Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Analyse: Ach Liebste, lass uns eilen
In dem Gedicht „Ach Liebste, lass uns eilen“ (1624) von Martin Opitz, das der Epoche des Barock zu zuordnen ist, beschäftigt sich das lyrische Ich sich mit dem Altern und appelliert an seine „Liebste“ (Z.1), die Frische der Jugend zu genießen.
Schon der Titel legt die Vermutung Nahe, dass das lyrische Ich etwas bedrückt und es sein Anliegen ist, sich mit etwas zu beeilen, was in diesem konkreten Fall mit dem Genießen der Jugend aufzulösen ist.
Das Gedicht besteht aus sechs Strophen zu je vier Verse. Jedoch lassen sich drei Sinnabschnitte ausmachen. Im ersten Drittel appelliert das lyrische Ich an die Geliebte, die Zeit zu nutzen (Z.1-8). Im Mittelteil (Z. 9-16) zeigt der Autor an verschiedenen Beispielen die Vergänglichkeit der Schönheit auf. In der letzten Einheit (Z. 16-24) bekräftigt er seinen Appell und lässt Rückschlusse auf die Gründe seines Anliegens vermuten.
Das Metrum1 ist ein regelmäßiger Jambus, der den immer fortwährenden Alterungsprozess, der im Gedicht beschrieben wird, aufgreift.
Während des gesamten Gedichts wirkt das lyrische Ich sehr nachdenklich und dabei sehr distanzlos seiner Liebsten gegenüber, wie im Folgenden beschrieben:
Das Gedicht beginnt mit einem scheinbaren Paradox („Ach Liebste, lass uns eilen, wir haben Zeit“ Z.1-2). In mehreren Dialekten hat „Wir haben Zeit“ jedoch die Bedeutung von „Es ist Zeit/Die Zeit ist reif“, womit eine Aufforderung etwas zu unternehmen inbegriffen ist. Diese Bedeutung fügt sich sehr gut dem weiteren Verlauf der Dichtung. Schon in der ersten Strophe fällt der Gebrauch von Wörtern, wie „wir“ (Z.2) oder „uns“(Z.4) auf, die ein „Wir-Gefühl“ entstehen lassen.
Jedoch ist es weniger die Absicht des Autors eine Zweisamkeit zu schaffen, als das Einverständnis der Liebsten vorauszusetzen, um sie von seinen Absichten zu überzeugen, die eigentlich den epochalen Vorstellungen widersprechen.
Mit dem Doppelpunkt am Ende des zweiten Verses macht er auf sein Problem, die Angst vor dem Altern, aufmerksam. Ein vorgeschobenes Argument um seine Geliebte davon zu überzeugen, mit ihm gemeinsam die Sinnlichkeit zu genießen.
Durch die Inversion2 („Der edlen Schönheit Gaben“, Z.5) am Anfang der zweiten Strophe wird die Schönheit selbst in den Vordergrund gedrängt. Die folgende Personifikation3 („Fliehn Fuß für Fuß“, Z. 6) lässt den Leser aufhorchen, scheint die Schönheit ihm doch geradewegs zu entweichen. Auch in dieser Strophe wird seine Intention wieder deutlich („Dass alles, was WIR haben, verschwinden muss.“, Z. 7-8).
Im nun beginnenden Mitteilteil folgt eine sehr kunstvolle Demonstration des Autors von seinen Fertigkeiten, ein weiteres Merkmal des Barock, geht es doch hier stark um die äußere Form. Es werden anaphorisch verschiedene barock-typische Bilder für die Schönheit (z. B. „Mündlein von Korallen“, Z. 13) aufgezählt. Hinzu kommen antithetische Gegenüberstellungen („Der Augen Feuer weichet, die Brunst wird Eis.“, Z.11-12), die das Ganze dramatischer erscheinen lassen und ebenfalls ein Beispiel für die Stilistik des Barock sind. Hinzu kommt ein deutlich erkennbarer parallelistischer Aufbau. Der „Wangen Zier“ (Z.9), „der Augen Feuer“ (Z. 11), „[dem] Mündlein von Korallen“ (Z. 13) oder „Die Händ als Schnee“ (Z.15), allesamt Metaphern4 für die Schönheit, die dem barockischem Wortschatz entspringen. Typisch für diese Epoche: Der Autor bedient sich dem Überliefertem, fast schon traditionellen Arsenal an Begriffen und zeigt, dass er dennoch kunstvoll damit umgehen kann. Es folgen grausame Worte wie „verbleich[en]“ (Z. 9), weich[en] (Z.11), oder „verfallen“ (Z. 15), die das erst harmonische, schön Bild disillusionieren.
Im letzten Vers wird dann die wahre Angst des lyrischen Ichs erkennbar: „Und du wirst alt“ (Z.16). Sie wird alt - das ist seine wahre Angst.
Seine Mitteilung könnte wie folgt lauten: „Wir sind jung, es geht nur jetzt, du willst es doch auch.“
Es wird also eine sehr oberflächliche, auf den Eros bezogene, Liebe aufgezeigt, wie auch im letzten Drittel klar wird.
Direkt mit dem ersten Wort („Drum“, Z. 17) leitet er seine Lösung für das unausweichliche Problem ein. Er appelliert an seine ‚Geliebte’ mit ihm gemeinsam die Frische der Jugend zu genießen, bevor es zu spät ist. Was gemeint ist, sollte klar sein.
Das Gedicht endet mit einem Rätsel. Man könnte es wie folgt auffassen:
Wenn die Liebste ihre Schönheit verliert, verliert sie ihren Reiz. Damit verliert auch das lyrische Ich, ist es doch auf eben diese Schönheit so sehr fixiert. Das Altern bedeutet für ihn das Ende des Lebens, der Liebe und der Leidenschaft. Eine wirkliche Lösung für dieses Problem hat das Gedicht selbst nicht zu bieten, dafür wird aber der Carpe-Diem Gedanke, der besonders durch den Barock geprägt wurde, umso deutlicher.