Drama: Das Parfum / Die Geschichte eines Mörders (1985)
Autor/in: Patrick SüskindEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Analyse und Erörterung
Trotz der Entwicklung seines absoluten Parfums scheitert Grenouille daran, dass er grundsätzliche menschliche Eigenschaften nicht entwickeln kann. Erörtere diese These.
Der Roman „das Parfum“ von Patrick Süßkind aus dem Jahr 1985, erzählt die Geschichte des Geruchsgenies Jean Baptiste-Grenouille. Dieser hat die Fähigkeit Gerüche jeglicher Art zu analysieren und zu speichern, besitzt jedoch keinen Eigengeruch. Um sein Lebensziel, die Erschaffung eines absoluten Parfums, zu erreichen, wird er zum Mörder von 25 jungen Mädchen. Trotz der Entwicklung dieses raffinierten Parfums scheitert Grenouille daran, dass er grundsätzliche menschliche Eigenschaften nicht entwickeln kann, was ich im Folgenden erörtern werde.
Grenouille wird am 17. Juli 1738 „am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs“ (S. 7), in Paris, geboren. Da seine Mutter wegen Kindesmord hingerichtet wurde, wird er von Amtswegen einer Amme überlassen (S. 11), welche bereits schnell merkt, dass etwas mit ihm nicht stimmt (Kapitel 2): „Er riecht überhaupt nicht.“ (S. 114). Doch Grenouilles fehlender Eigengeruch ist nur eine der vielen menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, die Grenouille zu fehlen scheinen. So kann er beispielsweise keinem anderen Menschen Liebe entgegenbringen („Und plötzlich wusste er, dass er nie in der Liebe, sondern immer nur im Hass Befriedigung fände“, S. 306), („denn er selbst liebte sie nicht, er hasste sie.“, S. 305). Durch sein vollkommen fehlendes Moralgefühl, besonders beim Begehen der Mordserie an 25 Mädchen, die im Mord der Laure Richies gipfelt, wird er häufig als „vom Teufel besessen“ (S. 14) beschrieben. Aber auch andere, typische menschliche Entwicklungen, die üblicherweise im Kleinkindalter vollzogen werden, bleiben bei Grenouille aus, oder treten mit enormer Verzögerung auf. So beginnt er „erst mit drei Jahren (…) auf zwei Beinen zustehen“, und spricht „sein erstes Wort (…) mit vier“ (beide, S. 31). Er lebt zunächst in vollkommener Passivität und strebt nach keinerlei menschlichen Gefühlen. Erst nach dem Mord an dem „Mirabellen-Mädchen“ hat „sein Leben Sinn und Zweck und Ziel und höhere Bedeutung“ (S. 57) bekommen. Er erkennt sein Genie und hat nun das Ziel der Erschaffung des absoluten Parfüms vor Augen. Auf dem Weg dorthin stellt sich ihm jedoch nur eine einzige fehlende menschliche Eigenschaft (aus seiner Sicht) in den Weg: der fehlende Eigengeruch. Grenouilles Welt bezieht sich beinahe vollkommen auf das olfaktorische Reich der Gerüche. Die Entdeckung des fehlenden Eigengeruchs ist mit der „Angst, über sich selbst nicht Bescheid zu wissen“ (S. 175) und einer Identitätskrise, menschlichem Verhalten, verbunden, was gegen die These spricht. Um dem fehlenden Geruch Abhilfe zu schaffen, kreiert er sich selbst einen imitierten Menschenduft, nach dessen Aufträgen ihn „ein heftiges Gefühl von Stolz- daß er eine Wirkung auf die Menschen ausübt (...)“ überkommt. Auch sein Perfektionismus bei der Erfüllung seiner komplexen Pläne, auf die er jahrelang hinarbeitet, ist durchaus als menschliche Eigenschaft zu werten. Besonders deutlich wird dies in den Lehrjahren bei Baldini, als er „lebensbedrohlich krank“ wurde (S. 130) „als er sich über sein Scheitern klargeworden war“ (S. 130). In Bezug auf Baldini ist jedoch noch ein weiterer Aspekt zu erkennen. Wenn Grenouille auch keinerlei Gefühle gegenüber Baldini aufbringen kann, findet dennoch eine Art zwischenmenschliche Symbiose statt (ebenso bei Marquis de Taillade-Espinasse). Dem Protagonisten sind also durchaus grundsätzliche menschliche Eigenschaften zuzusprechen. Dass jedoch das Abhandensein bestimmter menschlicher Eigenschaften aus der Sicht Grenouilles nicht der Grund des Scheiterns sind, wird dem Leser in Kapitel 49 vor Augen geführt. Nach der Entwicklung des raffiniertesten Parfums wird Grenouille zur Hinrichtung verurteilt. Hier „erlebt (...) (er) den größten Triumph seines Lebens“ (S. 305), als er in eine nie dagewesene Aura, hervorgerufen durch sein absolutes Parfum, versetzt erstmals vor eine Menschenmenge tritt. Sein Parfum löst eine Umkehrung jeglicher Rationalität aus (vgl. S. 300-314). Die Menge ist sich plötzlich sicher, dass Grenouille nicht der Mörder sein kann und die Hinrichtungsfeier verwandelt sich in eine Massenorgie zu Ehren des „Großen Grenouille“ (S. 305), der zwar im Mittelpunkt steht, jedoch völlig unbeteiligt ist. Dieser jedoch erkennt nun, am Punkt der größten Macht, dass „er (...) keine Sekunde davon genießen“ kann (S. 305). Er erkennt erstmals, dass es nicht Macht war, nach der er „sein Leben lang gedürstet hatte“ (S. 305), sondern er sich einzig und allein „ersehnt hatte, daß nämlich die anderen Menschen ihn liebten“ (S. 305). In diesem Moment des Scheiterns ist der einzige Auslöser in dem Fehlen des Eigengeruchs zu erkennen, da dies der Grund ist, weshalb die Menschen Grenouille niemals wahrgenommen haben, ihm also auch keine Aufmerksamkeit oder Liebe entgegen bringen könnten. Auch mithilfe seines absoluten Parfums „nahmen (sie) von ihm nichts wahr, als seine angemaßte Aura, seine Duftmaske, sein geraubtes Parfum“ (S. 306). Der Fakt, dass sein einziger Wunsch, „sich einmal im Leben (zu) entäußern, (…) ein Mal im Leben (zu) sein wie andre Menschen auch und sich seines Innern entäußern“ (S. 306), ihm für immer verwehrt bleiben sollte, bricht den Überlebenswillen Grenouilles, der sich bis dahin wie ein roter Faden durch sein Leben gezogen hat. Daher entschließt er nach Paris den Ausgangspunkt seiner Reise zurückzukehren, um zu sterben. „Das Wunder war vorbei.“ (S. 311).
Zusammenfassend lässt sich also erkennen, dass die These nicht 100 prozentig schlüssig ist, da der einzige Grund des Scheiterns in der Anonymität, die durch den fehlenden Eigengeruch hervorgerufen ist, zu finden ist. Grenouille besitzt keinen Eigengeruch, in seinen Augen also, da seine Welt sich einzig und allein auf das olfaktorische bezieht, auch keine Identität. Die ersehnte Liebe soll jedoch ihm gegenüber hervorgebracht werden, und dem was er eigentlich ist, nicht seiner „künstlichen“ erzeugten Aura. Daher scheint es für Grenouille nach dem Moment des Scheiterns und der Anonymität keinen anderen Ausweg zu geben, als seinem Leben ein Ende zu setzten.