Drama: Das Parfum / Die Geschichte eines Mörders (1985)
Autor/in: Patrick SüskindEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Romantik im Parfüm – Eine Reflexion über die romantischen Bezüge im postmodernen Roman „Das Parfüm“.
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Analyse und Erörterung
Der Roman Das Parfüm von Patrick Süskind wurde 1985 veröffentlicht und ist somit als postmodernes Werk einzuordnen. Doch nicht nur die Handlung spielt in früheren Zeiten; es gibt viele für die Romantik typische Züge im Buch zu entdecken. Diese stellen einen Bezug zwischen dem postmodernen Roman und dem Zeitalter der Romantik, welches vom Ende des 18. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert reicht, her.
Im folgenden Text werden die romantischen Elemente des Werks dargelegt.
Jean-Baptiste Grenouilles geniale Riechfähigkeit ist nicht nur außerordentlich, sondern regelrecht übernatürlich. Auch das Fehlen seines menschlichen Eigengeruchs ist nicht realistisch. Viele Elemente der Handlung spielen in der Wirklichkeit. Doch einige, wie die beiden oben genannten Beispiele, sind phantastisch und unwirklich. Die Geschichte spielt somit in zwei Ebenen: Einerseits in der Realität und andererseits in der Fantasie, was sehr typisch ist für die Romantik. Dieses Spiel zwischen wirklich und unwirklich stellt eine Art Weltflucht dar. Viele Romantiker flüchteten sich vor der Wirklichkeit in eine Art Phantasiewelt, wo sie ihre Kreativität ausleben konnten. Das Parfüm lässt einen ebenfalls in solch eine Welt eintauchen. Auch der Hauptcharakter der Geschichte, Grenouille, flüchtet einige Jahre in eine dunkle Höhle oder vielmehr in seine Innere Duft-Welt, wo er der schöpfende und allmächtige Gott der Düfte ist.
In der Wirklichkeit des Romans wird Grenouille jedoch nicht als göttliche Gestalt betrachtet. Im Gegenteil: Viele Charaktere erkennen in ihm ein teuflisches Wesen, da er nach nichts riecht. Das Fehlen seines Geruchs als teuflisch zu betrachten, ist ebenfalls eine romantische Idee. Ähnlich wie in Adalbert von Chamissos romantischen Werk Peter Schlemihl der Schatten des Hauptcharakters fehlt, ist es hier der Duft Grenouilles. Auch in Peter Schlemihl wird diese Tatsache als diabolisch bewertet, was aus dem Mittelalter stammen könnte. Dieses Zeitalter wurde von vielen Romantikern als Idealbild verherrlicht.
Die übernatürliche Welt hat ihren Weg somit in das Parfüm gefunden, was wiederum einen Bezug zur Romantik schafft, da damals Spiritualität einen hohen Stellenwert besaß.
Dass Grenouille sich selbst als Gott betrachtet und im Gegensatz dazu von der Welt als teuflisches Wesen empfunden wird, demonstriert eine gewisse Ambivalenz, welche sich auch darin äußert, dass der Besitzer der weltbesten Nase keinen Eigengeruch besitzt. Zudem ist Grenouille verzweifelt auf der Suche nach einem von Menschengestank freien Ort, obwohl er sich gleichzeitig genau solch einen eigenen Menschengestank ersehnt. All diese Widersprüche in Grenouilles Natur verdeutlichen seine innere Zerrissenheit, welche ihn fortwährend dazu treibt, seine eigene Identität zu suchen. Diese Suche nach dem Selbst und die Individualität und Identität als zentrale Themen sind in der Romantik tief verankert. Innerhalb der ganzen Industrialisierung und Bildung der Großstädte versuchten die Romantiker, die Bedeutung des einzelnen Individuums aufrecht zu erhalten.
Doch besitzt Grenouille überhaupt eine Identität? Nach seiner eigenen Definition nicht, denn Grenouille beschränkt den Wert einer Sache oder Person auf ihren Geruch. Dass er keinen Eigengeruch besitzt, weckt in ihm eine grundlegende Sehnsucht. Ebendiese zu stillen ist der Sinn seines Lebens. Er lässt sich von dieser Sehnsucht treiben, genau wie es in der Romantik weit verbreitet ist. Romantiker leben für ihre Sehnsucht. Es geht in der Romantik darum, der Sehnsucht und den Gefühlen grenzenlos freien Lauf zu lassen. Nicht selten wurde dabei die Grenze zum Wahnsinn überschritten, was bei Grenouille definitiv der Fall ist. Die 26 Morde, welche er kaltblütig an jungen Frauen verübt hat, um sein perfektes Parfum herzustellen, offenbaren seine psychischen Probleme, mit welchen man sich in der Romantik vermehrt beschäftigt hat.
Die Mädchenmorde verleihen dem Roman etwas Unheimliches. Die Schlussszene mit dem kannibalistischen Akt und Jean-Baptiste Grenouilles Art an sich unterstützen dieses Dunkle, Mystische, Unheimliche, was Teil des Wesens der Romantik ist. Der Friedhof und die Höhle, in welcher Grenouille einige Jahre auf seiner Reise verbracht hat, sind weitere, etwas mystisch angehauchte Schauplätze der Romantik.
In seiner schaurigen Höhle hat Grenouille sieben Jahre Pause gemacht von der Wanderschaft. Ansonsten war er oft unterwegs. Er zog von Paris über den Plomb du Cantal durch Montpellier nach Grasse und besuchte noch verschiedene weitere Orte Frankreichs. Diese Wanderschaft symbolisiert Grenouilles Rastlosigkeit, welche er auf seiner Selbstsuche durchlebt. Das Wandern ist ein romantisches Symbol. Die Wanderschaft wurde von den Romantikern verherrlicht, da sie eine Art Prozess verkörpert, der einen näher zu sich selbst und zur Natur bringt. Auch die Sehnsucht nach der Rückkehr zur Natur ist eine Gegenbewegung zur
Industrialisierung, da der Romantiker weit weg von den lauten Maschinen und geschäftigen Fabriken zurück zum Ursprung strebte, um sich ungestört seinen Gefühlen hinzugeben. Grenouille geht es ähnlich. Er sucht einen Ort, der von Menschen- und anderen störenden Gerüchen frei ist, um ungestört in seiner Phantasiewelt zu schwelgen.
Im Buch das Parfüm sind alle wichtigen Wesenszüge der Romantik vorzufinden. Selbstreflexion, Weltflucht, Vorherrschaft der Gefühle und Phantasie spielen eine Rolle und werden durch die Wanderschaft, Mystik und das Übernatürliche unterstützt. Doch auch die Merkmale der Postmoderne sind vorhanden. Der Roman vereint somit einen romantischen Wind mit postmoderner Frische und wurde damit zum internationalen Bestseller.