Inhaltsangabe, Gedicht-Analyse und Interpretation
In dem 1818 verfassten und somit der Romantik zuzuordnenden Gedicht „Die zwei Gesellen“ von Joseph von Eichendorff geht es um die unterschiedlichen Lebensläufe zweier Gesellen. Beim ersten Überfliegen des Gedichts fallen einem Wörter wie Fernweh, Reiselust, Sehnsucht und Vergänglichkeit ein. In Heinrich Heines Gedicht „Rückschau“ von 1851 geht es um die scheinbar imposante Vergangenheit einer Person, die aber zugeben muss, dass dies nur eine Scheinwahrheit ist und alles andere als eindrucksvoll. Beide Gedichte handeln von der Vergänglichkeit und dem Sterben, was bereits im Mittelalter und Barock ein häufig verwendetes Thema war.
Joseph von Eichendorff und Heinrich Heine gehören in der deutschen Literatur der Romantik an.
„Die zwei Gesellen“ und „Rückschau“ wirken äußerlich völlig unterschiedlich. Eichendorffs Gedicht ist in 6 Strophen zu je 5 Versen unterteilt, jedoch besteht Heines Werk nur aus einem einzigen Teil mit 36 Zeilen. Auch die Reime unterscheiden sich sehr, Heine verwendet den Paarreim (a-a-b-b) und Eichendorff eine Variante von Kreuzreim und Umarmender Reim (a-b-a-a-b). In „Rückschau“ wird alles aus der Perspektive des lyrischen Ichs erzählt, während dieses bei Eichendorff erst in der letzten Strophe zum Vorschein kommt. Die beiden Verfasser verwenden ähnliche Bilder (z. B. den Frühling), jedoch mit unterschiedlichen Bedeutungen. Bezüglich ihres Aufbaus kann man die beiden Gedichte sehr gut vergleichen. Sie beginnen mit den schönen und wunderbaren Seiten des Lebens, die jedoch plötzlich ins Negative umschlagen und am Ende befassen sich beide kurz mit den Themen Gott und Religion, aber mit unterschiedlichen Auffassungen.
In dem Gedicht „Die zwei Gesellen“ geht es, wie der Titel bereits vermuten lässt, um zwei junge Gesellen, die voller Vorfreude, Hoffnung und Strebsamkeit in die Welt hinaus schauen, um dort ihr Glück zu machen. Jedoch scheitern beide. Die erste dieser Strophen beschreibt die Ausgangssituation, dass zwei Gesellen „So jubelnd recht in die hellen / Klingenden, singenden Wellen / Des vollen Frühlings hinaus(-ziehen)“ (V. 3-5). Eichendorff bedient sich durch die Verwendung des Wortes „Wellen“ eines Vergleiches mit dem Meer, vielleicht um das Unbekannte, das vor den zwei Reisenden liegt, noch zu verdeutlichen. Ebenso wird durch den Inhalt dieser Strophe das bestimmende Motiv des Gedichtes vorgestellt. Dieses Fernweh bietet erst den Grund für die Reise der jungen Männer. In der folgenden Strophe wird die Begründung jedoch noch um das Sehnsuchtsmotiv erweitert. Hier spricht das lyrische Ich von den Zielvorstellungen der Gesellen. Demnach besaßen sie große Ambitionen und Ziele, die sie sich erfüllen möchten. Gleichzeitig lassen sie sich nicht durch andere Dinge von diesem Weg abbringen, was durch die Einschiebung „[…] trotz Lust und Schmerz“ (V. 7) deutlich wird. Im nächsten Vers werden die hohen Ziele, die zu Beginn der Strophe erwähnt wurden, sogar noch verdeutlicht „Was Rechts in der Welt vollbringen“ (V. 8). Somit wird klar, dass sie im Grunde nicht nach Ruhm oder ähnlichen träumerischen Dingen streben, sondern eher nach der Erfüllung bodenständiger Ideale. Wenn man nun diese Sehnsucht mit Eichendorffs Biographie vergleicht wird deutlich, dass hier die Suche nach dem ewigen zu Hause gemeint sein könnte. Da der Autor den Menschen als Reisenden begriff, der sich ein