Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Leben von Anfang bis Ende zu durchlaufen ist ein Prozess, welchen jeder bewältigen muss. Der eine hat Glück, der andere leider Pech – so auch die Beiden Gesellen, welche Joseph von Eichendorff in seinem Gedicht „Zwei Gesellen / Frühlingsfahrt“ anspricht. Eichendorff hat das vorliegende Gedicht im Jahre 1818 verfasst, also in der Mitte der Epoche „Romantik“, welche bekanntermaßen von 1795 bis 1840 angedauert hat. Das dem Gedicht zugrundeliegende Thema behandelt das Thema der Religiosität. Jeder kann zu Gott finden – er richtet nicht nach Erfolg oder Misserfolg im Leben eines Menschen.
Das vorliegende, aus sechs Strophen bestehende Gedicht, umfasst 30 Strophen, was eine Gesamtzahl von fünf Versen pro Strophe ergibt. Das Reimschema ist A-B-A-A-B, die Kadenzen1 sind w-m-w-w-m. Das Versmaß ist der dreihebige Jambus.
Im gesamten Gedicht kann man das für die Romantik typische Motiv des Fernwehs erkennen. Beispielsweise freuen sich beide Gesellen (v. 3) und wollen „Was rechts in der Welt vollbringen“ (v. 8). Beide jungen Männer stehen symbolisch für die gesamte junge Generation, welche den Weg durch das Leben noch vor sich hat. Die Realität wird im Gedicht treffend abgebildet: So hat der eine Teil Glück im Leben und erlangt Zufriedenheit. Der andere Teil hat aber Pech und erleidet viel Schmerz. Das lyrische Ich hält sich in den ersten fünf Strophen im Hintergrund, es tritt nur in der letzten Strophe selbst in Erscheinung. Sprachlich werden im ganzen Gedicht immer wieder Enjambements2 eingestreut, welche auf die seelische Unruhe hinweisen. Diese Unruhe entsteht durch die Unsicherheit, da man ja nicht weiß, was die Zukunft alles bringen wird. Durch die häufige Verwendung von „e“ - oder „i“ - Lauten wird dem ganzen Gedicht eine eher hell klingende Farbe gegeben. Dieser heller klang spiegelt auch die Begeisterung der beiden Gesellen wieder, welche anfangs voller Tatendrang waren.
Strophe eins und zwei beschreiben zwei junge Männer, welche nach Absolvierung der Kindheit ins Leben starten. Beide sind sehr ambitioniert (v. 6) und freuen (v. 3) sich auf die Zukunft. Diese Freude strahlen sie auch aus, denn „[...] wem sie vorrübergingen / dem lachten Sinn und Herz“ (v. 9 f.). Der Anfang des Gedichtes markiert somit den Anfang des selbstständigen Lebens der beiden Männer.
Stilistisch findet sich die Assonanz3 der „Singenden, klingenden Wellen“ (v. 4). Diese verdeutlicht die Meeresbewegungen. Diese Meeresbewegungen „Des vollen Frühlings [...]“ (v. 5) stellen metaphorisch die treibenden Kräfte am Lebensanfang dar. Im Anfang des Jahres ist die Welt bekanntermaßen sehr lebendig, überall wächst und gedeiht die Umwelt. Es bewegt sich auch sehr viel. Genauso ist ein junger, gesunder Mensch voller Tatendrang und möchte etwas erleben.
Die Strophe drei nimmt den einen der Beiden mehr in den Fokus, welcher Glück hat und Zufriedenheit ausstrahlt. So hat er Frau (v. 11), Kind (v. 13) und einen Hof (v. 12). Er „[...] sah aus heimlichem Stübchen / behaglich ins Feld hinaus“ (v. 14 f.). Dies spiegelt die damals, wie heute übliche Idealvorstellung eines guten Lebens wieder.
Demgegenüber steht kontrastrierend die Strophen vier und fünf, welche sich inhaltlich mit dem anderen der beiden Männer beschäftigen. Dieser ist wie vom Pech verfolgt, denn er wurde betrogen (v. 14). Erst als er alt ist, scheint er dies zu bemerken (v. 21).
Die Sirenen (v. 18) symbolisieren Menschen mit bösen Absichten, welche den zweiten der Gesellen verführt haben. Eichendorff stellt mit der Synästhesie4 „Farbig klingenden Schlund“ (v. 20) die Attraktivität der Köder dar, welche von Betrügern ausgeworfen werden. Der „Schlund“ steht hierbei selbst für die Falle, welche zuschnappt, nachdem das Opfer den Köder geschluckt hat. Das Symbol „[...] Schifflein […]“ (v. 23) steht hier für die gesamte Existenz des Mannes, welche „[...] im Grunde“ (v. 23) liegt. Die Betrüger haben also sein Leben zerstört. Weiterhin ist auffällig, dass ganze zwei Strophen der Person gewidmet sind, welche vom Pech verfolgt ist. Andererseits bekommt die glückliche Person nur eine Strophe zugewiesen. Hier ist es, wie so oft, dass das Pech, also das Negative, viel mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt, als das Positive.
In der sechsten und letzten Strophe schildert das lyrische Ich seine Gedanken und Gefühle. Das lyrische Ich tritt hier das erste mal im ganzen Gedicht in Erscheinung. Es selbst scheint auch am Lebensanfang zu stehen. Es fordert durch eine Exclamation (v. 30) Gott auf, es auf angenehmen Pfad durch das Leben zu führen. Letzten Endes scheint es aber darum zu gehen, zu Gott zu gelangen, was ebenfalls im letzten Vers angesprochen wird. Durch diesen Vers gibt Eichendorff dem Leben einen Sinn. Wie man nun zu Gott kommt, ist weniger wichtig. Gott scheint nicht über Erfolg oder Misserfolg im Leben eines Menschen zu richten. In diesem, größeren Kontext, sieht das Leben des zweiten der Gesellen am Ende gar nicht so schlecht aus, da auch er zu Gott finden wird. Das lyrische Ich wird traurig (v. 28) beim Anblick von jungen Männern. Es scheint sich zu fragen, wie viel Leid diese auszuhalten haben, bis sie zu Gott gefunden haben.
Zusammengefasst lässt sich in diesem Gedicht ein sehr starker Hang hin zur Religion erkennen. Eichendorff stellt dar, wie es im christlichen Glauben üblich ist, dass man auf vielen Wegen zu Gott finden kann. Es ist letztlich unwichtig, welchen davon man nimmt – oder welchen das Schicksal für einen bereithält. Ebenfalls ist das Thema der Religiosität in der damaligen Zeit wichtig gewesen, da in der Zeit um die Jahrhundertwende hin zum 19. Jhd. die Aufklärung stattgefunden hat. Eichendorff bekennt sich hierbei klar zur Religion und nicht zu deren Hinterfragung, da er den Weg zu Gott im Allgemeinen als positiv darstellt.