„Die schlesischen Weber“ vorgelesen von Hörspielsprecher Fritz Stavenhagen
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Käthe Kollwitz: Der Aufstand der schlesischen Weber 1844 (Radierung 1897/98)
Das vorliegende Gedicht „Die schlesischen Weber“ von Heinrich Heine, verfasst 1844 zur Zeit des Vormärz, thematisiert den Aufstand der Weber gegen (die niedrigen Arbeitslöhne und die hohe Arbeitslosigkeit auf Grund der) Industrialisierung.
Das Gedicht besteht aus fünf Strophen mit jeweils fünf Versen. Die ersten vier Verse der einzelnen Strophen stehen im Paarreim. Der fünfte Vers ist in jeder Strophe der Kehrreim „wir wollen weben“ (V. 5, 10,15,20,25).
Inhaltlich lässt sich das Gedicht in drei Abschnitte gliedern.
Der erste Abschnitt umfasst die erste Strophe und ist eine Hinführung zu der Thematik des Gedichtes. Es wird die aggressive Stimmung unter den Webern deutlich. Die Weber zeigen keine Trauer („keine Träne“ (V.1)) über die Zustände in Deutschland, sondern sie sind wütend darüber: „fletschen die Zähne“ (V. 2). Die Aggressionen reichen so weit, dass die Weber Deutschland sein „Leichentuch“ (V. 3) weben wollen. In dieses Tuch wollen sie den „dreifachen Fluch“ (V.4) weben. Dieser dreigeteilte Fluch wird in den folgenden Strophen aufgegriffen und konkretisiert. Die Strophe endet mit dem Kehrreim „Wir weben, wir weben“ (V. 5). Dieser Ausruf gewinnt durch die Alliteration1 „Wir weben“ (V.5) noch an Eindringlichkeit. Außerdem hebt er sich von den übrigen Versen dadurch ab, dass er sehr viel kürzer ist und nicht in das Reimschema passt. Er steht somit getrennt von den vier ersten Versen und sticht dadurch besonders hervor.
Der zweite Abschnitt des Gedichts umfasst die zweite, dritte und vierte Strophe. In diesen Strophen wird der in der ersten Strophe erwähnte „dreifache Fluch“ (V.4) aufgegriffen und genauer beschrieben. Der Fluch ist dreigeteilt und jede Strophe thematisiert einen Teil des Fluches.
Zunächst wird Gott verflucht (vgl. V. 6). Die Weber haben sich in schweren Zeiten, zum Beispiel „in Winterskälte und Hungersnöten“ (V. 7) Hilfe von Gott erhofft. Diese Hilfe haben sie trotz Gebeten (vgl. V. 6), nicht bekommen: „Vergebens“ (V. 8).
Nun fühlen die Weber sich „gefoppt und genarrt“ (V. 9). Die Enttäuschung, die durch die Verspottung bei den Webern auftritt wird zur Wut. Diese Wut ist so groß, dass sie Gott verfluchen: „ein Fluch dem Gotte“ (V. 6).
Außerdem wird die Wut der Weber in den Binnenreimen deutlich „ Gehofft und geharrt“ (V.8); „geäfft und gefoppt und genarrt“ (V. 9). Wobei die ersten beiden Verse „gehofft und geharrt“ (V. 8) die Tätigkeit der Weber beschreibt.
Die anderen Verben in den folgenden Versen beschreiben das Verhalten von Gott aus der Sicht der Weber. Auch diese Strophe endet mit dem Kehrreim „Wir weben, wir weben“ (V. 10). Somit wird eine Verbindung zur ersten Strophe gezogen und der Appellcharakter des Kehrreims wird noch verstärkt. Die nächste Strophe verflucht den König (vgl. V. 11), der nur „König der Reichen“ (V. 11) ist und sich nicht um das „Elend“ (V. 12) der Armen kümmert, sondern ihnen auch noch das letzte Geld aus der Tasche zieht (vgl. V. 13). Diese Ausbeutung der Weber wird im nächsten Vers noch deutlicher: „wie Hunde erschießen lässt“ (V.14). Dieser Vergleich zeigt die Wertlosigkeit der Weber und ihre schlechte Behandlung. Sie werden wie Tiere behandelt, bei denen es egal ist, wie es ihnen geht. Außerdem beschreibt der Vergleich mit Hunden den Zustand der Weber, ihnen geht es hundeelend.