solches Heim herbeisehnt. Mit den letzten beiden Versen dieses Abschnittes scheint das lyrische Ich aufzeigen zu wollen, dass sich die beiden Gesellen nicht von den Irrwegen des Lebens unterkriegen lassen und trotz allen Widrigkeiten der Welt fröhlich begegnen. Auf diese Aussage folgt das Ende der zweiten Strophe mit einem Gedankenstrich, der eine Denkpause markieren soll. Damit ist nun die Vorstellung der Ausgangssituation beendet und es folgt die Lebensgeschichte beider Personen. So beschreibt der dritte Versabschnitt das Schicksal des ersten Gesellen. Dieser findet seine Liebe, kauft ein Haus mit Hof und wird dadurch sesshaft. Kurze Zeit später wird er sogar Vater eines kleinen Jungen. Hier lässt sich vermuten, dass diese Konstellation Eichendorffs Vorstellung von einem ewigen Heim entspricht. Die Überlegung wird durch die letzten beiden Verse dieser Strophe bekräftigt „Und sah aus heimlichem Stübchen / Behaglich ins Feld hinaus“ (V. 14-15). Diese Zeilen zeigen die Zufriedenheit des Mannes, die beständig erscheint. Nimmt man nun das neu hinzugekommene Motiv der Liebe in Betracht, ergibt sich zusammen mit den beiden voran gegangenen das Motiv der blauen Blume. Darauf folgt die Darstellung des Lebens des anderen Gesellen. Der sieht sein Glück in kurzweiligen Dingen, was durch die Metapher1 „Verlockend‘ Sirenen“ (V. 18) dargestellt wird. Er kann den Versuchungen nicht widerstehen und wird so durch die „[…] buhlenden Wogen“ (V. 19) in den „Farbig klingenden Schlund“ (V. 20) gezogen. Das Verständnis dieses Sinnbilds könnte sich auf kurze Beziehungen oder einen genussreichen Lebensstil beziehen. In der nächsten Strophe zeigt sich jedoch das Verhängnis dieser Wahl, denn als er wieder aus diesem Schlund auftaucht und sich somit seine Ansichtsweise geändert hat, ist es bereits zu spät etwas an seinem Leben zu ändern, denn er ist alt und müde. Daraufhin wird noch einmal seine Situation geschildert „Sein Schifflein das lag im Grunde, / So still war’s rings in die Runde“ (V. 23-24). Damit wird gezeigt, dass er kein Heim und keine Familie besitzt. Demzufolge nun auch alleine und einsam ist. Dieser Versabschnitt endet mit der wehmütigen Feststellung „Und über die Wasser weht’s kalt“ (V. 25) und zeigt das Bedauern des Gesellen über seine Lebenswege auf. Das Ende des Gedichtes wird durch Aussagen des lyrischen Ichs beschlossen. So beginnt die sechste Strophe mit einer Wiederholung der metaphorischen Beschreibung des Frühlings, mit der die Erste endet. Jedoch erklärt das lyrische Ich, dass sich die Wellen über ihm befinden. Wenn man dies nun auf den vermuteten Vergleich mit dem Meer bezieht, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es im Ozean der Träume untergegangen ist und es sich damit nicht seine wahren Träume erfüllen konnte. Somit scheint es sich mit dem zweiten Gesellen zu vergleichen. Die nächsten zwei Verse verdeutlichen seine Trauer noch mehr, jedoch bezieht es diese nicht auf sich selbst, sondern auf neue Gesellen, die es in die Welt hinausziehen sieht und deren Schicksal es sich schon bewusst ist. Auf diese Trauer folgt, durch einen Gedankenstrich herausgestellt, die Bitte „Ach Gott, führ uns liebreich zu Dir!“ (V. 30). Das lyrische Ich scheint damit den Wunsch zu haben, dass jeder Mensch das Schicksal des ersten Gesellen teilt und somit ein ewiges zu Hause erhält und nicht so unglücklich wie der zweite Geselle alt werden muss.
