Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Eichendorffs Gedicht „Die zwei Gesellen“ wurde im Jahr 1818 verfasst und behandelt als typisch romantisches Gedicht das Schicksal zweier Gesellen die auf Lebenswanderschaft aufbrechen. Dabei behandelt Eichendorff typisch romantische Motive wie Fernweh, das zur Lebenswanderschaft führt sowie die Gefahren, die zum Scheitern im romantischen Sinne führen können. Ein Geselle wird sesshaft und heiratet während der Andere sich sinnlichen Verführungen hingibt und somit auch im romantischen Sinne scheitert. Im finalen Vers bewertet das lyrische Ich das Schicksal der Gesellen. Außerdem ermutigt das Lyrische Ich den Leser, typisch für die Epoche der Romantik, Gottes Wort als kategorischen Imperativ und somit Richtlinie für sein Leben aufzunehmen. Eichendorff intendiert vermutlich den Leser auf die Gefahren des Scheiterns im romantischen Sinne hinzuweisen und zeigt dem Leser Gottes Wort als kategorischen Imperativ als Lösung auf, um sich im romantischen Sinne treu zu bleiben. Diesem Interpretationsansatz wird im Folgenden gemäß der linearen Vorgehensweise nachgegangen.
Formal lässt sich anmerken, dass das Gedicht in sechs Strophen à fünf Verse gegliedert ist. Das Gedicht folgt keinem regelmäßigen Metrum1, was das Scheitern der Gesellen widerspiegelt. So wie die Gesellen von den typisch romantischen Idealen abweichen so finden auch die Betonungen im Gedicht nie zu einem Metrum zusammen. Der umarmende Reim ((abaab), „Gesellen“(V.1), „Haus“(V.2), „hellen“(V.3), „Wellen“(V.4), „hinaus“(V.5)) betont jedoch die Verbundenheit, die die Gesellen mit typisch romantischen Gefühlen wie der Sehnsucht verspüren. Das Gedicht ist abwechselnd im Zeilenstil2 und Enjambements3 verfasst, um die jeweiligen Themen zu betonen. Eichendorff verwendet zum Beispiel in der vierten Strophe Enjambements, um die fließende Verführung durch Frauen hervorzuheben. Das Gedicht ist im zunächst (V. 1-25) im indikativ Präteritum („zogen“ (V. 1)) und einem beobachtenden Lyrischen Ichs verfasst. Später (V. 26-30) verwendet Eichendorff das indikativ Präsens („singen“ (V.26)) und ein aktives Lyrisches Ich, um die Aktualität der Gefahr des Scheiterns im romanischen Sinne zu betonen. Eichendorff verwendet typisch romantische Symbole wie die Gesellen als Symbol für den Menschen im romantischen Sinne, sowie das Motiv des Wassers („Wellen“ (V. 4)) und des „Schiffleins“ (V. 23) als Metapher4 für den Lebensweg, um dem Gedicht eine typisch romantische Stimmung zu verleihen.
Im Inscriptio führt Eichendorff in den Aufbruch der zwei Gesellen auf Lebenswanderschaft und die harten Ziele der Gesellen ein (V.1-10).
Zunächst führt Eichendorff in den Aufbruch der zwei Gesellen auf Lebenswanderschaft ein. Eichendorff lässt die „zwei Gesellen“ (V. 1) „zum ersten Mal von Haus“ (V. 2) ziehen. Dabei sind die unpersönlichen Gesellen Repräsentanten aller jungen Leute, die sich von dem „Haus“ (V. 2) als typisch romantischen Symbol der Aufklärung entfernen und auf Lebenswanderschaft gehen. Eichendorff wählt den märchenhaften Einstieg „Es zogen zwei rüstge Gesellen“ (V. 1), um eine positive Darstellung des Aufbruchs auf Lebenswanderschaft zu kreieren. Der Märchenhafte Einstieg kreiert eine unbeschwerte und phantastische Atmosphäre die Abendteuer im Leben der Gesellen impliziert, was im romantischen Sinne ein Erfolg ist. Außerdem deutet Eichendorff mithilfe der Jahreszeitenmetaphotik des „Frühlings“ (V. 5) auf den Aufbruch der Gesellen hin, da der Frühling, genau wie der Aufbruch, der Beginn etwas Neuem ist.
Des Weiteren etabliert Eichendorff das Motiv des Wassers als Symbol für das Leben der Gesellen. Eichendorff verwendet den Binnenreim „Klingenden, singenden Wellen“ (V. 4), um erneut eine fröhliche und unbeschwerte Atmosphäre des Aufbruchs zu kreieren. Außerdem lässt Eichendorff die Gesellen „in“ (V. 3) die „Wellen“ (V. 4) hinausgehen und konfiguriert somit die Wellen als Symbol für das Leben, in das die Gesellen sich bald begeben werden.
