Drama: Nathan der Weise (1779)
Autor/in: Gotthold Ephraim LessingEpoche: Aufklärung
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Charakterisierung und Interpretation
Aufgabe: Schreibe eine Charakterisierung der Figur Recha aus Lessings „Nathan der Weise“ mit Schwerpunkt auf Rechas Stellung in der Figurenkonstellation, Rechas Verhältnis zu anderen Figuren in den Szenen I/2, III/1, III/3, V/6, V/7 und ihre Haltung zur Religion. Wie weit stimmt bzw. unterscheidet sich diese von Nathan?
„Nathan der Weise“, ein Drama von Gotthold Ephraim Lessing, wurde 1779 veröffentlicht und handelt von dem Religionskonflikt der drei monotheistischen Weltreligionen zur Zeit des Kreuzzuges 1192 in Jerusalem. Das Werk hat das Hauptthema der Menschlichkeit und den Toleranzgedanken der Aufklärung, der durch das Kernstück des Dramas, der Ringparabel, unterstrichen wird. Nachfolgend soll die Figur Recha charakterisiert werden.
Recha ist eine der Hauptpersonen des Dramas und vereint in ihrer Figur alle drei Weltreligionen. Deshalb ist es schwierig zu sagen, welcher Religion sie angehört. Sie tritt in fast jedem Aufzug auf und spricht wie alle anderen Figuren im Blankvers1, das heißt, sie spricht in einer rhythmisch bewegten Versform.
Nun werde ich Rechas Stellung in der Figurenkonstellation beschreiben.
Das 18-jährige Mädchen ist die angenommene Tochter von Nathan, einem unorthodoxen Juden. Eigentlich heißt sie Blanda von Filneck und ist die Tochter von einer Christin aus Europa, und der Vater ist ein Moslem gewesen, der höchstwahrscheinlich zum Christentum konvertiert ist. Somit ist sie auch mit dem Tempelherrn verwandt, der ihr Bruder ist und Leu von Filneck heißt. Außerdem ist ihr Vater der verschollene Bruder von Sultan Saladin und seiner Schwester Sittah. Dadurch sind in ihr alle Weltreligionen miteinander vereint, weil sie zu jeder Hauptperson eine Geistes- oder Blutsverwandtschaft besitzt (vgl. V/8).
Im Folgenden werde ich das Verhältnis von Recha zu Daja, Nathan und dem Tempelherrn unter Berücksichtigung bestimmter Szenen untersuchen.
Schon am Anfang des Dramas wird dem Zuschauer deutlich gemacht, dass Nathan als ihr Ziehvater einen besonders starken Einfluss auf sie hat. Recha denkt, dass ein Engel ihr das Leben gerettet hat, als er sie aus einem brennenden Haus befreit hat. Diese Überzeugung schlägt in einen „Wahn“ um und sie ist vollkommen überzeugt, dass ein Engel sie gerettet habe (vgl. S. 10, Z. 28 f.). Doch Nathan versucht Recha zu besänftigen, indem er mit ihr ein Erziehungsgespräch beginnt und versucht eine natürliche Erklärung zu finden (vgl. S. 11, Z. 33 - S. 12, Z. 2). Nathan spricht mir ihr behutsam und versucht sie selbst auf den Weg der Wahrheit zu führen und letztendlich ist Recha überzeugt, dass Wunder Bestandteil der Schöpfung sind und sie keine übernatürlichen Kräfte, wie Engel zu ihrer Erklärung braucht (vgl. S. 13, Z. 27-28). Somit wird deutlich, dass Recha Nathan als Respektperson ansieht und in ihm ein Vorbild sieht, das sie auf den richtigen Weg leitet, sodass sie, nachdem sie endlich die Wahrheit gefunden hat, ihn bittet, sie nie wieder allein zu lassen (vgl. S. 17, Z. 2-3).
Im ersten Auftritt des dritten Aufzuges gesteht Daja Recha ihren sehnlichsten Wunsch. Dadurch, dass Daja die Gesellschafterin Rechas ist, übernimmt sie die Mutterrolle für sie und weiß auch, dass Recha als Christin geboren wurde. Dies ist der Grund, weshalb Daja Recha erklärt, dass ihr sehnlichster Wunsch ist, dass Recha endlich nach Europa zieht und einen Mann heiratet, welcher ihrer „würdig“ (S. 63, Z. 26) ist. Doch Recha ist verwirrt durch die Worte ihrer Gesellschafterin, weil sie sich selbst in Jerusalem zu Hause fühlt (vgl. S. 64, Z. 2) und nicht in irgendeinem fremden Land in Europa. Auch wenn Daja anfangs (vgl. I/2) einen großen Einfluss auf sie hatte und sie überzeugt hat, dass ein Engel sie gerettet hat, ist Recha nun durch die Worte ihres Vaters reifer geworden und folgt der Vernunft (vgl. S. 64, Z. 25).
