Drama: Nathan der Weise (1779)
Autor/in: Gotthold Ephraim LessingEpoche: Aufklärung
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Jeder Mensch ist in einigen Dingen voreingenommen und hat vor anderen Dingen, Menschen oder Religionen Vorurteile.
In dieser Rolle befindet sich auch der Tempelherr aus dem Drama „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing aus dem Jahr 1783 verfasst.
Nathan ist ein reicher Geschäftsmann und ist ein Jude, der zusammen mit seiner Adoptivtochter Recha und Daja lebt. Nathan kommt von einer langen Reise nach Hause und erfährt, dass seine Tochter fast gestorben ist, da das Haus gebrannt hat. Ein Tempelherr rettet sie aber, doch Recha ist davon fest überzeugt, dass er nur ein Engel sein kann. Nathan klärt sie auf und Recha benutzt ihren eigenen Verstand und erlangt die Erkenntnis, dass der Tempelherr ein Mensch ist und darauf hin will Nathan ihn aufsuchen, um sich bei ihm zu bedanken. Al-Hafi, Nathans alter Freund, kommt Nathan entgegen und berichtet ihm davon, dass Sultan Saladin sich nach ihm erkundigen wird, da er von ihm Geld benötigt. Er will Nathan davon abraten ihm Geld zu geben.
Die Textstelle setzt ein, als Nathan zu dem Tempelherrn geht, um sich bei ihm zu bedanken. Er ist Nathan sehr voreingenommen, da der Tempelherr ein Christ und Nathan ein Jude ist. Nathan klärt ihn auf und sie freunden sich an und Nathan versteht, warum der Tempelherr nicht vorher zu Recha gegangen ist, denn Nathan der Hausherr ist nicht zu Hause. Nathan begibt sich zu Sultan Saladin und hier ist der Hochpunkt in dem Drama, denn Nathan erzählt ihm von der Ringparabel. Sultan ist ein Moslem und will von Nathan erfahren, welche Religion die wahre ist. Nathan überzeugt ihn davon, dass jede Religion den gleichen Wert besitzt und sie werden auch Freunde. Als der Tempelherr von Daja erfährt, dass Recha von Nathan eine Adoptivtochter ist und eigentlich eine Christin ist und von Nathan jüdisch erzogen ist, ist der Tempelherr und geht zu dem Patriarchen, um ihn nach Rat zu bitten und der Patriarch will diesen Mann, also Nathan, zur Rechenschaft ziehen. Der Klosterbruder erfährt davon und berichtet Nathan von diesem Ereignis, denn der Klosterbruder ist derjenige, der vor Jahren Recha als Säugling Nathan übergeben hat, der seine gesamte Familie verloren hat. Sie beide kommen zu dem Entschluss, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind und der Vater von ihnen, der Bruder von Saladin ist, was der Grund ist, weshalb der Tempelherr zu Beginn der Geschichte von Sultan begnadigt wird, da er seinem Bruder so ähnlich sieht. Nathan, Recha und der Tempelherr gehen zu Sultan wo auch seine Schwester Sittah ist und Nathan gibt bekannt, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind und die Kinder von dem Bruder von Sultan und Sittah sind.
Lessing kritisiert in diesem Aufzug 2.5, dass man nicht unmündig sein soll und seinen eigenen Verstand benutzen soll, da man ansonsten eine eingeschränkte Meinung und Sichtweise hat.
Nathan hat Recha davon überzeugt, dass der Tempelherr ein Mensch ist und will ihn nun aufsuchen. Er begegnet ihm und will ihm seinen Dank aussprechen, doch der Tempelherr widerspricht ihm und ist der Meinung, dass es nichts zu danken gibt, denn er weiß nicht, dass „dieses Mädchen [Nathans] […] Tochter“ (V. 1212) ist. Durch diese rhetorische Frage übermittelt der Tempelherr, dass es nicht seine Absicht ist einer Jüdin das Leben zu retten.
