Roman: Irrungen, Wirrungen (1887)
Autor/in: Theodor FontaneEpoche: Realismus
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem vorliegenden Auszug aus Theodor Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“ aus dem Jahre 1888 geht es um die unterschiedlichen Perspektiven auf eine unstandesgemäße Beziehung, was sich in einem Ausflug zeigt.
Die bürgerliche Näherin Lene ist seit wenigen Monaten mit dem adeligen Botho zusammen. Sie sind verliebt und treffen sich häufig, allerdings immer bei Lene in der angelegenen Gärtnerei. In dem vorliegenden Auszug aus dem elften Kapitel hingegen treffen sie sich das erste Mal außerhalb und unternehmen einen Ausflug nach „Hankels Ablage“. Obwohl dieser Ausflug gut beginnt, klappt die Stimmung am zweiten Tage, als Freunde von Botho mit ihren Mätressen hinzustoßen und Lene sieht, dass das Ende der Beziehung naht, da sie nicht in diese Gesellschaft passt. Kurz darauf erhält Botho einen Brief von seiner Mutter und wird durch die finanzielle Zwangslage seiner Familie zur Heirat gedrängt. Letztendlich beendet er die Beziehung zu Lene, um seine reiche Cousine zu heiraten.
Im ersten Abschnitt (S. 71 Z. 26 - S. 72 Z. 11) möchte Botho einen Strauß Blumen für Lene pflücken. Nach einer Weile trifft ihn Lene dabei und nachdem sie fertig sind, setzen sie sich auf eine Bank. Anschließend (S. 72 Z. 11 - S. 73 Z. 8) nennt Botho die verschiedenen Blumenarten, die Lene gepflückt hat. Lene wettet mit ihm, dass sie einen hübschen Strauß zusammenstellen kann. Im letzten Abschnitt (S. 73 Z. 8 - S. 73 Z. 36) sagt Botho, dass sie den Strauß mit ihrem Haar zusammenbinden solle. Lene lehnte diesen Vorschlag ab, weil sie glaubt, dass Botho dadurch auch mitgebunden wird. Das von Lene zitierte Sprichwort „Haar bindet“ wird als Metapher1 dafür verstanden, eine Beziehung dauerhaft zu etablieren.
Dieser Auszug zeigt, dass Lene starke Gefühle für Botho hat, jedoch ist sie unsicher wegen der sozialen Unterschiede und glaubt das Ende der Beziehung ist nah. Um diese Hypothese zu belegen, soll der vorliegende Auszug nun aspektorientiert analysiert werden. Dabei wird zunächst auf die Erzählweise, danach auf die Gestaltung der Figuren Botho und Lene eingegangen.
Der Erzähler in diesem Auszug wechselt. Das wird daran deutlich, dass man die Gedanken und Gefühle von Botho und Lene nicht erkennen kann. Dies erkennt man zum Beispiel an „Und sich niederbückend, suchte sie nach rechts und links“, denn es wird nur das Geschehene ohne Kommentar erwähnt. (S. 72 Z. 1 - Z. 9) ändert es sich zu einem auktorialen Erzähler. Es wird besonders deutlich, da es „Währenddem waren sie bis an seit Jahr und Tag bestehende Fischerhütte“ (S. 72 Z. 5ff) steht. Hier zeigt sich der Erzähler als allwissend, da er die Vergangenheit kennt. Durch diese Wahl wird die Umgebung der Szene deutlicher dargestellt und der Leser kann sich besser in sie hineinversetzen. Nachher gibt es wieder einen neutralen Erzähler (S. 72 Z. 10 - S. 73 Z. 30). An diesen Stellen gibt es ein Gespräch zwischen den beiden über Blumen ohne Kommentare vom Erzähler.
Ganz am Ende wechselt es wieder zu einem auktorialen Erzähler (S. 73 Z. 31-36). Die Gefühle von Botho werden sehr deutlich, denn „Er versuchte zu lachen“ (S. 73 Z. 31). Durch die Wahl des auktorialen Erzählers werden Bothos Gedanken über die Abhängigkeit von Lene deutlich dargestellt.
Nun zum sprachlichen Aspekt. Die Aufzählung „Das ist Ranunkel und das ist (...), unsere gute alte Butterblume“ (S. 72 Z. 13ff) zeigt Bothos Bildung. ER ist über die verschiedenen Blumenarten informiert. Seine Gesellschaftsklasse wird deutlich, denn Botho hat eine gute allgemeine Bildung. Die sozialen Unterschiede zwischen den beiden werden deutlich, indem Botho „Und nun lass sehen was du gepflückt hast. Ich glaube du weißt es selber nicht“ (S. 72 Z. 11f) sagt, denn dadurch wird deutlich, dass Botho Lene auch für eher ungebildet hält. Er selbst merkt die Unterschiede zwischen ihm und Lene. Das wird durch die rhetorische Frage „Die wirst du doch auch wohl gelten lassen?“ (S. 72 Z. 36) deutlich. Diese Frage wurde von Lene gestellt. Sie hat sich unechte Blumennamen ausgedacht und durch diese Frage fordert sie Botho auf, diese Namen zu akzeptieren.
Nachdem Lene Bothos Vorschlag, ihr Haar aufzubinden, abgelehnt hat, fragt Botho „Nein? Warum nicht?“ (S. 73 Z. 18). Diese Anapher2 zeigt Bothos Verwirrung. Die Vorstellung, dass sie abergläubig ist, scheint ihm nicht zu gefallen, da er von einem anderen Stand kommt. Auf diese Frage antwortet Lene mit der Metapher „Und wenn ich es um den Strauß binde, so bist du mitgebunden“ (S. 73 Z. 19ff). Diese Antwort verdeutlicht ihren Aberglauben. Jedoch zeigt es auch, dass sie unsicher ist. Die Zukunft der Beziehung mit Botho ist ungewiss und sie möchte ihn nicht mitbinden, weil sie unbewusst weiß, dass die Beziehung bald zu Ende geht. Wären diese Gedanken nicht im Kopf, hätte sie seinem Vorschlag zugestimmt. Trotzdem ist Botho hartnäckig und will, dass sie es mit dem Haar bindet (vgl. S. 73 Z. 25f). Dadurch, dass Lene starke Gefühle für Botho hat, hat sie ihr Glaube verlassen und den Strauß mit dem Haar gebunden (vgl. S. 73 Z. 28f) und sagt „Hier, nimm es. Nun bist du gebunden.“ (S. 73 Z. 30). Ihre Stimmung geht deutlich nach unten, dies wird durch die Benutzung von Ellipsen3 belegt. Sie scheint enttäuscht zu sein, dass Botho „gebunden“ ist. Man kann vermuten, dass sie sich selbst als eine Behinderung und Problem für sein Leben und seine Zukunft sieht. Sie liebt ihn sehr und möchte das Beste für ihn.
Meine eingangs aufgestellte Hypothese, dass Lene starke Gefühle für Botho hat, jedoch sich unsicher wegen der sozialen Unterschiede ist und glaubt das Ende der Beziehung ist nah, hat sich als richtig erwiesen. Dieser zeigt die Unsicherheit von Lene, aber trotzdem scheint ihre Liebe für Botho dominanter zu sein und deswegen hat sie am Ende, das was er wollte, gemacht.