Drama: Maria Stuart (1783-1799)
Autor/in: Friedrich SchillerEpoche: Weimarer Klassik
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
„Vom Himmel fordert er die höchsten Sterne I und von der Erde jede höchste Lust … “ wem ist dieser Spruch von Goethe aus seinem Drama „Faust“ nicht bekannt? Eine treibende Kraft für den Handlungsverlauf stellt die Zerrissenheit des Protagonisten da, zwischen Euphorie und Melancholie, zwischen Gut und Böse, dem Verlangen und der Vernunft. Zur gleichen Zeit lebte auch Friedrich Schiller, der mit seiner „Maria Stuart“ ein Trauerspiel ganz im Sinne der Weimarer Klassik und ihrem Humanitätsideal verfasste. Die Schottische Königin erreicht im Laufe des Dramas durch Selbsterziehung eine Versöhnung von Emotionalen Neigungen und Moralvorstellungen, so handelt sie frei aus innerster Überzeugung und entwickelt sich so zu einer „Schönen Seele“. So kann Maria ihr Schicksal akzeptieren und unterwirft sich freiwillig der physischen Gewalt ihrer Gegenspielerin, so wird besonders durch ihren würdevoll begangenen Tod ihre Erhabenheit deutlich. Durch unwiderrufliche Fehler die sie in ihrer Vergangenheit gemacht hat identifiziert sich der Zuschauer leicht mit Maria und das Trauerspiel bekommt seinen typischen erzieherischen Charakter, ganz im Sinne der Weimarer Klassik.
Die zu analysierende Szene spielt im Palast zu Westminster, der ein Symbol für Elisabeths Macht ist und stellt einen Konfliktgespräch zwischen der Englischen Königin Elisabeth und ihrem Sekretär Davison da, da dieser immer wieder nachfragt wie er mit dem von Elisabeth beiläufig übergeben Todesurteil verfahren soll. Die Königin ihrerseits weicht dieser Frage aus und will keine Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Unterschrift übernehmen. Die Szene gehört zur fallenden Handlung und ist eine Scharnierstelle, da sich der Ausgang immer deutlicher abzeichnet mit der Unterzeichnung des Todesurteils, es aber noch nicht vollstreckt ist.
Zunächst erkundigt sich die Königin, wo ihre Berater seien. Das beantwortet Davison damit, dass vor allem Talbot ihr Volk beruhige. Die Möglichkeit nutzt Elisabeth um sich wie in ihrem Monolog in der Szene davor sich ein weiteres mal über ihr „wankelmüt`ges“ Volk (Vers 3260) zu beschweren und ihm das Blatt „in [seine] Hände“ (V. 2364f). Darauf erschreckt Davison und fragt das erste mal ob Elisabeth entschieden hat (V. 2365). Sie weicht der Frage aus und lenkt damit ab dass sie ja „unterschreiben soll[te]“ (V. 3266) und schiebt vor, dass sie ja nur das getan hat was man von ihr schließlich auch verlangt und weißt die Schuld von sich.
In dem anschließenden Sinnabschnitt weißt der Sekretär Elisabeth darauf hin, dass ihre Unterschrift über die Zukunft Marias Entscheidet, da es unterschrieben in den richtigen Händen den sofortigen Tod Marias herbeiführt und macht ihr somit den Ausmaß ihres Handelns deutlich (vgl. 2369 – 2379). Nun nutzt Elisabeth ihre Chance auf die Übertragung ihrer Verantwortung für die Vollstreckung des Urteils einerseits durch des Ausruf, dass dies gottgewollt sei (vlg. 2379 – 2382) und er ihn um eine Entscheidung bitten soll (vgl. 3280f),
sowie stützt sie ihren Überzeugungsversuch auch auf eine heuchlerische Antithese1 „Gott legt ein wichtig groß Geschenk I in Eure schwachen Hände“, welche zusätzlich durch eine Alliteration2 hervorgehoben wird. Darauf will sie den Raum verlassen ohne eine Antwort abzuwarten.
