Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Analyse und Erörterung
In dem Roman „Das Parfum“, geschrieben von Patrik Süskind im Jahre 1985, geht es um das Leben eines geruchlich talentierten Mannes, Jean-Baptiste Grenouille. Er wird im 18. Jahrhundert in Paris geboren und wächst dort auf. Später zieht er in Frankreich herum und zieht sich unter anderem 7 Jahre in eine Höhle des Berges Plomb du Cantal zurück. Er tötet außerdem 26 junge Frauen und stellt aus den Körpergerüchen dieser Frauen ein außerordentliches Parfum her. Mit der Höhlenszene im Plomb du Cantal will Süskind die charakterliche Transformation Grenouilles vom Duftexperten zum Psychopathen, der sich für Gott hält, und damit den Wendepunkt im Roman markieren. Dies wird im Folgenden näher erläutert.
Süskind markiert den charakterlichen Wendepunkt von Grenouille in der Höhlenszene, indem er biblische Sprache benutzt. In der Höhlenszene kehrt Grenouille in sich und erschafft sein eigenes, perfektes Reich der Düfte. Grenouille „ging mit mächtigen Schritten über die brachen Fluren und säte Duft der verschiedensten Sorten“ (S. 161). Außerdem schreibt Süskind „Und der Große Grenouille sah, dass es gut war, sehr, sehr gut“ (S. 162).
Das Sähen der Düfte ist eine Anspielung auf die Erschaffung der Welt durch Gott, wie sie in der Bibel beschrieben wird. Am dritten Tage trennte Gott das Trockene vom Wasser und füllte das Land, welches trocken war, mit Pflanzen. Mit diesem biblischen Vergleich stellt sich Grenouille auf die Ebene von Gott. Er stellt sich mit Gott gleich und fühlt auch wie dieser. Dieses Gefühl hatte Grenouille aber noch nie zuvor im Roman. Er war in bestimmten Momenten sehr stolz auf sich und hat sich auch zuvor erregt gefühlt, jedoch hatte er noch nie dieses übermäßige Selbstvertrauen oder diese übermäßige Selbstverliebtheit. Die Alliteration1 „Große Grenouille“ zeigt auch, wie selbstverliebt dieser ist. Diese außerordentliche Selbstliebe und dieses außerordentliche Machtgefühl Grenouilles ist sehr wichtig für die folgenden Geschehnisse im Roman: Grenouille bringt 25 weitere junge Frauen um und verarbeitet diese in ein Parfum. Hätte Grenouille dieses Machtgefühl und das Gefühl, er wäre der ultimative Herrscher, nicht in der Höhlenszene erlangt, hätten die Morde zu einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden. Dies betont die Bedeutung dieses Teils des Romans.
Außerdem markiert Süskind den charakterlichen Wendepunkt von Grenouille in der Höhlenszene im Plomb du Cantal, indem er Metaphern2 für Grenouilles Seele benutzt. Er schreibt: „Diese wie in Blei gegossene Welt“ (S. 151) als Beschreibung für die menschenleere Umgebung des Plomb du Cantal. Diese Umgebung ist perfekt, deshalb ist sie wegen der Isolation von der Menschheit wie für ihn in Blei gegossen. „Blei“ könnte aber auch eine Metapher für seine, Grenouilles, vergiftete Seele sein. Blei, ein giftiges Metal für den Menschen, ist sehr schädlich, wenn nicht tödlich für einen Menschen. Dieses Blei hat Grenouilles Seele jetzt auch vergiftet und lässt ihn schlimme Taten, wie Morde, begehen. „Blei“ könnte eine Vorschau für die bevorstehende Wendung in Grenouilles Seele zum Psychopathen sein. Da der erste Mord, gegen Anfang der Geschichte, in den Hintergrund geraten ist, glaubt der Leser, Grenouille sei noch ein Genie und noch nicht „vergiftet“ oder wahnsinnig. Der Leser glaubt, dass Grenouille mit seinem Talent und seinem Genie wunderbare Dinge zustande bringen wird, und dass, wenn er sich überhaupt noch daran erinnert, der erste Mord ein Ausrutscher war. Durch die Höhlenszene wird er jedoch regelrecht vergiftet und begeht als Folge dessen die Morde.
Letztlich markiert Süskind den Wendepunkt in Grenouilles Charakter mit der Höhlenszene indem er den Menschenhass von Grenouille betont. Süskind schreibt: „Ein ungeheurer Jubel brach in ihm aus. So wie ein Schiffbrüchiger nach wochenlanger Irrfahrt die erste von Menschen bewohnte Insel ekstatisch begrüßt“ (S. 154). Grenouille jubelt, da er den menschenfernsten Ort im ganzen französischen Königreich gefunden hat und damit die komplette Isolation von allen Menschen gefunden hat. Die Menschenferne und Menschennähe wird in diesem Zitat geschickt mit einem Vergleich gegenüber gestellt, sodass der Leser die Banalität von Grenouilles Wunsch erfährt. Die Furcht und das Meiden von Menschen lässt darauf hinausschließen, dass Grenouille einen Menschenhass empfindet. Dieser ist jedoch erst zu diesem Zeitpunkt klar zum Vorschein gekommen. Dieser Menschenhass mag auch eine Vorschau für die späteren Handlungen Grenouilles sein. Später mordet er nämlich 25 junge Frauen. Der Menschenhass mag dabei nicht das hauptsächliche Motiv sein, sondern der Geruch der Frauen. Hätte Grenouille aber keinen Menschenhass, würde ihm das Morden viel schwerer fallen und ihn möglicherweise davon abhalten. Die Tatsache, dass Grenouille 7 Jahre in der Höhle in seinen Gedanken zurückgezogen, ohne jeglichen menschlichen Kontakt verbringt, wird seinen Menschenhass wiederum verstärken. Außerdem kann sich dieses Gefühl stark in ihn hinein sinken, sodass Grenouille nach der Höhlenszene einen ausgeprägteren und tiefsitzenderen Menschenhass besitzt als vor der Höhlenszene. Dies markiert einen charakterlichen Wendepunkt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Süskind mit der Höhlenszene den charakterlichen Wendepunkt von Grenouille markieren und erreichen will. Er tut dies, indem er biblische Sprache benutzt, um Grenouilles Machtgefühl zu zeigen und indem er Grenouilles vergiftete Seele mit der Hilfe von Metaphern zeigt. Letztlich erreicht er dies, indem er den Menschenhass Grenouilles mit Hilfe eines Vergleiches betont.