Drama: Emilia Galotti (1772)
Autor/in: Gotthold Ephraim LessingEpoche: Aufklärung
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Das bürgerliche Trauerspiel „Emilia Galotti“ wurde 1772 von Gotthold Ephraim Lessing auf Grundlage der Legende der römischen Jungfrau Virginia verfasst und handelt von dem Prinzen von Guastalla, einer fiktive1 oberitalienischen Residenzstadt, der ein unstillbares Begehren für die bürgerliche Emilia Galotti entwickelt und alles darum gibt, sie zu der Seinen zu machen, was zunächst dazu führt, dass ihr Geliebter ermordet wird und später auch dazu, dass sie sich selbst erdolcht, da sie jenes als letzten Ausweg sieht, der Bedrängnis des Prinzen zu entrinnen.
Lessings Werk ist in die Epoche der Aufklärung einzuordnen, die stark vom vorherrschenden Absolutismus geprägt ist. In der Epoche versucht das Bürgertum, sich seines Verstandes zu bedienen und sich aus der Unmündigkeit zu befreien. Das bürgerliche Trauerspiel ist dadurch gekennzeichnet, dass es dem Bürgertum die protagonistische Rolle zuschreibt und nicht, wie in der klassischen Tragödie üblich, dem Adel.
So thematisiert Lessing in „Emilia Galotti“ vor allem den Antagonismus zwischen den willkürlich herrschenden, egoistischen Adel und dem von festgefahrenen Tugenden und Moralprinzipien geprägten Bürgertum.
Die vorliegende Szene wurde dem fünften Auszug entnommen und hat ihren Schauplatz bei Dosalo, im Lustschloss des Prinzen.
Nach dem pyramidalen Aufbau eines klassischen Dramas nach Gustav Freytag lässt sich die Szene, kurz vor der Katastrophe, in die fallende Handlung, nach dem retardierenden Moment, einordnen.
Die zu analysierende Szene ist der vierte Auftritt des fünften Aktes und sie besteht aus einem reinen Monolog Odoardos, des Vaters der Protagonistin Emilia Galotti.
Odoardo hält diesen, nachdem er im Gespräch mit dem Kammerherrn des Prinzen, Marchese Marinelli, erfahren hatte, dass man seine Tochter zurück nach Guastalla bringen wolle.
Der Monolog läuft unvermeidlich auf das Ende des Trauerspiels zu, an dem Emilia ihren Vater dazu bringt sie zu erdolchen, da sie es als letzten Ausweg sieht, der Bedrängnis des Prinzen zu entkommen und dabei ihre Unschuld und ihre Tugenden zu bewahren.
Die zu analysierende Szene beginnt mit einer Reihe rhetorischer Fragen wie „Wer darf das? - Der hier alles darf, was er will?“ (Z. 30), die sich Odoardo Galotti stellt. Die zitierten Fragen verdeutlichen, dass Odoardo der Ansicht ist, dass nicht einmal der Adel das Recht habe, einfach so zu entscheiden, wie er wolle. Emilia Vater ist sichtlich aufgebracht darüber, dass der Prinz und sein Kammerherr Emilia einfach gegen seinen Willen nach Guastalla bringen wollen. Er spricht die indirekte Drohung „[g] ut, gut; so soll er sehen, wie viel auch ich darf, ob ich es nicht schon dürfte“ (Z. 30-32) aus, die seine Wut gegen den Prinzen erneut akzentuiert. Die Beleidigung „[k]urzsichtiger Wüterich“ in der zweiunddreißigsten Zeile verdeutlicht, dass Odoardos Wut ihn auch seine Manieren verlieren lässt, da er den Adel beleidigt. Zudem entwickelt sich in Odoardo eine Rachsucht, worauf die Worte „[m]it dir will ich es wohl aufnehmen“ (Z. 32) schließen lassen.
Ein weiteres Merkmal seines Zornes stellen die kurzen, meist parataktischen Sätze, wie beispielsweise „Das weißt du nicht? Komm an! […] Aber sieh da!“ (Z. 34) dar.
In der fünfunddreißigsten Zeile erfolgt bei Odoardo ein emotionaler Bruch, der in der Erkenntnis „[…] schon wieder rennt der Zorn mit dem Verstande davon“ (Z. 35-36) gipfelt. An dieser Stelle wird der Vater Emilias ein wenig ruhiger. Er erkennt, dass doch erst etwas geschehen sein müsse, damit er sich darüber aufregen könne (Vgl. Z. 37). Mit den Worten „[w]as plaudert nicht eine Hofschranze“ (Z. 37) betont er, dass Marinelli ohnehin nicht der wäre, der solche Entscheidungen treffen könnte.
Des Weiteren ärgert sich Odoardo Galotti darüber, den Plan Marinellis bezüglich Emilia nicht zu Ende angehört haben, da er sich andernfalls jetzt auf eine Antwort gefasst machen könne (Vgl. S. 63 Z. 37 - S. 64 Z. 1).
Der Monolog endet damit, dass Odoardo sich mit den Worten „®uhig, alter Knabe, ruhig“ (Z. 3) versucht selbst zu beruhigen.
Die Szene ist in der Form eines Monologs verfasst, um dem Publikum die Gefühlslage Odoardos zu vermitteln. In der Szene wird deutlich wie sehr Emilia ihrem Vater am Herzen liegt und wie sehr er sie beschützen möchte. Des Weiteren kommen Odoardos Charaktereigenschaften zum Vorschein. Dieser ist sehr gläubig und, wenn es um seine Tugenden geht sehr starsinnig.
Sein Erscheinungsbild im vierten Auftritt des fünften Aktes akzentuiert, wie zornig er werden kann, wenn seine Tochter in Gefahr ist.
In der Szene wird deutlich, dass auch Odoardo seinen Respekt gegenüber dem Adel verlieren kann, wenn dieser seine Tochter bedrängt. Odoardos Charakter, der auch zuvor schon als sehr wechselhaft und impulsiv zu erkennen war, wird in dieser Szene noch einmal gefestigt.
In Konklusion ist die Szene sehr wichtig, um Odoardos Charakter besser nachvollziehen zu können und somit dient er auch als Grundlage um Odoardos Handlungen während der Katastrophe einordnen zu können.