Recha respektiert, wie ihr Vater Nathan, die Glaubensrichtung Dajas und versucht sie zu belehren, dass jeder Mensch frei seinen Glauben auswählen kann (vgl. S. 64, Z. 17 ff.). Dadurch, dass Recha nicht weiß, dass sie eigentlich als Christin geboren wurde, versucht Daja sie immer wieder vom Glauben des Christentums zu überzeugen, obwohl Recha mehrmals betont, dass Nathan den fremden Einfluss von Daja nicht gutheißt (vgl. S. 64, Z. 28-30). Auch wenn Recha leicht beeinflussbar ist, weiß sie, für welche Religion sie steht und beendet das Gespräch, als ihr Daja zu aufdringlich wird (vgl. S. 67, Z. 29-31).
Im dritten Aufzug des dritten Auftritts bemerkt der Zuschauer eine weitere Charaktereigenschaft, nämlich die Ruhe und die Gelassenheit, die Recha ausstrahlt. Im zweiten Dialog mit Daja wird dies deutlich, weil sie nun, nachdem sie dem Tempelherrn ihren Dank für ihr Leben (vgl. III/2) ausgesprochen hat, endlich Ruhe gefunden hat (vgl. S. 70, Z. 31 f.). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Recha beeinflussbar von Daja ist und auch anfangs den Plan von Daja, dass sie zum Christentum konvertieren soll, nicht durchschaut. Deshalb sieht der Zuschauer auch Daja in der Mutterrolle für Recha, die aber im späteren Verlauf ins Negative umschlägt, weil Recha ihr nicht glauben will, dass Nathan nicht ihr leiblicher Vater ist.
Zusätzlich wird auch in III/2 und III/3 deutlich, dass Recha etwas für den Tempelherrn empfindet, dennoch etwas zurückhaltend ist (vgl. III/2). Als sie jedoch erfährt, dass sie Geschwister sind, ist sie trotzdem glücklich, weil sie einen Bruder hinzugewonnen hat (vgl. V/8).
In den Szenen V/6 und V/7 wird nochmals das Verhältnis zwischen Nathan und Recha deutlich. Als Recha in den Harem von Sittah geholt wird und Sittah sie fragt, woher sie diese Weisheit hat, antwortet Recha, dass sie alles von ihrem Vater gelernt hat (vgl. S. 138, Z. 29-31). Sie lobt ihren Vater in den höchsten Tönen und umso schwerer fällt es ihr, als sie erfährt, dass Nathan nicht ihr leiblicher Vater ist. Doch auch in so einer schwierigen Situation merkt der Zuschauer, dass sie Nathan als ihr Vorbild angenommen hat und es zuletzt auch nicht mehr in Frage stellt, dass Nathan nicht ihr leiblicher Vater ist, weil „nicht nur das Blut den Vater macht“ (S. 143, Z. 11 ff.). In dieser Ansicht wird sie durch die Aussage Saladins unterstützt (vgl. S. 143, Z. 25-26).
Im Großen und Ganzen lässt sich sagen, dass Recha anfangs eine Person ist, die leicht beeinflussbar ist, doch sie entwickelt sich über das Drama geistig weiter und stellt immer mehr die Aussagen der anderen in Frage. Diese Weisheit hat sie ihrem Vater und seinen Erziehungsdialogen zu verdanken.
Zuletzt werde ich die Haltung Rechas zur Religion analysieren.
Ich denke, dass sie den gleichen Glaubensweg wie Nathan beschreitet. Sie selbst ist gegenüber jeder Religion tolerant und akzeptiert diese. Dennoch denke ich, dass sie keiner der drei Weltreligionen angehört, weil sie durch ihre Verwandtschaftsverhältnisse jeder Religion indirekt angehört. Das ist der wesentliche Unterschied zu Nathans Glaube, weil dieser trotz dieser toleranten Glaubensart immer noch dem Judentum angehört. Lediglich die Intention des Glaubens haben die beiden gemeinsam, nämlich, dass es einen Gott gibt, aber die Vernunft im eigenen Handeln eine genauso wichtige Rolle spielt.
Abschließend lässt sich sagen, dass Recha den Toleranzgedanken der Aufklärung verkörpert, indem sie jede Religion akzeptiert und an einen Gott glaubt. Dennoch spielt die Vernunft neben Glauben eine wichtige Rolle und kann mit dem Glauben gleichgesetzt werden. Dadurch wird die Intention des Dramas deutlich, da Lessing den Zuschauern zeigen wollte, dass die Toleranz und die Vernunft ein wichtiger Bestandteil in unserer Gesellschaft ist.