Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Frank Kafka: Die Verwandlung – Analyse des Textauszugs S. 40, Z. 7 bis S. 42, Z. 15) mit Charakterisierung des Vaters und Darstellung der Beziehung zwischen Vater und Sohn
Der vorliegende Textauszug ist aus Franz Kafkas Werk „Die Verwandlung“, das 1916 veröffentlicht wurde, und handelt von einem eskalierenden Konflikt zwischen Gregor Samsa, der in ein Ungeziefer verwandelt worden war, und seinem Vater, der keine Grenzen kennt, wenn es darum geht, das Ungeziefer in dessen Zimmer zu scheuchen und auch in Kauf nimmt, seinen Sohn dabei zu verletzen.
Unmittelbar vor diesem Auszug räumen Grete Samsa, Gregors Schwester, und deren Mutter die Möbel aus Gregors Zimmer, damit er sich besser bewegen kann. Dies müssen sie heimlich tun als der Vater nicht zu Hause war, da sie wussten, dass er nicht damit einverstanden sein würde. Dabei sieht Frau Samsa jedoch das Ungeziefer, das einst ihr Sohn war, und wird ohnmächtig.
Fast gleichzeitig kommt Herr Samsa nach Hause zurück und konfrontiert Gregor mit der Frage, warum er denn sein Zimmer verlassen hätte.
Gleich nach dem Textauszug liegt ein Zeitensprung vor. Ein Monat ist seit den Ereignissen vergangen und Gregors Zustand hat sich nur verschlechtert. Allerdings scheinen die anderen Familienmitglieder ein schlechtes Gewissen zu haben, da sie Gregor passiv am Familienleben teilnehmen lassen, indem sie seine Zimmertür am Abend offenlassen.
Der Textauszug beginnt damit, dass Gregor seinen Vater seit längerer Zeit wieder richtig wahrnimmt und ihm dessen Veränderungen, sowohl innerliche als auch äußerliche, auffallen (S. 40, Z. 7-S. 41, Z. 4). Es folgt eine Beschreibung des Vaters wie er früher war, als Gregor noch für das finanzielle Wohl der Familie sorgen musste, und dem „jetzigen“ Vater, der selbst wieder das Geld verdient.
Nach dieser Beschreibung folgt die Erzählung der gerade geschehenden Abläufe (ab S. 41, Z. 4). Es kommt zu einer Art „Verfolgung“ von Gregor, die von seinem Vater ausgeht, wobei Herr Samsa klar im Vorteil ist und das Ungeziefer vor sich her scheucht (S. 41, Z. 9-20).
Währenddessen wird Gregors schlechter Zustand erläutert: Er leidet an Atemnot und kann sich so nur schleppend fortbewegen, bis es für ihn gar keinen Ausweg mehr gibt (S. 41, Z. 20-27).
Als Gregor seine Kräfte verlassen, bewirft der Vater ihn zudem noch mit Äpfeln (S. 41, Z. 27-S. 42, Z. 6). Erst verfehlt Herr Samsa das Ungeziefer, das sein Sohn ist, trifft es dann aber gleich zwei Mal am Rücken, wobei ein im Körper des Tiers stecken blieb und Gregor nun große Schmerzen hat.
Zum „Höhepunkt“ des Spektakels kommt es, als Frau Samsa, die vorher noch ohnmächtig in Gregors Zimmer lag, schreiend herausgestürmt kommt und versucht, ihren Mann zu besänftigen, während Gregors Zustand sich weiter verschlechtert (S. 42 Z. 6ff).
Vater Samsa wird im Verlauf dieses Textauszugs auf viele Arten direkt und indirekt charakterisiert und scheint sehr kritisch und herrisch.
Gleich zu Anfang, als er seinen Sohn sieht, wird deutlich, dass der Vater fast darauf gewartet hat, seinen Sohn bei etwas zu erwischen, was er eigentlich nicht tun dürfte, wie in diesem Fall das Verlassen seines Zimmers (vgl. S. 40, Z. 8f). Er ist „wütend und froh“ (S. 40, Z. 9), was unterstreicht, dass er nur noch negative Gefühle für das Ungeziefer besitzt.
Des Weiteren wird seine eigene Veränderung klar. Vor Gregors Verwandlung, als er noch Alleinverdiener der Familie war, war der Vater faul, tat nichts und war oft „gar nicht recht imstande […] aufzustehen“ (S. 40, Z. 19).
Außerdem sah er sich wohl selbst gern im Mittelpunkt, welches durch die Tatsache unterstützt wird, dass er bei seltenen gemeinsamen Spaziergängen „immer noch ein wenig langsamer“ (S. 40, Z. 23f) ging und, sobald er etwas sagen wollte, „fast immer still stand“ (S. 40, Z. 26).
Nach Gregors Verwandlung jedoch, seit sich der Vater wieder um die Finanzen der Familie kümmern muss, „blüht“ er regelrecht auf.