Weiterhin lässt Eichendorff den Leser erkennen, dass die Gesellen bei ihrer Lebenswanderschaft große Ziele im romantischen Sinne verfolgen. Die Gesellen streben auf ihrer Lebenswanderschaft nach „hohen Dingen“ (V. 6) und wollen „trotz Lust und Schmerz“ (V. 7) „was Recht’s in der Welt vollbringen“ (V. 8). Die raummetaphorisch „hohen Dinge“ (V. 6) versinnbildlichen die hohen Ziele, wie zum Beispiel die für den Romantiker typische Selbstfindung und das erleben der Natur, die die Gesellen erreichen wollen. Die Antithese5 „trotz Lust und Schmerz“ (V. 7) betont wie energisch die Gesellen sind, da sie bereit sind das volle Spektrum der Gefühle, von Lust bis Schmerz, zu erleben, um ihre Ziele zu erreichen.
Zudem führt Eichendorff den Leser im Inscriptio in den Enthusiasmus der Gesellen ein, der sich auf andere überträgt. Jedem, dem die Gesellen „vorübergingen, Dem lachten Sinnen und Herz“ (V. 10), was die Lebendigkeit und mitreißende Freude der Gesellen betont. Eichendorff personifiziert die Sinne und das Herz, um die allumfassende Reichweite des Enthusiasmus der Gesellen zu betonen. Die Gesellen bringen nicht nur die Menschen um sich herum zum Lachen, sondern auch die Sinne und das Herz dieser Menschen, was den Enthusiasmus und die positive Aufbruchsstimmung der Gesellen etabliert und weiterhin betont. Auch die Synästhesie6 der lachenden Sinne betont den allumfassenden Enthusiasmus, da dieser sogar unmögliche Szenarien scheinbar hervorrufen lässt.
Weiterhin beschreibt Eichendorff das Schicksal des ersten Gesellen, der im Sinne der Romantik scheitert und sich in der Aufklärung niederlässt, um die Gefahren der Entfremdung im romantischen Sinne aufzuzeigen (V. 11-15).
Zunächst lässt Eichendorff den ersten Gesellen Heiraten und lässt ihn in der Aufklärung nieder, um auf das Scheitern im romantischen Sinne aufmerksam zu machen. Eichendorff lässt den ersten Gesellen ein „Liebchen“ (V. 11) finden, um durch das Deminutiv zu betonen, dass er keine wahre und ganze Liebe, sondern eine verkleinerte, deminutiv Liebe gefunden hat. Auch das „Bübchen“ (V. 13) und das „Stübchen“ (V.14), das der Geselle später hat sind keine wahren Erfolge, was durch die Verniedlichung durch das Deminutiv betont wird. Das Diminutiv7 erweckt im Leser Assoziationen mit einer gezähmten und daher nicht ursprünglichen Version, die das Ideal des Romantikers darstellt. Außerdem lässt Eichendorff den Leser erkennen, dass es sich bei der Hochzeit um eine Zweckhochzeit handelt und es sich somit nicht um wahre Liebe handelt. Nachdem der Geselle ein „Liebchen“ (V. 11) findet kaufen „die Schwieger […] Haus und Hof“ (V. 12). Die Hochzeit bringt demnach finanzielle Vorteile für das Ehepaar, was den Leser darauf schließen lässt, dass es sich um eine Zweckhochzeit und nicht um wahre Liebe handelt, was eine kritikwürdige Entfremdung im romantischen Sinne bedeutet.
Außerdem verwendet Eichendorff mit Rhythmen assoziierte Verben, um die Gleichförmigkeit in der Aufklärung und das damit verbundene Scheitern des ersten Gesellen zu verdeutlichen. Das Verb „wiegte“ (V. 13) assoziiert der Leser mit einer gleichförmigen Bewegung. So wie das wiegen eines Kindes eine sich widerholende Bewegung ist, so ist auch das Leben in der Aufklärung von Routine durchzogen.
Zudem betont Eichendorff, dass der erste Geselle sich mit dem Leben in der aufgeklärten Welt abgefunden hat, um das Scheitern des Gesellen zu betonen. Der Geselle sah „Behaglich ins Feld hinaus“ (V. 15), wobei das Adverb „behaglich“ (V.15) darauf schließen lässt, dass der Geselle sich endgültig niedergelassen hat, da die ruhige Art im Kontrast zu der energetischen Stimmung vor der Lebenswanderschaft steht. Das Fenstermotiv in reversierter Form und das Feld, das als gezähmte Natur Symbol für die Aufklärung ist, machen den Leser darauf aufmerksam, dass der Geselle nun keine Sehnsucht nach der Natur hat, sondern sich in der aufgeklärten Welt niedergelassen hat.
Zudem schildert Eichendorff das Schicksal des zweiten Gesellen, der sich sinnlichen Verführungen hingibt, um Kritik an der entfremdeten Lebensweise auszuüben.
