Durch eine Anapher3 in den Versen 15 („In meinen Adern welches Feuer!“) und 16 („In Meinem Herzen welche Glut“) wird sehr gut deutlich gemacht wie stark der Wille und die Kraft, diesen zu erreichen, des lyrischen Ichs sind.
In dieser zweiten Strophe (Verse 9-16) ist auffällig, dass mit einem Mal fast mitten in der Strophe (Vers 13) nicht mehr der äußere Eindruck, sondern die Gefühlslage des lyrischen Ichs beschrieben wird. Auch wird diese Strophe von Bildern wie „Wolkenhügel“ (Vers 9), „Die Winde schwangen ihre Flügel.“ (Vers 11) oder „Die Nacht schuf tausend Ungeheuer“ (Vers 13) beherrscht.
Die dritte Strophe beginnt mit dem Zusammentreffen des Paares. So wird in den Versen 17 und 18 das Wechseln der ersten Blicke dargestellt. Die Freude der Frau springt auf das lyrische Ich über. Wie es durch den Ausdruck „[...] und die milde Freude floss von dem süßen Blick auf mich“ (Vers 17-18) deutlich wird. Die beiden Liebenden fühlen sich ganz miteinander verbunden, wie es in den Versen 19-20 deutlich wird. Das lyrische Ich ist verzaubert von dem Anblick seiner Geliebten (Verse 21-22). In den letzten beiden Versen der dritten Strophe wendet sich das lyrische Ich an die Götter und dankt ihnen, so geliebt zu werden. Er fühlt sich unwürdig solch eine hübsche Geliebte zu haben indem er sagt: „Ich hofft' es, ich verdient' es nicht“ (Vers 24).
Diese dritte Strophe steht im totalen Kontrast zu den ersten beiden Strophen: Wurden dort noch Worte wie „Finsternis“ (Vers 7), „schwarz“ (Vers8) oder „Nacht“ (Vers 13) und „tausend Ungeheuer“ (Vers 13) zum Ausdruck einer düsteren Stimmung genutzt, werden nun Worte wie „süßer Blick“ (Vers 18), „rosafarbnes Frühlingswetter“ (Vers 21) oder „Zärtlichkeit“ (Vers 23) verwendet um die fröhliche Stimmung, die das Wiedersehen des Paares umrahmt, zu Verdeutlichen.
In der vierten Strophe kommt es jedoch wieder zur Trennung der Beiden. Bereits die ersten Worte („Doch ach, [...]“) lassen darauf schließen, dass die Trennung dem lyrischen Ich sehr schmerzt. Die entgegensetzende Konjunktion „Doch“ macht deutlich, dass sich der Inhalt der folgenden Strophe stark von dem der vorangegangenen unterscheidet. Am frühen Morgen muss das lyrische Ich bereits wieder aufbrechen (Vers 25). Diese Trennung bricht dem lyrischen Ich beinahe das Herz, wie der Vers 26 zum Ausdruck bringt: „Verengt der Abschied mir das Herz“. Im folgenden Vers (Vers 27) schwärmt das lyrische Ich von den Küssen seiner Geliebten. Es sieht ihr den Schmerz der Trennung in den Augen an. Als das lyrische Ich dann seinen Weg antritt ist die Geliebte bestürzt und sieht zu Boden (Vers 29). In Vers 30 wird der Ausdruck „süßer Blick“ aus Vers 18 wieder aufgegriffen. Diesmal jedoch wird das Gegenteil verwendet, denn es wird beschrieben wie die Liebste des lyrischen Ichs diesem mit „nassem Blick“, also mit Tränen in den Augen, nachsieht. Zum Ende der vierten Strophe und des Gedichts wendet sich das lyrische Ich wie in Strophe drei an die Götter. Trotz des Abschiedes ist es den Göttern gegenüber fröhlich und freut sich darüber geliebt zu werden und lieben zu dürfen. Dies äußert er in dem meiner Meinung nach wichtigsten Satz des Gedichts: „Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück!“ (Verse 31-32). Diese beiden Verse stecken voller Emotionen und voller Dankbarkeit.
Auch in der vierten Strophe wird eine fröhlich klingende Wortwahl bevorzugt, aber es entsteht trotzdem eine traurige Stimmung, welche durch die Bedeutung der Worte im Kontext und nicht durch deren einzelne Bedeutung. Ausgenommen von dieser Stimmung sind jedoch aus den eben genannten Gründen die letzten beiden Verse des Gedichts (Vers 31-32).
Meine anfangs formulierte Deutungshypothese ist noch zu präzisieren, denn die traurige Stimmung nimmt eine deutlich wichtigere Stellung ein, denn von ihr sind de beiden letzten Verse abzuleiten. Des Weiteren schmerzt der Abschied dem lyrischen Ich viel weniger als seiner Geliebten. Zu Beginn habe ich auch vergessen die äußeren Umstände zu erwähnen, obwohl sie eine doch relativ sehr wichtige Bedeutung haben, denn sie unterstreichen noch einmal den großen Willen und die charakterliche Größe und Stärke des lyrischen Ichs.
Mir persönlich gefällt das Gedicht sehr gut, jedoch würde ich den Kontrast zwischen den ersten und letzten beiden Strophen noch deutlicher machen, zum Beispiel durch einen Wechsel des Reimschemas oder des Metrums. Gut gefällt mir die Wortwahl Goethes. Er wählt präzise und treffende Begriffe um die Stimmung in den einzelnen Strophen zum Ausdruck zu bringen. Was mir aber nicht so gut gefällt ist der inhaltliche Sprung von Vers 13 zu 14, denn das Gedicht ist ansonsten in absolut regelmäßiger Form verfasst.