Roman: Der Sandmann (1816)
Autor/in: E. T. A. HoffmannEpoche: Romantik
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Im Folgenden gilt es, eine Charakterisierung der Figur „Clara“ zu entwickeln.
Die Figur „Clara“ stammt aus der Erzählung „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann aus dem Jahre 1817. Die Handlung und der Grundkern der ganzen Erzählung ist das plötzliche Auftauchen des Wetterglashändlers Giuseppe Coppola, welcher Nathanael an Kindheitserlebnisse mit dem „Sandmann“ erinnert.
Clara ist neben Nathanael die Protagonistin der Erzählung und spielt eine wichtige Rolle. Sie ist die Verlobte des Protagonisten „Nathanael“, die Schwester von Lothar und fungiert als Kontrahentin Nathanaels, in dem sie seine Illusion versucht zu bremsen.
Der Unterschied zu ihr und ihrem Verlobten besteht darin, dass sie den „Sandmann“, welchen sie von Nathanael erzählt bekommt, rational erläutert und nicht wie Nathanael es mit mystischen Mächten begründet.
Über ihre Lebensumstände kann man sagen, dass sie scheinbar nirgendwo tätig ist. Sie ist in der Erzählung mit Nathanael, dem jungen Studenten verlobt, lebt mit ihm und seiner Familie zusammen.
Um das Äußere Claras zu beschreiben, werden unterschiedliche Fremdwahrnehmungen aufgelistet. (S.22 ff.)
Der Erzähler beschreibt ihr Lächeln als hold, woraufhin die Meinung derer, die sich von Amts wegen auf Schönheit verstehen, folgt. Diese behaupten, dass Clara keineswegs für schön gelte. (S.22 Z.35)
Architekten loben – laut Erzähler- die Anatomie Claras, das heißt die reinen Verhältnisse ihres Wuchses. (S.22-23 Z.38-1)
Maler – so der Erzähler- seien der Auffassung, dass Clara nicht sinnlich sei und bewerten ihren Nacken, ihre Schultern und ihre Brust als beinahe keusch geformt, verliebten sich jedoch in das als „wunderbar“ beschriebene Magdalenenhaar. (S.23)
Ein Fantast vergleicht Claras Augen mit einem See von Ruisdael. Dichter und Maler führen diese Aussage fort, behaupten, dass ihr wunderbarer Blick ins Innere dringt und beschreiben Claras Lächeln als schwebend fein. (S.23 Z.5f.)
In dem zweiten Teil der Erzählung, als der Erzähler auftaucht, berichtet dieser über die lebenskräftige Fantasie des heiteren unbefangenen, kindischen Kindes mit einem tiefen weiblichen Gemüt, einen gar hellen, scharf sichtenden Verstand, dazu erwähnt er, dass sie eine schweigsame Natur sei. (S. 23 Z. 21-27)
Viele denken jedoch anders als der Erzähler und sind der Meinung, dass ihre Blicke und ihr feines Lächeln ironisch seien und sie ein kalter, gefühlloser, prosaischer Mensch sei. Im Kontrast zu Nathanael, welcher von der typischen (früh-) romantischen Denkweise der (Spät-) Aufklärung zuzuordnen, dies wird nochmal durch ihren Namen, welcher Klarheit bedeutet, untermauert.
Ihr Denken zeichnet sich durch Vernunft und Rationalität aus, denn im Gegensatz zu Nathanael, der behauptet, dass das, was er in seiner Kindheit erlebt hat, aufgrund mystischer Mächte geschehen ist, vermutet sie, dass der Sandmann eine bloße Vorstellung eines traumatischen Kindes sei.
Wenn man auf die zwei Beziehungen Claras eingeht, dann kann man sagen, dass ihr Bruder Lothar eine große Wirkung auf Clara hat und dass Clara seinen Worten glaubt, sich von ihm eines Besseren belehren lässt und sich ihm anvertraut, was ihre Gedanken über Nathanaels momentanen Zustand angeht. (Brief an Nathanael)
Ihre Beziehung verändert sich im weiteren Verlaufe der Erzählung. Am Anfang der Erzählung lieben die beiden sich unbekümmert, als Nathanael jedoch anfängt zu studieren, negativiert sich die Beziehung. Die Trübseligkeit vergeht wieder, als Nathanael nach Hause zurückkehrt. Nicht lange und die Beziehung geht in die Brüche, als Coppola auftritt und Nathanael in sein Trauma zurückgeworfen wird. Aufgrund seines Kindheitstraumas, schreibt dieser dann traurige, düstere Gedichte, welche Clara äußerst stören und langweilen.
Weil Clara von den Gedichten nicht begeistert ist, so wie Nathanael es gerne hätte, entsteht ein Konflikt zwischen den beiden, bzw. zwischen Claras rationaler Denkweise und Nathanaels sensibler und romantischer Denkweise.
Aufgrund des Konfliktes verschlechtert sich die Situation, es kommt zu einem Streit und Nathanael rennt beleidigt aus dem Raum. In dieser Szene erkennt man auch, dass Clara im Streit viel erwachsener reagiert als Nathanael, denn sie rennt nicht weg und stellt sich den Problemen.