Zunächst lässt Eichendorff den Leser erkennen, dass der zweite Geselle den sinnlichen Versuchungen der Frauen erliegt, um diese als Gefahr darzustellen. Dem Gesellen „logen Die tausend Stimmen im Grund“ (V. 16f), was dem Leser die Gefahr der Frauen darstellt. Die „Stimmen“ (V.17), die dem Gesellen „Verlockend“ (V.18) singen, lassen den Leser vermuten, dass es sich um Menschen handelt, die den Gesellen sexuell reizen; Frauen. Die Hyperbel8, „tausend“ (V.17), lässt den Leser das Ausmaß und die Stärke der Gefahr erkennen, wobei das Verb „logen“ (V.16) und „Grund“ (V.17) die Gefahr etablieren. Das Verb „logen“ (V.16) wird mit Unehrlichkeit und daher negativen Gefühlen assoziiert. Die raummetaphorische Tiefe und Gefahr des „[Grundes]“ (V.17) steht im Kontrast zu den „hohen Dingen“ (V. 6) nach denen die Gesellen bei dem Aufbruch auf Lebenswanderschaft strebten und hebt somit hervor, dass der Geselle seine Ziele nicht erreicht hat und gescheitert ist.
Des Weiteren lässt Eichendorff den Gesellen in den „Farbig klingenden Schlund“ (V. 20), um sowohl die Gefahr als auch die Oberflächlichkeit der sinnlichen Verführungen zu betonen. Eichendorff verdeutlicht durch die Synästhesie „Farbig klingend“ (V.20), dass der Reiz der Frauen nur von sinnlichen und somit oberflächlichen Reizen ausgeht. Außerdem betont er durch die Synästhesie, dass die Reize nicht unbedingt der Realität entsprechen. So wie Klänge nicht farbig sein können, so sind auch die Reize der Frauen nicht so prachtvoll wie sie zunächst erscheinen. Die Assoziationen von Gefahr und Tod mit dem „Schlund“ (V.20) festigen das Bild des gescheiterten Gesellen.
Im Kontrast zum ersten Gesellen verwendet Eichendorff bei der Beschreibung des Scheiterns des zweiten Gesellen Enjambement, um die ins Unglück reißende Kraft der Versuchungen darzustellen. So wie die Sätze im Gedicht nicht enden, so hören auch die sinnlichen Versuchungen nicht auf den Gesellen immer weiter ins Unglück zu ziehen.
Zudem veranschaulicht Eichendorff die Folgen des Lebensstils des zweiten Gesellen, um diesen zu kritisieren. Als der Geselle wieder „auftaucht“ (V. 21) „war er müde und alt“ (V. 22) und sein „Schifflein, das lag am Grunde“ (V. 23). Die Adjektive „müde und alt“ (V. 22) lassen den Leser die unschönen Folgen des Lebensstils erkennen. Mit dem „Schifflein“ (V. 23) greift Eichendorff das Motiv des Wassers wieder auf, wobei das „Schifflein“ (V. 23) eine Metapher für den Gesellen ist, der über das Wasser des Lebens gesegelt ist. Das „Schifflein“ (V. 23), das jetzt am Grunde ist bringt daher zum Ausdruck, dass auch der Geselle nun am Ende ist, wodurch Eichendorff Kritik an dieser Lebensweise ausübt. Auch über das „Wasser weht’s kalt“ (V. 25), was durch die Metapher des Wassers für das Leben offenbart, dass es nun auch im Leben des Gesellen kalt ist und an echten zwischenmenschlichen Beziehungen mangelt.
Zuletzt trauert das Lyrische Ich um die Gesellen und gibt als Hilfe Gottes Wort als kategorischen Imperativ vor, um sich im romantischen Sinne treu zu bleiben. (V. 26-30)
Eichendorff verwendet Rahmenbildung, um das Schicksal der Gesellen erneut aufzugreifen und somit die Aktualität des Themas zu betonen. Sowohl das Motiv der „Wellen“ (V. 26) als auch des „Frühlings“ (V. 27) werden erneut aufgegriffen, womit Eichendorff veranschaulicht, dass immer wieder Gesellen auf Lebenswanderschaft aufbrechen und sich vor den Gefahren der Entfremdung in Acht nehmen sollten. So wie der Frühling als Jahreszeit des Aufbruchs am Anfang und am Ende des Gedichts vorkommt, so brechen auch Gesellen immer wieder auf Lebenswanderschaft auf.
Weiterhin verwendet Eichendorff den finalen Vers, um Gottes Wort als Lösung zu präsentieren. Das Lyrische Ich bittet, „Ach, Gott, führ uns liebreich zu Dir!“ (V. 30) und erläutert durch das Pronomen „uns“ (V. 30), dass alle Romantiker Gottes Wort als kategorischen Imperativ nutzen sollten. Die Bitte an Gott, Romantiker zu sich zu nehmen, gestaltet sich genauso als Anreiz für Romantiker zu Gott zu gehen, da Gott als Lösung des Problems der Entfremdung etabliert wird. Daher bietet Eichendorff dem Leser Gottes Wort als Schutz vor der Entfremdung in der Aufklärung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eichendorff das Schicksal der zwei Gesellen als Repräsentanten aller Romantiker darstellen. Außerdem stellt Eichendorff Gottes Wort als kategorischen Imperativ dar und zeigt diesen als Lösungsansatz zur Verhinderung der Entfremdung in der Fremden Aufklärung auf. Besonders in der heutigen Welt, die stark von der Aufklärung geprägt ist, lässt sich Eichendorffs Lösungsansatz umsetzen und ist daher von besonderer Bedeutung.