Da Davison immer noch keinen klaren Befehl bekommen hat, was er mit dem Schriftstück machen solle stellt er sich ihr in den Weg und fragt sie erneut nach ihrem Willen. Er hebt dabei durch eine rhetorische Frage hervor, dass die einzige „Weißheit“ (V. 3285) als Antwort auf die Frage von Elisabeth kommen solle, nicht von Gott und erwähnt, dass er als Sekretär nicht mehr macht als „ihr Gebot buchstäblich zu befolgen“ (Vers 3285), die Entscheidung aber nicht von ihm getroffen werden könne und fragt ein weiteres mal nach ob er das Urteil überbringen soll. Elisabeth fordert ihn erneuet auf dass selbst, „nach seiner Klugheit“ (Vers 2388) entscheiden solle worauf ihr Davison, immer noch schockiert, sofort ins Wort fällt und sich weiter vor der englischen Königin erniedrigt vgl. „Gehorsam ist meine ganze Klugheit“
oder „deinem Diener“ (beides in V. 3288), welches durch die Alliteration die klare Hierarchie zwischen ihm und seiner Königin ausdrückt. Er weißt sie darauf hin, dass wenn er ihre unklaren Worte falsch interpretiert er selbst des Königsmordes Schuldig mache. Er bittet darum nur Elisabeths „blindes, willenloses Werkzeug“ (V. 3296) zu sein, was er zuvor mit einer Aussage stützt, dass ihm „hier nichts zu entscheiden übrig bleiben [darf]“ (V. 3292). Darauf fleht er Elisabeth an ihre Meinung endlich in klare Worte zu fassen“ (V3297) und fragt explizit nach ob er es weitergeben oder doch erst noch verwahren solle.
Auf die Frage trifft Elisabeth die Aussage, dass sie dies nicht sagen würde und somit weiter Davisons Drängen auf die Frage weiterhin ignoriert, da sie ihm nicht antworten möchte um ihn später des Königsmordes zu beschuldigen um von sich abzulenken und sagt ebenfalls, dass sie „zittre, es zu denken“ (V. 3301). Das ist eine Anspielung darauf, dass sie ihrer Meinung nach dazu gezwungen war und nicht aus ihren persönlichen Motiven welche im Monolog davor verdeutlicht werden handelt, sondern sich lieber als Opfer darstellt, dass sich dem Willen des Volkes auf Marias Ermordung beugen muss. Durch dieses Selbstmitleid versucht sie einerseits sich selbst einzureden, nicht nach persönlichen Motiven wie
ihr Verlangen auf Rache und Neid nachgibt, sondern gewissenhaft und wie eine Königin handelt und ihre politische Macht nicht missbraucht. Andererseits hat dies auch auf Außenstehende, welche ihre wahren Beweggründe nicht kennen, wie Davison den Anschein die Königin würde ihres Amtes sowie der dazugehörigen Verantwortung angemessen reagieren. Bereits hier entwickelt sich ein rascher Wortwechsel der nach weiterem Betteln um eine Antwort auf Davisons Frage abrupt abbricht, da Elisabeth immer ungeduldiger wird und durch ihr aufstampfen klar macht, dass sie sich nicht weiter dieser Frage stellt und ihn allein auf dem Wissen sitzen lässt, dass er für die Folgen haften werde (V. 3300). Damit hat sie was sie wollte, Davison die gesamte Verantwortung zu übertragen.
