Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Die Erzählung „Die Verwandlung“, welche im Jahr 1912 von Franz Kafka geschrieben wurde, befasst sich mit der Verwandlung von Gregor Samsa in einen Käfer sowie den daraus resultierenden Reaktionen seines Umfeldes.
Die vorliegende Szene handelt von einem Kampf zwischen Gregor und seinem Vater, in dem das Insekt der eindeutig unterlegene Gegner ist.
Aufgrund der Perspektivlosigkeit Gregor Samsas sowie der abstrakten Handlung lässt sich die Geschichte in die Zeit des Expressionismus einordnen.
Die Handlung beginnt damit, dass der Protagonist eines Morgens als Käfer in seinem Bett erwacht. Von dieser Verwandlung verwundert, geht er zunächst davon aus, dass dieser Zustand nur von kurzer Dauer sei. Seine Familie, welche mit der Situation überfordert ist, sperrt ihn in sein Zimmer, wo nur die Schwestern ihn mit dem Nötigsten versorgt. Durch mehrere Aufeinandertreffen zwischen Insekt und Familie wird das Verhältnis immer angespannter. Nach einer weiteren Auseinandersetzung stirbt Gregor schließlich verletzt und einsam in seinem Zimmer. Daraufhin kehrt seine Familie in ein normales Leben zurück.
Die zu bearbeitende Textstelle befindet sich im zweiten Teil der Erzählung und findet somit einige Zeit nach Gregors Verwandlung statt.
Unmittelbar vor dem vorliegenden Textauszug wollen die Mutter und die Schwester das Zimmer von Gregor frei räumen, damit der Käfer mehr Freiraum hat. Gregor, der mit diesem Entschluss nicht einverstanden ist, klammert sich an einem Bild in seinem Zimmer fest. So kommt es, dass die Mutter ihren Sohn das erste Mal als Käfer sieht und in Ohnmacht fällt. Gregor, welcher der Mutter helfen möchte, krabbelt aus seinem Zimmer und wird von der Schwester ausgesperrt.
Im Anschluss an die Szene befindet sich Gregor Samsa über Monate hinweg verletzt in seinem Zimmer. Trotzdem wird er von seiner Familie wieder als ein Mitglied anerkannt, was sich darin zeigt, dass sie ihm jeden Abend für einige Stunden die Tür öffnen, sodass er das Familienleben beobachten kann.
Die zu bearbeitende Szene beginnt damit, dass Gregor zu seiner Zimmertür krabbelt, um dem Vater zu zeigen, dass er in sein Zimmer zurück möchte. Der Vater aber, welcher sich seit Beginn der Verwandlung stark verändert hat, sieht diesen Willen seines Sohnes nicht und jagt ihn durch das Zimmer. Gregor, der seinem Vater unterlegen ist, traut sich nicht, an die Wände zu fliehen, um dem Vater keinen weiteren Anlass zum Ärgern zu geben. Schließlich beginnt der Vater den Käfer mit Äpfeln zu bewerfen, von denen einer den Käfer schwer verletzt. Der Kampf endet damit, dass die Mutter aus Gregors Zimmer gestürzt kommt und den Vater davon abhalten möchte, ihren gemeinsamen Sohn zu töten.
In dem Textausschnitt wird ein Einblick in die Vater-Sohn-Beziehung sowie die innere Verfassung Gregor Samsas gegeben.
Die Szene beginnt damit, dass Gregor „Sich zur Tür seines Zimmers [flüchtet]“ (S. 40 Z. 1f.). Diese ist für ihn die Trennung zwischen seiner Welt und dem Leben seiner Familie. Die Tür soll ihm seinen Schutzraum zurückgeben, da er sich vor der Familie, insbesondere dem Vater fürchtet. Er will seinem Vater zeigen, „dass es nicht nötig sei, ihn zurückzutreiben“ (S. 40 Z. 5), da er sich vor der Reaktion fürchtet.
Trotzdem erhebt er seinen Kopf gegen den Vater (vgl. S. 40 Z. 9f.), als er merkt, dass dieser ihn nicht ohne Weiteres in sein Zimmer zurückkehren lässt. Daraus wird deutlich, dass der Sohn einen Widerstandswillen gegenüber seinem Vater besitzt.
Der Vater wundert sich über die „veränderten Verhältnisse“ (S. 40 Z. 14f.). Diese spiegeln eine Veränderung der Vater-Sohn-Beziehung wieder. Früher war die gesamte Familie von Gregor abhängig, heute steht er in der Rangordnung unter allen anderen Mitgliedern.
Die rhetorische Frage „Trotzdem, trotzdem, war das noch der Vater?“ (S. 40 Z. 15f.), macht deutlich, dass das Verhältnis zwischen Gregor und seinem Vater immer schwieriger wird und die beiden außer der gemeinsamen Familie nichts mehr verbindet.
Die „straffe blaue Uniform1 mit Goldknöpfen“ (S. 40 Z. 28) verdeutlicht die Überlegenheit von Gregors Vater. Diese wird unterstrichen durch die „Riesengröße seiner Stiefelsohlen“ (S. 41 Z. 6f.). Gregor erkennt, dass sein Vater größer ist als er und einen höheren Rang eingenommen hat. Zusätzlich beschreibt der Erzähler den „steifen Kragen“ (S. 40 Z. 29) sowie „de[n] Blick der schwarzen Augen“ (S. 40 Z. 31), durch die die Kälte und damit Unverbundenheit deutlich wird, mit der der Vater seinem Sohn entgegen tritt.
