Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Joseph von Eichendorffs Gedicht „Frühlingsfahrt (Die zwei Gesellen)“, welches 1818 erschein und epochengemäß der Romantik zugeordnet wird, thematisiert menschliche Sehnsüchte und Lebenserfüllungen und die damit einhergehenden Schicksale, exemplarisch an jenen von zwei Gesellen.
Das Gedicht besteht aus sechs Strophen mit jeweils fünf Versen. Im Gegensatz zum wechselnden Metrum1 (daktylische und jambische Versfüße), ist das Reimschema (abaab) durchgängig. Die Verse sind dreihebig. Auch Kadenzen2 sind regelmäßig, jeder zweite und fünfte Vers endet mit einer stumpfen Kadenz (männliche Kadenzen), die restlichen mit klingenden Kadenzen (weibliche Kadenzen).
Die beiden ersten Strophen dienen als Einleitung, in der die beiden Gesellen vorgestellt werden. In den mittleren Strophen werden die individuellen Schicksale näher beschrieben, wobei Eichendorff dem ersten Gesellen nur eine Strophe widmet (dritte Strophe), da sein Leben im Vergleich zum zweiten Gesellen gefestigter ist. Die vierte und fünfte Strophe zeichnen das weitaus bewegtere Leben des zweiten Gesellen. Erst in der letzten Strophe meldet sich das lyrische Ich zu Wort und zieht einen eigenen Entschluss aus den beiden verschiedenen Schicksalen.
Die erste Strophe spiegelt eine Aufbruchsstimmung wider, welche durch Adjektive wie „klingend“, „hell“, singend“ (vgl. V. 3 ff.) unterstützt wird und dem Motiv des Frühlings, der symbolisch für einen Neuanfang steht. Der bevorstehende Beginn eines neuen Lebensabschnittes wird durch die Personifikation3 „hellen, klingenden, singenden Wellen“ (V. 3 ff.) hervorgehoben. Die zuvor beschriebene Aufbruchsstimmung zeigt das deutliche Verlangen der beiden Gesellen die Welt zu erproben und Erfahrung zu sammeln. Ihre starke Sehnsucht wird besonders durch die Formulierung „[d]ie strebten nach hohen Dingen“ (V. 6) verdeutlicht. Durch die Antithese4 „Lust und Schmerz“ (V. 7) wird gezeigt, dass den Gesellen trotz der euphorischen Stimmung mögliche Risiken bewusst sind. Nicht nur das Streben nach hohen Dingen, sondern auch die Suche nach Anerkennung wird deutlich (vgl. V. 8). Die Personifikation „[d]a lachten Sinnen und Herz“ (V. 10) beschreibt die sehr positive Stimmung der beiden.
Der erste Geselle lebt in seiner eigenen Welt mit seiner Frau, seinem Eigenheim und Kind, fernab von Abenteuern. Er verkörpert somit das Spießertum, was durch die häufige Verwendung von Diminutiven wie „Liebchen“ (V. 11), „Bübchen“ (V. 13) oder „Stübchen“ (V. 14) deutlich wird. Seine Verwirklichung findet et im sicheren Leben mit seiner Frau, das ihm Halt zusammen mit seiner gefestigten Beziehung gibt. Eine gewisse Unsicherheit bezüglich seiner geglückten Lebenserfüllung wird mit Adjektiven wie „heimlich“ (V. 14) und „behaglich“ (V. 15), sowie der Tatsache, dass ihm das Haus von seinen Schwiegern gekauft wurde und nicht von ihm selbst bezahlt worden ist, angedeutet. Aus der Sicht des lyrischen Ichs ist der erste Geselle wahrscheinlich ebenso gescheitert wie der zweite, da durch seine Sprache wie die Verwendung der Diminutive5 eine abneigende Haltung angedeutet wird.