Der Tempelherr belehrt, dass es seine Pflicht ist „dem ersten, [d]em besten“ (V. 1213) zu helfen, wenn jemand in Not ist. Diese Klimax1 vermittelt dem Leser, dass es nicht die Absicht von dem Tempelherrn ist bewusst einer Jüdin das Leben zu schenken, denn es geht ihn um den Aspekt, dass er jedem hilft, wenn er sieht, dass sie jemand braucht. Dafür benötigt er also keinen dank von Nathan.
Der Tempelherr sagt, dass er gerne in diesem Moment sein Leben für ein anderes einsetzen würde, auch wenn es nur „[d]as Leben einer Jüdin“ (V. 1219) ist. Er verdeutlicht dem Leser, wie voreingenommen er den Juden gegenüber ist und bekräftigt diese Aussage damit, dass sie nur eine Jüdin ist, als würde ein Leben von einem Christen mehr Wert haben.
Nathan erwidert, dass es „[g]roß und abscheulich“ (V. 1221) ist. Diese Metapher2 zeigt, dass der Tempelherr das Große ist, welches sich hinter dem abscheulichen versteckt, um der Bewunderung vor Nathan auszuweichen.
Nathan fragt den Tempelherren, womit er ihm dienen kann, denn er ist ein reicher Jude, doch der Tempelherr streitet seine Hilfe ab und das ihm der reichere Jude, nicht der bessere Jude ist (vgl. V. 1229 ff.). Der Tempelherr bleibt Stur und legt seine Vorurteile den Juden gegenüber nicht ab und will weiter hin keinen dank von Nathan annehmen, obwohl Nathan reich ist.
Der Tempelherr schlägt vor, dass er irgendwann mal Stoff oder Geld abholen wird, wenn er einen neuen Mantel benötigt, denn bisher hat er nur einen verbrannten Fleck, den er bekommen hat, als er die Tochter von Nathan „[d]urchs Feuer [getragen hat] […]“ (V. 1246). Durch diese Aussage zeigt der Tempelherr Nathan einen Weg, wie Nathan ihm seinen Dank aussprechen kann. Zudem ist die Aussage dafür gedacht, da er Nathan vertreiben möchte, denn wenn er einen Mantel benötigt, wird er nicht zu ihm gehen.
Nathan unterstellt, dass dieser böser Fleck ein „bessres Zeugnis redet[,] als [der] […] eigner Mund [von dem Tempelherrn]“ (V. 1248 f.). Diese Personifikation3 veranschaulicht dem Leser, dass der Brandfleck auf dem Mantel mehr Wahrheit von sich gibt, als der Tempelherr selber. Dieser verbrannte Fleck zeigt nämlich die Tapferkeit von dem Tempelherrn, dass er sein Leben für ein anderes gefährdet hat, obwohl er die Person nicht einmal kennt. Das ist eine Tat, die belohnt werden muss und einen entsprechenden Dank verdient.
Nathan fällt eine Träne auf den Mantel und bittet den Tempelherrn darum, ob er auch zu Recha gehen kann, damit sie ihm ihre Dankbarkeit zeigen kann, denn sie wünscht es sehr (vgl. V. 1252 ff.). Das Symbol der Träne verdeutlicht dem Leser, wie dankbar und erleichtert Nathan über die Tatsache ist, dass seine Adoptivtochter Recha dieses Feuer im Haus überlebt hat. Er zeigt dem Tempelherrn ganz genau, wie viel für ihn und auch Recha diese Tat bedeutet.
Der Tempelherr gibt zu, dass Nathan seine Worte „sehr – sehr gut – sehr spitz“ (V. 1260) wählt. Diese Klimax vermittelt, dass der Tempelherr in Erwägung zieht, seine Vorurteile zu den Juden abzulegen, da er durch die bedachte Wortwahl von Nathan überzeugt wird, dass er den Dank von Nathan annehmen sollte und das seine Vorurteile eventuell nicht wahr sind.
