Gedicht: Willkommen und Abschied / Es schlug mein Herz (1789)
Autor/in: Johann Wolfgang von GoetheEpoche: Sturm und Drang / Geniezeit
Strophen: 4, Verse: 32
Verse pro Strophe: 1-8, 2-8, 3-8, 4-8
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! | ||
Es war getan fast eh gedacht; | ||
Der Abend wiegte schon die Erde | ||
Und an den Bergen hing die Nacht | ||
Schon stand im Nebelkleid die Eiche | ||
Ein aufgetürmter Riese, da, | ||
Wo Finsternis aus dem Gesträuche | ||
Mit hundert schwarzen Augen sah. | ||
Der Mond von einem Wolkenhügel | ||
Sah kläglich aus dem Duft hervor; | ||
Die winde schwangen leise Flügel | ||
Umsausten schauerlich mein Ohr | ||
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer | ||
Doch frisch und fröhlich war mein Mut | ||
In meinen Adern welches Feuer! | ||
In meinen Herzen welche Glut! | ||
Dich sah ich, und die milde Freude | ||
Floß von dem süßen Blick auf mich; | ||
Ganz war mein Herz an deiner Seite | ||
Und jeder Atemzug für dich. | ||
Ein rosafarbenes Frühlingswetter | ||
Umgab das liebliche Gesicht, | ||
Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter! | ||
Ich hofft es, ich verdient es nicht! | ||
Doch, ach schon mit der Morgensonne | ||
Verengt der Abschied mir das Herz | ||
In deinen Küssen welche Wonne! | ||
In deinem Auge welcher Schmerz! | ||
Ich ging und du standst und sahst zu Erden | ||
Und sahst mir nach mit nassen Blick: | ||
Und doch welch Glück geliebt zu werden! | ||
Und lieben, Götter, welch ein Glück! |
Es handelt sich bei diesem Text aus dem Jahr 1789 um die sog. Spätfassung. Es unterscheidet sich von der sog. Frühfassung (damals noch unter dem Titel „Willkomm und Abschied“) aus dem Jahr 1771 im Wesentlichen darin, dass in der letzten Strophe das lyrische Ich Abschied von der Geliebten nimmt, während in der Frühfassung noch die Geliebte die aktive Rolle hat und das lyrische Ich zurücklässt.