Die vierte und fünfte Strophe verkörpern eine beunruhigende Atmosphäre, welche durch „die buhlenden Wogen“ (V. 19), die „Schlund“ (V. 20) und so weiter transportiert wird. Der zweite Geselle lässt sich vom weiblichen Geschlecht, nämlich den „verlockend‘ Sirenen“ (V. 18) verführen. Diese erotische Verführung wird als Sünde dargestellt. Durch das Erwähnen der Sirenen wird nochmal das Märchenhafte aufgegriffen. Sein Schicksal spitzt sich noch weiter zu, da er nun müde und alt ist (vgl. V. 22), wobei das Alter die Nähe zum Tod darstellen soll. Sein unschönes Ende wird durch das Diminutiv „Schifflein“ (V. 23), welches als Metapher6 dient und seinen ausweglosen Weg verdeutlichen soll, da er nun gestrandet ist, ausgedrückt. Ein natureller Umschwung besteht auch, weil es nun über die Wasser kalt weht (vgl. V. 25), was also den Herbst als Jahreszeit, also einen Verfall des Lebens, ausgedrückt wird. Seine Sehnsucht wurde nicht gestillt, unter anderem da er sich den Sirenen hingegeben hat.
Die letzte Strophe ist eine Rahmenstrophe, weil der Gedanke aus der ersten Strophe aufgenommen wird. Mit der Personifikation der singenden und klingenden Wellten (Vgl. V. 26) wird die Stimmung der ersten Strophe aufgegriffen, welche aber durch Trauer geprägt ist. Interessant ist hierbei die verwendete Antiklimax7 (vgl. ebd.), die eine geänderte Stimmung andeutet. Noch in der ersten Strophe sind es klingende, singende Wellen, also eine Klimax, jetzt ist es vertauscht. Das Motiv des Frühlings (vgl. V. 27) wird ebenfalls nochmal aufgegriffen. Der jetzige Neuanfang, welcher durch den Frühling symbolisiert wird, wird den neuen „kecken Gesellen“ (V. 28) zugerechnet. Mit dieser Wortwahl wird eine gewisse Naivität der Gesellen impliziert, sodass schlussgefolgert werden kann, dass ihnen kein gutes Schicksal bevorsteht. Das potentielle negative Schicksal wird durch die Tränen des lyrischen Ichs (vgl. V. 29), welches sich nun erstmals zu Wort meldet und seine Hoffnung offenbart, ausgedrückt. Der – traurige – Appell „Gott, führ uns liebreich zu Dir!“ (V. 30) verknüpft mit dem wehmütigen Ausruf „Ach“ (ebd.), drückt den Wunsch des lyrischen Ichs an die Menschheit aus. Die Sehnsucht nach einem Leben voller Glück und Harmonie, was mit Gottes Hilfe erreicht werden soll, kann mit dem Appell als Fazit aus dem Gedicht hervorgehoben werden. Das verwendete Pronomen „uns“ (V. 30) beinhaltet nicht nur das lyrische Ich, sondern auch die Gesellen, wie auch alle anderen Menschen. Auffällig ist auch die wechselnde Zeitform vom Präteritum ins Präsens in der letzten Strophe, was lediglich das Erscheinen des lyrischen Ichs verdeutlicht und die Präsenz der alltäglichen und verschiedenen Schicksale der Menschen, die sich auf die Suche nach Glück, Zufriedenheit, Anerkennung, Liebe und vieles mehr begeben.
Eichendorffs Gedicht ist sehr epochentypisch, da es verschiedene Elemente romantischer Gedichte wie Naturmotive, Märchen, die Sehnsucht als zentrales Thema und den Gottesaspekt aufweist.
Als Fazit kann man ziehen, dass trotz der unterschiedlichen Schicksale keiner sein Glück voll und ganz findet. Das persönliche Glück sieht für jedes Individuum anders aus. Die Intention des Autors ist auf das Spießertum aufmerksam zu machen und aus diesem auszubrechen, wie auch auf misslungene Träume hinzuweisen, was durch das Schicksal des zweiten Gesellen gezeigt wird. Aus diesem Grund weist das Gedicht einen einfachen – inhaltlich wie auch sprachlichen – Aufbau auf, damit es volksnah gehalten ist. Obwohl das Gedicht aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist es noch aktuell, da die behandelten Themen jeden Menschen noch heute betreffen.