Drama: Emilia Galotti (1772)
Autor/in: Gotthold Ephraim LessingEpoche: Aufklärung
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die vorliegende Szene stammt aus dem bürgerlichen Trauerspiel Emilia Galotti, das G.E. Lessing im Jahre 1772 verfasst hat. Es spielt im 17. Jahrhundert in einer oberitalienischen Residenzstadt. Das Drama handelt von dem Erstarken der bürgerlichen Werte und dem daraus entstehenden Konflikt mit dem Adel.
Bei der vorliegenden Redeszene handelt es sich um den siebten Auftritt des vierten Aufzugs. In dieser Szene befinden sich Odoardo, Emilias Vater und Orsina, die vorherige Mätresse des Prinzen im Lustschloss Dosalo des Prinzen, wobei Orsina Odoardo den Dolch gibt, um den Prinzen damit zu erstechen.
Dieser Textstelle ist vorausgegangen, dass Orsina die vorherige Mätresse des Prinzen ist. Der Prinz hat sie aber verlasst, da er sich in die bürgerliche Emilia verliebte. Hier fertigte er ein Komplott mir Marinellis Hilfe an, um sie zu bekommen, indem er ihren Verlobten Graf Appiani tötet und sie verhaftet. Nachdem Orsina diesen Plan durchschaut, agiert sie und gibt Odoardo den Dolch. Dieser Dolch wird aber im weiteren Verlauf der Handlung zu Emilias selbst gewählten Tod führen.
Der Auftritt ist deshalb von Bedeutung, da man sich im retardierenden Moment befindet und sich die Handlung mit erneuter Steigung der Spannung auf die Katastrophe hinzu entwickelt und hinterfragt, ob sich der Leser bzw. Zuschauer fragt, ob sich wirklich ein Bürger traut den Prinzen umzubringen.
Da die Analyse die adligen Orsina und des bürgerlichen Odoardo zusammenbringt, stellt sich die Frage, ob ihre Beziehung mit der Beziehung der Bürger und des Adels zur Zeit der Aufklärung übereinstimmt.
In diesem Gespräch will Orsina sich am Prinzen rächen, nachdem sie von dem Komplott erfahren hat. Ihre Strategie erkennt man schon an ihrer Gestik „[…] mit Mitleid betrachtet“, dass sie durch Anspielungen Odoardo auf ihre Seite gewinnen will. Ihre Worte „unglücklicher Mann“ oder „Wahrheit“, steigern Odoardos Neugier, welches man durch die ständigen Fragen erkennen kann. An dieser Stelle kann schon bereits gesagt werden, dass Odoardo von Orsina abhängig ist, da sie Wahrheiten weiß, die er erst noch herausfinden will. Ihre verschachtelten Sätze „Ich wollte treulich Schmerz und Wut mit Ihnen teilen“ bringen Odoardos Ausdruck zu unvollständigen Sätzen. Danach versucht Orsina Odoardo aufzuklären, dies erkennt man an ihren Aussagen „Denn auch Sie haben Verstand“. Diese philosophische Art des Redens bringt Odoardo nicht zum Nachdenken, sondern verstärkt seine Abhängigkeit von Orsina. Dies unterstricht er mit seiner Aussage „Was soll ich denken?“, wobei er seine Unwissenheit selbst offenbart und damit seine von Orsina abhängige Beziehung offenlegt. Sein Appell ist dann aber „sage mir jetzt die Wahrheit, ich will nicht nachdenken!“.
Nach langer Spannung und Neugier teilt Orsina dem Prinzen, den Überfall auf der Kutsche und die Verhaftung Emilias, mit. Odoardos Reaktion mit der Reihe von Ausrufen stellt seine Emotionen bzw. Gefühle dar, die er als Bürger im Gegensatz zu Orsina gar nicht zum Ausdruck bringen darf. Hier erkennt man aber die Wut gegen die Willkür des Prinzen. Doch die Tatsache, dass Orsina Odoardo erzählt hat, dass Emilia alles freiwillig gemacht hat, stellt eine Art Heuchlerei zwischen dem ersten und zweiten Teil dar. Dies liegt daran, dass sie die ganze Zeit am Anfang von der Wahrheit erzählt, ihn jetzt allerdings anlügt. Der Satz „Und recht gut, wenn es abgeredet worden, recht gut, wenn ihre Tochter freiwillig sich hierher gerettet“ selbst offenbart Orsinas Listigkeit, die sie als intelligente teilweise aufgeklärte Frau anwendet, um ihr Ziel zu erreichen. Dies zeigt den Beziehungsaspekt zwischen Orsina und Odoardo, welcher nur darauf basiert, dass jeder etwas von dem anderen verlangt. Zudem fordert Orsina, dass er den Prinzen umbringt, und gibt ihm sogar den Dolch. Dies beweist, dass Orsina vom Anfang das Gespräch mit dem Ziel geführt hat, Odoardo aufzufordern, den Prinzen zu töten.
Orsina führt mit ihrer Manipulation fort und versucht durch die Wir-Sprache Odoardos Situation mit ihrer zu vergleichen, um ihn zum Mord zu erregen. Auch die Tatsache, dass sie ihm sagt, dass Emilia irgendwann zu einer verlassenen Mätresse wird, soll dieses Gefühl anregen, sodass sie letztendlich ihr Ziel erreicht.
Nach tiefer Analyse muss zusammenfassend gesagt werden, dass G.E. Lessing hier starke Kritik an der Ständegesellschaft äußert. Orsina ist teilweise aufgeklärt, da sie indirekte Macht hat, weil sie sozusagen Odoardo manipulieren konnte. Im Gegensatz zu ihm ist sie aber unabhängig und lässt sich während der ganzen Handlung von niemandem beeinflussen, auch nicht von Marinelli, der selbst den Prinzen manipulieren konnte. Ausschlaggebend hat sie auch viel mehr Freiheit und nutzt diese auch, indem sie ihre Gefühle zum Ausdruck bringt. Jedoch wendet sie ihre Aufgeklärtheit, die eigentlich nach Emanzipation des Denkens aller Menschen strebt, an, um Odoardo zu manipulieren und ihr Ziel zu erreichen. Hier wird aber von der Ausbeutung der unteren Schicht geredet, da Orsina einfach nur ihr Ziel erreichen will, ohne Rücksicht auf das, was den Galottis passieren könnte, welches sich tatsächlich in dem späteren Mord Emilias widerspiegelt. Somit stellt Orsina das Sinnbild des Adels zur Zeit der Aufklärung dar, welches der Gegensatz zu bürgerlichen Idealen war.