Seinen letzten Redeanteil nutzt der Sekretär für den Versuch um an die Menschlichkeit, also an ihre Nachsicht und Milde zu appellieren. Er führt an, dass er erst kürzlich in seinem Beruf angefangen hat und so die „Sprache der Höfe“ (V. 3315) noch nicht versteht, damit meint er dass er trotz des langen Dialogs nicht weiß was er mit dem Blutbefehl machen soll. Er bittet um Nachsicht und „Geduld mit [ihrem] Knecht“ (V. 3318). Dazu erniedrigt er sich weiter durch seine Körpersprache um ein letztes Mal um eine klare Antwort zu flehen. Nachdem sich die Königin von ihrer kalten Seite zeigt und sein Flehen nicht erhört versucht er es mit einer klaren Aufforderung ihr gegenüber, das Papier zurückzunehmen und jemand anderes dazu beauftragen soll, ob er sich nicht in der Lage sieht ihre Worte zu Deuten oder er nicht ihre Verantwortung übernehmen möchte, bleibt offen. Wahrscheinlicher ist allerdings die erste Variante, da er in der Folgenden Szene das Todesurteil weitergibt und sich so des Königsmordes schuldig macht, was ein um einiges Schlimmeres Verbrechen darstellt als einen Befehl nicht auszuführen. Elisabeth schließt diese Szene ab indem sie ihren Sekretär Auffordert zu „tun, was Eures Amtes ist“ (V. 3328).
Der Satzbau dieser Szene ist zunächst vorwiegend hypotaktisch und die Verse sind im reimlosen Blankvers3 verfasst, welcher den gehobenen Sprachstil verdeutlicht. Dies ändert sich allerdings im 4ten Abschnitt zu vielen Fragen, Hypotaxen sowie Exklamationen um den Gefühlszustand der beiden auftretenden Personen zu verdeutlichen. Die Fragen treten gehäuft bei Davison auf, da dieser immer verzweifelter um eine Antwort um seine Frage fleht. Auf Elisabeths Seite stehen besonders Exklamationen wie „Unerträglich!“, welche durch Regieanweisungen wie „stampft auf den Boden“ (V. 3314) verstärkt werden um Elisabeths Unzufriedenheit über ihren Sekretär auszudrücken, da dieser nicht das tut was sie von ihm möchte, sie aber nicht auszusprechen vermag. Diese Emotionen werden zusätzlich durch die Asymmetrische Aufteilung der Gesprächsteile deutlich, welche sich besonders durch die Stichomythie, welche im Abschnitt von V. 3299 – V. 3324 vorliegt, steigern bis der Geduldsfaden der Königin reißt. Während Davison emotional Aufgebracht versucht die Verantwortung an Elisabeth zurückzugeben, beschränken sich ihre Redeanteile auf zynische Bemerkungen, da sie durch physische Gewalt Davison ihren Willen aufzwingt und so als Gewinnerin, da sie ihren Willen durchsetzt auf kosten Untergebener durchsetzt ohne dafür Verantwortung zu tragen und so ihre persönlich motivierte Rache an Maria bekommt, den Raum verlässt und den verzweifelten Sekretär ohne klare Antwort zurücklässt.
//Bearbeitung der Zusatzfrage (hier nur Stichpunktartig)
- Ausübung physischer Gewalt gegenüber Maria und Davison
- Ausnutzung ihrer Politischen Macht
Kaltes Verhalten geg Davison als dieser Gnade erbittet <->
- Humanitätsideal „Edel sei der Mensch, hilfreich und Gut“
- Ermordung Marias da ihre Neigungen und die Rache an Marias ihre Moral besiegen <-> Merkmale einer schönen Seele wie Maria
Beim Verfassen des Dramas „Maria Stuart“ hat sich Schiller der geschichtlichen Vorlage der wirklichen Königin bedient. Jedoch ist er sehr frei mit den historischen Fakten umgegangen. Er machte aus Maria und Elisabeth jüngere, attraktive Frauen. Auch die romantischen Aspekte und das Zusammentreffen der beiden Königinnen sind frei erfunden. Dies hat Schiller getan, um die Wirkung und die Spannung des Dramas zu verstärken und auch, um das retardierende Moment herbeizurufen, bei dem Leser noch einmal Hoffnung auf ein gutes Ende bereitet werden, welcher jedoch schließlich in eine Katastrophe mündet.