Drama: Emilia Galotti (1772)
Autor/in: Gotthold Ephraim LessingEpoche: Aufklärung
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die vorliegende Szene stammt aus dem bürgerlichen Trauerspiel Emilia Galotti, das G. E. Lessing im Jahr 1772 verfasst hat. Es spielt im 17. Jahrhundert in einer oberitalienischen Residenzstadt. Das Drama handelt von dem Erstarken der bürgerlichen Werte und dem daraus entstehenden Konflikt mit dem Adel.
Das Drama handelt davon, dass sich ein Prinz in die bürgerliche und bereits mit einem anderen Mann verlobte Emilia verliebt hat und aufgrund dessen versucht sie für sich zu gewinnen. Um dies zu erreichen, entwickelt sein Kammerdiener einen Plan für ihn, wobei das Mädchen verhaftet werden soll und ihr Verlobter umgebracht wird. Nachdem dieser Plan bereits erfüllt wurde, befindet sich Emilia endlich mit dem Prinzen im Lustschloss. Die vorliegende Szene (III. 5) ist eine Redeszene zwischen dem Prinzen und Emilia, in der er versucht sie zu beruhigen (S. 48 Z. 31 bis S. 49 Z. 18) und sich wegen des Ereignisses in der Kirche entschuldigt (S. 49 Z. 19 bis S. 50 Z. 6). Da die bürgerliche Emilia ihr Leben lang dazu erzogen wurde tugendhaft zu bleiben, stellt sich in dieser Szene die Frage, ob Emilia den Ansprüchen ihrer Eltern trotz der intimen Situation mit dem Prinzen erfüllt.
Schon die ersten Worte des Prinzen zeigen seine unterwürfige Sprache gegenüber Emilia („Nun so ist alles wohl!“). Hier wird seine Listigkeit erkennbar, denn seine eigentliche Freude gilt nur der Tatsache, dass sich Emilia im Lustschloss befindet. Trotzdem ist nicht außer Acht zu lassen, dass er einen Aspekt seiner Beziehung zu Emilia zeigt, der darauf hindeutet, dass er sich Sorgen um sie macht. Diese Sprache wendet er vor allem an, um den „Helden“ zu spielen und Emilia zu beeindrucken, sodass sie ihre Tugendhaftigkeit aufgibt. Die Fragen, die Emilia hinsichtlich des Verbleibs und Zustands ihrer Eltern stellt und die ihre große Sorge um ihre Familie ausdrücken, unterstreichen wie unsicher, misstrauisch und kindisch Emilia ist. Dazu lässt sich feststellen, dass bei der Erziehung eines Bürgers sehr viel Wert auf die Verbundenheit mit dem Elternhaus gelegt wurde. Das darauffolgende Gespräch zwischen den beiden zeigt, dass Emilia bereits ahnt, dass sie Teil eines ausgeklügelten Plans ist. Dies lässt sich anhand der Textstelle, bei der sie hinterfragt, warum ihre Eltern nicht bei ihr sind, beweisen, denn sie entgegnet dem Prinzen direkt, dass er ihr etwas verheimlicht (vgl. Z. 10-11). Hier ist zu erkennen, dass Emilia ihren Tugenden treu bleiben will, da sie das Gefühl hat, dass sie, solange ihre Eltern anwesend sind, von Annäherungen seitens des Prinzen geschützt sei. Auf der anderen Seite kann auch unterstellt werden, dass Emilia nur sichergehen will, dass ihre Eltern nicht da sind, um beim Brechen ihrer Prinzipien nicht erwischt zu werden. Dieses Gefühl lässt sich anhand der Textstelle „Was soll ich tun“, an der sich zwei Eigenschaften einer bürgerlichen und adligen Frau entgegensetzen, erkennen: die Tugendhaftigkeit und die Klugheit. Diese Aussage offenbart Emilias Bereitschaft, ihre Tugenden unter Umständen aufzugeben. Jedoch wundert man sich, warum die aufopferungsvolle, manipulierbare und unentschlossene Emilia den ganzen Plan (von Marinelli und den Prinzen) durchschaut. Diese Frage ist auch ein Schritt nach vorne, da Emilia ihre Grenzen überschreitet, indem sie den Prinzen einen Vorwurf macht. Jedoch lässt sich erkennen, dass der Prinz sich erniedrigen lässt, indem er sehr charmant spricht und ihr zeigt, dass er ihr zwar theoretisch übergeordnet ist, praktisch aber nicht. Dies lässt sich auch durch seine körperliche Sprache erkennen, indem er sie aufhebt.
Die metaphorische und unterwürfige Sprache des Prinzen „Verzeihen Sie meiner Schwachheit“, „kommen Sie, wo Entzückungen auf Sie warten“ oder „kein Seufzer soll sie beleidigen“ unterstreichen den Willen des Prinzen, dass Emilia ihre Tugendhaftigkeit aufgibt. Dies versucht er zu erreichen, indem er demütig und um Gnade flehend über das Ereignis in der Kirche (sein Liebesgeständnis) spricht, um sie zu beeindrucken und vor allem um sie zu blenden. Dies ist wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass er gespürt hat, dass sie den ganzen Plan durchschaut.
Zusammenfassend versucht die bürgerliche Emilia den Plan zu durchschauen und geht sogar einen Schritt nach vorne, indem sie dem Prinzen einen Vorwurf macht. Dies versucht der Prinz aber zu kontern, indem er den Dialog zu dominieren beginnt und stattdessen über das Ereignis in der Kirche spricht, um sich als Opfer darzustellen, das einfach eine verlobte Frau liebt. Indirekt kritisiert aber G. E. Lessing die Tatsache, dass Adlige immer Angst davor hatten, dass die Bürger irgendwann auch alles durchschauen und verstehen und nicht einfach den Worten der Kirche blind folgen. Aufgrund dessen ist festzustellen, dass die vorherige Hypothese falsch ist.