Nathan unterstellt dem Tempelherrn, dass er ihn auch in dieser Situation durchschaut, nämlich das er zu edel ist, dann zu Recha zu gehen, wenn der Vater weit weg ist und dankt ihm dafür (vgl. V. 1262 ff.). Nathan verdeutlicht, dass er den Tempelherrn schon lange durchschaut hat und will ihm zeigen, dass seine Vorurteile zu Unrecht sind.
Der Tempelherr sagt Nathan das er weiß, wie Tempelherrn denken müssen, doch Nathan erwidert, dass er weiß „wie gute Menschen denken [und das] […] alle Länder gute Menschen“ (V. 1273 f.) haben. Dadurch belehrt Nathan, dass unabhängig von welchem Land, dass überall gute Menschen existieren, doch sowohl auch schlechte.
Nathan informiert das die guten Menschen unterschiedlich an „Farb, an Kleidung, [und] an Gestalt“ (V. 1276) sind. Damit vermittelt er noch einmal, dass die Hautfarbe, die Kleidung und auch allgemein die Gestalt irrelevant ist, denn es gibt überall gute Menschen, denn sie haben kein besonderes äußerliches Merkmal.
Nathan rechtfertigt, dass jeder große Mann überall viel Boden, also Platz braucht. Wenn mehrere aber zu dicht nebeneinander gepflanzt sind, zerschlagen sie sich die Äste. Überall in der Menge sind normale Menschen vorzufinden, nur muss man einen anderen nicht zu Unrecht kritisieren (vgl. V. 1279 ff.) und „der Knorr [muss] den Knuppen […] vertragen. […] [E]in Gipfelchen [soll] sich nicht vermessen, [weil] […] es allein [nicht] aus der Erde [kommt] (V. 1284 ff.). Diese Metapher verdeutlicht dem Leser, dass viele gute Menschen auf einem Platz sich gegenseitig verurteilen, da jeder der bessere sein möchte. Man soll niemanden zu Unrecht kritisieren, man soll sich gegenseitig verstehen und nachvollziehen können. Auch soll man aufgrund seines Misserfolges nicht niedergeschlagen sein und aufgrund dessen anderen gegenüber voreingenommen sein.
Der Tempelherr erklärt seine Vorurteile den Juden gegenüber mit dem Argument, dass das Volk der Juden sich als Erstes als auserwählt hat, sie haben den richtigen Gott und haben das anderen aufgedrängt. Wem jetzt „[d]ie Schuppen nicht vom Auge fallen“ (V. 1302) soll Blind sein. Diese Metapher kritisiert, dass das Judentum damit begonnen hat anderen aufzudrängen, dass sie den wahren Gott haben. Wer das noch immer nicht sehen kann oder sich eingestehen will, setzt der Meinung des Tempelherrn nach, seinen eigenen Verstand nicht ein.
Nathan unterstellt dem Tempelherrn, dass er gerne in ihm jemanden finden würde, dem es genügt ein Mensch zu sein (vgl. V. 1311). Dieser Anruf zeigt dem Leser, dass Nathan nun dem Tempelherrn direkt unterstellt, dass er gerne mehr in ihm sehen würde oder finden würde, dass er nicht so eingeschränkt denkt.
Doch der Tempelherr belehrt ihn, dass er soweit ist und sich einfach als Mensch sieht und bittet Nathan darum, dass er mit ihm befreundet sein möchte (vgl. V. 1314).
Der Tempelherr hat seine Vorurteile den Juden gegenüber ausgeblendet und benutzt nur seinen eigenen Verstand, um sich sein eigenes Bild von seinem gegenüber zu erschließen. Er ist von Nathan begeistert und will ihn als Freund gewinnen.
Lessing kritisiert die mangelnde Bereitschaft, seinen eigenen Verstand zu verwenden und sich Dinge selbst zu erschließen, anstatt eingeschränkt mit Vorurteilen Menschen zu begegnen.