In Heinrich Heines „Rückschau“ geht es um die scheinbar eindrucksvolle Vergangenheit einer Person, die sich jedoch eingestehen muss, dass dies nur eine Scheinwahrheit und die Wirklichkeit alles andere als beeindruckend ist. In den ersten vier Versen beschreibt der Dichter die Erfahrung des lyrischen Ichs in der weiten Welt (V. 1-2 „Ich habe gerochen alle Gerüche / In dieser holden Erdenküche;“) und wie gut es ihm dort erging (V. 3-4 „Was man genießen kann in der Welt, / Das hab ich genossen wie je ein Held!“). Danach folgen einzelne Beschreibungen der menschlichen Gelüste (V. 5-11 „Hab Kaffee getrunken, hab Kuchen gegessen [...] Trug seidene Westen, den feinsten Frack, [...] Ich hatte ein Haus, ich hatte ein Schloss.“). An dieser Stelle wird die Überheblichkeit dargestellt (V. 9 „Wie Gellert ritt ich auf hohen Ross;“) und eine etwas verächtliche Stellung gegenüber Frauen (V. 6 „Hab manche schöne Puppen besessen“) des lyrischen Ichs wird deutlich. Mit „ewiger Mai“ (V. 15) symbolisiert der Dichter Frühlingsgefühle wie die Liebe, Glück, Gesundheit, etc. Das lyrische Ich beschreibt, wie es „auf der grünen Wiese des Glücks“ (V. 11) liegt und dass es wie ein Sieger, einen Lorbeerkranz auf dem Kopf trägt (V. 13 „Ein Lorbeerkranz umschloss die Stirn“). Es träumt nur vor sich hin und faulenzt (V. 16-17 „Es ward mir so selig zu Sinne dabei, / So dämmersüchtig, so sterbefaul -“) und weitet seine Phantasien ins Unvorstellbare aus (V. 18 „Mir flogen gebratne Tauben ins Maul“). Es scheint sich wie im Himmel zu fühlen, denn „[…] Englein kamen, […]“ (V. 19). Doch wie aus einem herrlichen Traum, wird hier der Leser aus den wundervollen Illusionen gerissen, denn all das waren wirklich nur Wunschvorstellungen (V. 21-22 „Das waren Visionen, Seifenblasen - / Sie platzten […]“). Jetzt ändert sich seine Träumerei in die harte Realität; aus „der grünen Wiese des Glücks“ (V. 11) wird nun ein „feuchter Rasen“ (V. 22). Durch „Die Glieder sind mir rheumatisch gelähmt“ (V. 23) wird nun deutlich, dass das lyrische Ich schwer krank ist und uns nun einen Einblick in sein wahres Leben gibt. Es hat zwar viele schöne Zeiten erlebt (V. 25 „Ach, jede Lust, ach, jeden Genuss“), doch büßte er das mit seinen körperlichen (V. 26 „Hab ich erkauft durch herben Verdruss;“) und seelischen Gebrechen ein (V. 27 „Ich ward getränkt von Bitternissen“, V. 29 „Ich ward bedrängt von schwarzen Sorgen“). Es macht durch „Ich musste lügen, ich musste borgen / Bei reichen Buben und alten Vetteln -“ (V. 30-31) deutlich, wie jämmerlich es ihm ging. Weiterhin war auch sein Dasein bedroht, was durch „Ich glaube sogar, ich musste betteln“ (V. 32) ausgedrückt wird. Ab Zeile 33 ist die die Darstellung der Vergangenheit beendet und das lyrische Ich berichtet über seine gegenwärtige Situation (V. 33 „Jetzt bin ich müd vom Rennen und Laufen“) und von seiner Zukunft – dem Tod (V. 34 „Jetzt will ich mich im Grabe verschnaufen“). Im darauf folgenden Vers verabschiedet es sich auch gleich mit den Worten „Lebt wohl!“ (V. 35). Dies wirft jedoch die Frage auf, ob das lyrische Ich eines natürlichen Todes sterben würde oder ob es sich selbst das Leben nimmt. Letztere Variante ist wohl eher korrekt und würde die Textpassage „[…] Dort oben, ihr christlichen Brüder, / Ja, das versteht sich, dort sehen wir uns wieder“ (V. 35-36) in ein ganz anderes Licht rücken. Dies behandelt das „Wiedersehen“ im „Himmel“ auf eine ironische Art und Weise und gibt einen Anstoß zum Nachdenken über Religionen. Denn Selbstmörder können nicht in den Himmel kommen, obwohl, wie in diesem Fall beschrieben, der „Täter“ sich nur von seinem Leiden befreien und nicht mehr leiden wollte. Diese Hoffnungslosigkeit, ja auch die Abfolge von Geschehnissen ist mit denen des ersten Gedichts zu vergleichen. Ebenso wird in den Werken das Motiv der Sehnsucht deutlich, die nach dem Unendlichen strebt, sich jedoch nur in „Die zwei Gesellen“, in Verbindung mit dem Fernweh, zum Motiv der blauen Blume weiterentwickelt. Heine weist mit seinem Werk „Rückschau“ darauf hin, dass man in schlechten Zeiten am liebsten in Phantasien und Erinnerungen an eine bessere Zeit schwelgt, was jedoch nicht die korrekte Variante ist und man deshalb hart dafür bezahlen muss.
Beide lyrische Werke sind gute Vertreter für die Dichtung der Romantik, da sie sich schicksalsreicher Motive bedienen und somit einen guten Einblick in die Gedankenwelt des Dichters liefern.