Aufgabe 1: Analysieren und Interpretieren Sie das Gedicht „Natur und Kunst“.
Aufgabe 2: Das Gedicht ist ein typisches Gedicht der Klassik. Begründen Sie.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Aufgabe 1) Das Gedicht „Natur und Kunst“ wurde von Goethe 1800, also innerhalb der Weimarer Klassik verfasst. Es handelt von dem erreichen der Vollkommenheit.
In dem vorliegenden Gedicht wird von der Natur und der Kunst erzählt. Es wird erzählt, dass beide sich zu fliehen scheinen, jedoch zusammen gehören. Auch das lyrische Ich ist davon überzeugt. Aber der zweiten Strophe wird erwähnt, dass durch Anstrengung in der Kunst, die Natur wieder glühen kann. So wird es auch in der Bildung gesehen. Ungebundene Geister wollen großes erreichen, doch werden scheitern. Hingegen kann das Gesetz und die Beschränkung zum Ziel führen.
Das lyrische Ich ist also der Meinung, dass durch Disziplin und Einheit die Kunst wieder in Einklang mit der Natur sein soll.
Das Gedicht besteht aus zwei Quartetten und zwei Terzetten und ist somit ein Sonett1. Das Reimschema in den ersten beiden Strophen ist jeweils ein umarmender Reim, welches wieder auf die Einheit hinweist. Die letzten beide Terzette sind von einem verschränkten Reim geprägt, auch dieses symbolisiert einen gewissen Zusammenhalt. Durchzogen ist das gesamte Sonett mit dem Metrum2 eines fünf-hebigen Jambus. Beim Lesen verspürt der Leser einen angenehmen, erzählenden und ruhigen Rhythmus. Alle Verse enden einheitlich mit einer weiblichen Kadenz3.
Die erste Strophe beginnt direkt mit einer Personifikation4 (V. 1). Die Natur und Kunst werden somit auf die menschliche Ebene gehoben und das Verb „fliehen“ V. 1 verbildlicht. Es scheint also, dass beide Elemente nicht zusammenpassen oder nicht zusammen gehören. Diese Vorstellung wird jedoch in dem zweiten Vers durch eine Antithese5 widerlegt. Sie „haben sich... gefunden“ (V. 2) und gehören somit doch zueinander. Der „Widerwille“ (V. 3), den das lyrische Ich anfänglich anscheinend hatte, ist verflogen und ist somit von der Harmonie beider Elemente überzeugt. Es fühlt sich von beiden angezogen (V. 4), interessiert sich somit für das Zusammenspiel beider.
In Strophe zwei hebt das lyrische Ich die notwendige Disziplin durch die Worte „gilt“ (V. 5) und „abgemeßne Stunden“ (V. 6) und „Fleiß“ (V. 7) hervor. Die eben schon genannten Wörter „gilt“ und „abgemeßnen“ weisen auf eine Art Gesetz hin, welches in Vers 14 wieder aufgegriffen wird. Erst, nachdem der Mensch sich stundenlang mit der Kunst auseinander gesetzt hat, kann die Natur in der Personifikation in Vers 8 wieder „glühen“ (vgl. V. 8). Die Natur wird als Symbol für Harmonie und Ausgeglichenheit eingesetzt. Auf den Menschen bezogen könnte das bedeuten, dass er wieder im Einklang mit sich selbst ist, nachdem er fleißig war.
Dieses Bild von Natur und Kunst wird in der dritten und vierten Strophe auf die Bildung übertragen (V. 9). Wer sich nicht an gewisse Richtlinien hält, gilt als ungebundene® Geist.“ (V. 10). Mit „Geist“ (V. 10) meint das lyrische Ich den Menschen. So streben die Menschen nach einer „Vollendung reiner Höhe“ (V. 11). So werden diese aber nicht ohne Disziplin erreichen. Dieses wird in der letzten Strophe noch einmal verdeutlicht: „Wer Großes will“ (V. 12) (also die Vollendung reiner Höhe) muss fleißig sein (V. 12). Das Paradoxon6 am Ende des Gedichtes „das Gesetz nur kann uns Freiheit geben“ verwirrt beim ersten Lesen. Jedoch wird nach einer genaueren Analyse des Gedichtes klar, dass der Mensch sich an Richtlinien halten muss, um die Erkenntnis nach den richtigen Dingen überhaupt ergreifen zu können.
Die anfänglich erwähnte Deutungshypothese: „Das lyrische Ich ist also der Meinung, dass durch Disziplin und Einheit die Kunst wieder in Einklang mit der Natur sein soll“ wurde nur bedingt bestätigt. Zwar soll der Mensch sich an Gesetze halten und fleißig sein, aber dadurch möchte er selbst großes erreichen und nicht unbedingt die Kunst in den Einklang mit der Natur bringen.
Aufgabe 2) Sehen wir das Gedicht unter dem Gesichtspunkt, dass es in der Epoche der Weimarer Klassik verfasst wurde, wird einiges klar. Die Klassik steht für Harmonie und stützt sich auf alles Schöne, Wahre und Gute. Mensch und Natur sollen in Harmonie leben und als Einheit wahrgenommen werden. Das Reimschema des Gedichtes weist auf diese Einheit hin. In dem Gedicht wir in Zeile 8 die Natur ebenfalls erwähnt. Sie wurde als Ideal angesehen, weil sie geordnet ist und Willkür nicht vorkommt. Dieses soll laut dem Sonett in den Herzen des Menschen aufblühen. So war es ebenfalls in der Klassik. Es treffen viele Aussagen des Gedichtes auf die Klassik zu. Man merkte, dass die „ungebundenen Geister“ - des Sturm und Drangs (V. 10) die Vollkommenheit nicht erreichten. Angelehnt an die Antike wurde das Humanitätsideal vertreten. Die Menschen sollten durch sittliches Verhalten und mit Verstand ihre Ziele verfolgen und erreichen. Die Annahme, dass Natur und Kunst sich zu fliehen scheinen kam von Goethe selbst. In seiner Sturm-und-Drang-Zeit war er der Meinung, dass die Harmonie zwischen Natur und Kunst zerstört wurde. Erst als er mit dem alter reifte, begriff er, dass die Harmonie wieder in Einklang gebracht werden kann. Somit kann man annehmen, dass das lyrische Ich, Goethe selbst vertritt, da er sich ebenfalls mit Natur und Kunst auseinandersetzte (vgl. V. 3-4). Er schrieb dazu das Werk „Natur, Manier, Stil“.
Letztendlich kann man sagen, dass es ein typisches Gedicht für die Klassik ist, weil sich die Aussagen des Gedichtes mit denen der Klassik decken.