Außerdem kann man anhand dieser Szene behaupten, dass Clara gegenüber Nathanael eine gewisse Mutterrolle übernimmt, welche in bestimmten Situationen erwachsen und vernünftig reagiert.
Desweitern kann man ihre Liebe ebenfalls als eine Art mütterliche Fürsorge ansehen, der Leser gewinnt den Eindruck als würde sie sich aufgrund eines Pflichtgefühls um ihn kümmern.
Diese mütterliche Fürsorge erkennt man in mehreren Szenen, zum Beispiel in ihrem Brief, als sie mit Hilfe von vermutlichen Ursachen versucht Nathanael die Angst zu nehmen und ebenso in der Szene mit den düsteren Gedichten, als Clara ihn sanft an ihren Busen drückt, in einem leisen Ton mit ihm spricht und ihm empfiehlt, die Märchen, die er liest, nicht mehr zu lesen.
Die Beziehung der beiden verschlechtert sich und Nathanael entfremdet sich immer mehr von ihr. Trotzdem kommt es aber zu einer Versöhnung der beiden nachdem Nathanael mit Olimpia abgeschlossen hat und von seinem Studiertort G. zurückkehrt, entscheiden die beiden sich sogar zu einer Heirat.
Die Tatsache, dass Clara nach der Olimpia Szene immer noch Gefühle für Nathanael hat, zeigt, wie groß ihre Liebe zu ihm ist und, dass sie Nathanael gewissermaßen einschätzen kann, also weiß, dass es ihr gleichgültig ist wie oft Nathanael vom Weg abkommt, immer zu ihr zurückfinden wird.
Claras Charakter wird dadurch deutlich, dass sie ihm trotz seiner Untreue vergibt und sogar dazu bereit ist, ihn zu heiraten.
Im Gegensatz zu ihrem Verlobten kann Clara zwischen Trug und Wahrheit klar unterscheiden und an größere Mächte glaubt sie nicht. Alle Illusionen haben für sie eine plausible Erklärung.
Sie sei heiteren unbefangenen Sinne erklärt sie ihm als Reaktion auf seinen Brief, welcher versehentlich an Clara adressiert war. Sie behauptet, dass alles, was er gesehen bzw. geschildert hat, alles „Entsetzliche und Schreckliche“, nur in seinem Inneren vorgegangen sei.
Clara ist sehr unbefangen, dementsprechend fallen ihr verschiedene Deutungsversuche ein, die mit Nathanaels Kindheitserlebnissen zu tun haben, jedoch begründet sie diese nie mit mystischen Mächten. Sie ist fest davon überzeugt, dass die Erzählungen ihres Verlobten bloße Phantasieprodukte sind.
Sie sei sehr gelassen und immer heiter, dass betont sie auch mehrmals in ihren Repliken und empfiehlt es öfter Nathanael. Es ist vermutlich eine ihrer Grundprinzipien, heiter zu sein.
Zudem empfiehlt sie Nathanael, sich offen den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Clara ist die offene Person in der Erzählung, sie lässt alles auf sich zukommen, ohne etwas Besonderes zu tun. Besondere Tätigkeiten übt sie auch nicht aus, sie ist unbekümmert auch in diesem Sinne. Sie richtet ihren Brief direkt an Nathanael und adressiert ihn mit Absicht an Nathanael, dieser schreibt statt Clara selbst dem Bruder.
Ein weiteres Persönlichkeitsmerkmal ist ihre Stärke. Selbst wenn sie zwischendurch einen kurzen Zusammenbruch erleidet und in Tränen ausbricht, kann man sagen, dass sie stärker ist als Nathanael. Sie hat einen festen Halt im Leben und ist stark genug um Nathanaels Stimmungsschwankungen und die Untreue zu verzeihen. Ebenfalls zeigt sie Stärke, indem sie dem Mystischen nicht verfällt und nicht an Märchen glaubt. Sie ist nicht leicht zu überzeugen und findet einen Weg, Situationen, die ihrer Denkweise nicht passen, zu rationalisieren, indem sie bestimmte Thesen aufstellt.
Ihr Verstand übertrifft ihre Emotionen, weswegen sie auch stärker ist als Nathanael der von seinen ganzen Emotionen geschwächt ist, so geschwächt, dass er am Ende Selbstmord begeht. Clara lässt sich nicht klein kriegen und rettet sich, selbst als Nathanael sie aus dem Turm stürzen wollte, hat sie sich ans Leben geklammert.
Sie ist ebenfalls stark genug, um ein neues Leben anfangen zu können, denn nach Nathanaels Tod heiratet sie, führt eine glückliche Ehe und hat zwei Kinder.
Als Fazit könnte man sagen, dass die Figur „Clara“ als Repräsentantin der Aufklärung eine wichtige Rolle spielt, um eine gewisse Balance herzustellen. Sie ist dem Nathanael mit ihrer Vernunft und Rationalität gewissermaßen überlegen.