Gregor wird von ihm „mehrmals die Runde um das Zimmer“ (S. 41 Z. 12) gejagt, er hat keine Chance aus der Situation zu entkommen. Die beiden sind in einer gestörten Vater-Sohn-Beziehung gefangen.
Trotzdem „blieb auch Gregor vorläufig auf dem Fußboden, zumal er fürchtete, der Vater könnte eine Flucht auf die Wände oder den Plafond für besondere Bosheit halten“ (S. 41 Z. 15ff.). Damit unterwirft er sich trotz der Schikanen weiterhin seinem Vater und möchte ihn nicht verärgern.
Während der Verfolgung tritt bei Gregor „Atemnot“ (S. 41 Z. 20) auf, die er schon in seiner „früheren Zeit“ (S. 41 Z. 21) kannte. Diese macht deutlich, dass der Sohn keine Chance gegen den Vater hat und ihm auch schon damals unterlegen gewesen ist.
Die Wände des Zimmers, in dem die Verfolgung stattfindet, sind mit „Möbeln voll Zacken und Spitzen“ (S. 41 Z. 27) verstellt. Diese symbolisieren ein Gefängnis, in dem sich Gregor als Gefangener und der Vater als Wärter befindet. Der Vater passt auf, dass Gregor sich an die Regeln hält und weist ihn auf seine Position zurück.
Schließlich „bombardiert“ (S. 41 Z. 31f.) Herr Samsa seinen Sohn mit Äpfeln. Das negativ konnotierte Verb „bombardieren“ (S. 41 Z. 31f.) unterstreicht dabei die Härte des Angriffs. Der Apfel kann als religiöses Symbol für die Erkenntnis gesehen werden. Gregor wird in diesem Moment sein Ausschluss aus der Familie deutlich, diese heißt ihn nicht mehr willkommen. Zusätzlich unterstreicht der Apfel aber auch die Vater-Sohn-Beziehung. Der Vater greift seinen Sohn nicht körperlich an, sondern verwendet einen Waffe um ihn zu verwunden. Dies tut er, da er keinen direkten Kontakt zu ihm haben möchte.
Teile des Apfels „[dringen] [...] förmlich in Gregors Rücken“ (S. 42 Z. 2f.). Diese stehen sowohl für seine äußeren Verletzungen, die er durch den Kampf erlangt, als auch für die Verletzungen, die der Vater-Sohn-Konflikt in ihm auslösen. Besonders deutlich wird dies auch daran, dass er im Verlauf der Erzählung an genau diesen Verletzungen einsam in seinem Zimmer stirbt.
Nachdem der Apfel den Käfer verletzt hat, versucht dieser weiterhin zu fliehen, „als könne der überraschende unglaubliche Schmerz mit dem Ortswechsel vergehen“ (S. 42 Z. 3f.). Gregor sieht also seinen einzigen Ausweg darin, die Familie zu verlassen. Durch die Beschreibung „überraschende [...] Schmerz“ (S. 42 Z. 3f.) fällt auf, dass er selber nicht damit rechnet, dass ihn die Auseinandersetzung mit dem Vater solche seelischen Schmerzen zufügen würde.
Am Ende des Ausschnittes eilt die Mutter aus Gregors Zimmer herbei, um ihn zu unterstützen. Die Tatsache, dass sie vorher in seinem Zimmer war (vgl. S. 42 Z. 6ff) und sich somit in seiner ,Schutzzone´ befand, macht deutlich, dass die Mutter auf der Seite ihres Sohnes ist. Die „Ohnmacht“ (S. 42 Z. 9), in die sie kurz zuvor gefallen war, zeigt, dass sie mit der Situation überfordert ist und sich hilflos fühlt.
Um den Vater zu besänftigen und die „Schonung von Gregors Leben“ (S. 42 Z. 15) zu erreichen, umarmt sie ihren Mann in „gänzlicher Vereinigung“ (S. 42 Z. 13). Diese Umarmung verdeutlicht die starke Kraft des Bundes der Familie, zu der Gregor nun nicht mehr gehört.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vater-Sohn-Beziehung an dieser Stelle der Erzählung eine entscheidende Wendung genommen hat. Der Sohn ist dem Vater unterlegen und traut sich nicht, sich gegen diesen zu wehren. Herr Samsa, welcher von seiner Überlegenheit weiß, nutzt diese aus und schadet seinem Sohn damit noch mehr. Gregor selber sieht keinen Ausweg aus seiner Situation, versucht aber trotzdem weiterhin eine Besserung für sich zu erreichen. Außerdem fühlt er sich durch den Konflikt mit seinem Vater immer mehr innerlich verletzt. Er erkennt, dass er als Mitglied der Familie verstoßen wurde uns somit kein Teil mehr von ihr ist.
Der Auszug hat eine entscheidende Bedeutung für den Verlauf der Erzählung. Gregor erkennt, dass er nicht mehr zur Familie gehört, auch wenn diese ihm im weiteren Verlauf zunächst wieder mehr akzeptiert. Zusätzlich erhält der Käfer seine inneren und äußeren Verletzungen, an denen er schließlich stirbt. Damit wird schon in dieser Szene der Tod von Gregor bestimmt und der Kampf gegen den Vater nimmt eine Wendung.
Man kann also sagen, dass es sich bei der vorliegenden Szene um eine Schlüsselstelle in der Erzählung „Die Verwandlung“ handelt.