Des Weiteren, greift dieser Vergleich die erste Strophe wieder auf. Die Weber „fletschen die Zähne“, wie ein Hund, weil sie schlecht behandelt werden. Die Reaktion des Königs auf die Wut der Weber ist ein Beseitigen der Aufständischen (vgl. 14).
Auffällig ist auch, dass in der ersten Strophe das zähnefletschende Tier gar nicht genauer beschreiben ist. Es könnte genauso gut ein Wolf oder ein anderes starkes Tier sein, dass die Assoziation von Stärke, Kraft und Angst hervorruft. In der dritten Strophe wird dann aber deutlich, dass mit diesem Vergleich nur ein Hund gemeint ist, der auf die Güte seines Herrn angewiesen ist und diesem gehorchen muss, da er sonst erschossen wird (vgl. V. 14).
Außerdem endet auch diese Strophe wieder mit dem Kehrreim „Wir weben, wir weben!“ (V. 15).
Die vierte Strophe und der dritte Fluch richtet sich an das „falsche[…] Vaterland[…]“ (V. 16). Dieses Land ist nicht mehr schön, da dort nur noch „Schmach und Schande“ (V. 17) gedeihen. Die Anapher2 betont nochmals den Verfall des Vaterlandes. Auch die Metapher3 der „geknickten“ (V. 18) Blume verstärkt das Bild der Trostlosigkeit.
Außerdem verdeutlicht sie, dass nichts Schönes, mehr entstehen kann, da es sofort zerstört wird. Der Einzige, der am diesem Elend „erquickt“ (V. 19), ist der Wurm. Dieser ekelige Wurm steht für die Reichen und Fabrikaten, die von der Industrialisierung profitieren. Sie sind die Einzigen, die sich an dem Elend und Schmutz der Industrialisierung erfreuen können.
Durch die Anapher des Adverbs „Wo“ (V. 17, 18,19) wir verdeutlich, wie hässlich und verkommen das Vaterland ist.
Auch diese Strophe schließt mit „Wir weben, wir weben!“ (V. 20).
Der dritte Sinnabschnitt des Gedichtes ist die fünfte Strophe, die den Abschluss des Gedichtes bildet. Vom Aufbau und Inhalt gleicht sie der ersten Strophe und bildet mit ihr einen Rahmen, um die Strophen zwei bis vier.
Trotz des ganzen Elend, das in den vorhergehenden Strophen beschrieben wurde, weben die Weber „emsig Tag und Nacht“ (V. 22).
Nun „sitzen [die Weber nicht mehr] am Webstuhl“ (V. 2), sondern sie lassen den Webstuhl krachen (vgl. V. 21).
Ein weiterer Unterschied ist, dass die Weber nun „Altdeutschland“ (V. 23) und nicht mehr „Deutschland“ (V. 3) sein Leichentuch weben wollen. Dies sagt aus, dass sich die Weber ein neues Deutschland wünschen. Sie hoffen auf einen Neuanfang und Veränderungen.
Trotzdem weben sie weiterhin „den dreifachen Fluch“ (V. 24) in das Tuch. Dies zeigt, dass die Aggressionen, die zu Beginn des Gedichtes vorhanden waren, noch nicht abgeschwächt sind.
Auch diese Strophe endet mit dem Kehrreim „Wir weben, wir weben“ (V. 25). Dadurch, dass dieser Kehrreim immer wieder auftaucht und dem Gedicht eine klare Struktur gibt, kann man sich das Gedicht besser merken. Außerdem entsteht eine Art Ohrwurm, der durch die Alliteration und die Wiederholung der Ellipse4 „Wir weben“ noch verstärkt wird.
Die Überschrift „Die schlesischen Weber“ lässt die Leser gleich auf den Inhalt des Gedichtes schließen. Außerdem verleiht sie Alle, die sich ähnlich wie die Weber fühlen oder sich für den Weberaufstand interessieren und ihn nachvollziehen wollen, zum Lesen.
Alles in allem zeigt das Gedicht die elende Lage der Weber um 1844, zur Zeit der Industrialisierung und ihre dadurch entstandene Wut auf Gott, den König und das Vaterland allgemein.
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