Er trägt seine Uniform1, die er von dem Bankinstitut, in dem er Diener war, bekam und pflegte sich nun selbst mehr, was durch eine „peinlich genaue[…], leuchtende Scheitelfrisur“ (S. 40, Z. 33) betont wird.
Zudem scheint sich auch psychisch etwas bei Herrn Samsa geändert zu haben, da sein Blick nun „frisch und aufmerksam“ (S. 40, Z. 31f) ist.
Darüber hinaus wird sein Charakter jedoch immer negativ dargestellt. Er sei besonders Gregor gegenüber verbissen (vgl. S. 41, Z. 4), weiß oft selbst nicht, was er wolle (vgl. S. 41, Z. 5) und war im Allgemeinen streng (vgl. S. 41, Z. 9).
Weiterhin werden seine schlechten Eigenschaften gezeigt, während er das Ungeziefer, das mal sein Sohn war, mit Äpfeln bewirft und gänzlich in Kauf nimmt, dass er seinen (früheren) Sohn verletzt (vgl. S. 41, Z. 10ff).
Abschließend lässt sich die These, dass Vater Samsa sehr kritisch und herrisch ist, nur belegen. Dies wird besonders deutlich durch sein Aufspielen kurz nachdem er eine neue Arbeitsstelle bekommen hat, als wäre er nicht mehrere Jahre von seinem Sohn finanziell abhängig gewesen.
Über die Charakterisierung des Vaters hinaus lässt sich die gesamte Beziehung zwischen ihm und seinem Sohn sehr gut darstellen. Vorweg steht die Deutungshypothese, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn bereits vor der Verwandlung angespannt war und sich diese Situation seit der Verwandlung nur verschärft und verschlimmert hat.
Die erste Auffälligkeit ist, dass sich im Aspekt des „Tierseins“ die beiden vollkommen ergänzen. Gregor ist als Ungeheuer die körperliche Hälfte und sein Vater handelt oft irrational und instinktgeleitet, als hätte er den Verstand eines Tieres. Darauf schließen lässt einen in diesem Fall die Situation, in der der Vater auf das Ungeziefer zugeht, ohne recht zu wissen, „was er vorhatte“ (S. 41, Z. 5).
Des Weiteren wird klar, dass der Vater der ist, der „den Ton angibt“. Unterstützt wird dies durch die Situation, in der Gregor vor dem Vater zurückweicht, sobald dieser einen Schritt vorwärts geht (vgl. S. 41, Z. 9-11). Offensichtlich ist auch, dass sich Gregor vor dem Vater „fürchtete“ (S. 41, Z. 16) und so fast ständig in Panik war.
Außerdem lässt sich die Tatsache, dass Gregor „eine Unzahl von Bewegungen ausführen“ (S. 41, Z. 19f) musste, wenn der Vater nur „einen Schritt machte“ (S. 41, Z. 19), als Metapher2 für die gesamte Beziehung der beiden vor der Verwandlung werten. Während es der Vater leicht gehabt hatte, nur zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und nichts zu tun, musste Gregor diszipliniert arbeiten, um genug Geld für seine Familie zu verdienen.
Eine weitere Metapher kann die buchstäbliche Ausweglosigkeit von Gregor sein (vgl. S. 41, Z. 24-28).
Im Wohnzimmer fand er sich eingeengt wieder und konnte nicht vor dem Vater flüchten. Auch metaphorisch kann Gregor seinem Vater nicht entkommen, besonders vor der Verwandlung stand Gregors Pflichtbewusstsein gegenüber seiner Familie ihm selbst im Weg.
Von keinem guten Verhältnis zeugt außerdem, dass der Vater mutwillig in Kauf nimmt, seinen Sohn zu verletzen, indem er ihn mit Äpfeln bewirft (vgl. S. 41, Z. 31 - S. 42, Z. 3), was – fast unvermeidlich – auch passiert. Selbst dann zeigt Herr Samsa keine Reue oder Mitleid und wird erst durch seine Frau von seinem Handeln abgebracht (vgl. S. 42, Z. 14f). Dies erweckt auch den Eindruck, als wäre Frau Samsa ein neutraler Punkt in der Vater-Sohn-Beziehung, jedoch gleichzeitig jemand, um dessen Gunst die zwei konkurrieren müssen. nach näherer Betrachtung der Beziehung zwischen Herrn Samsa und seinem Sohn kann man die vorangestellte Deutungshypothese, dass die Beziehung zwischen Gregor und seinem Vater sehr schlecht ist, vollkommen annehmen.
Im Große. und Ganze wird durch diesen Auszug deutlich, dass Herr Samsa ein sehr forscher und tyrannen-ähnlicher Mann ist, in dessen Beziehung zu seinem Sohn die Machtverhältnisse definitiv geklärt sind und sie zu Gunsten des Vaters stehen.