Drama: Wilhelm Tell (1803-1804)
Autor/in: Friedrich SchillerEpoche: Weimarer Klassik
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Charakterisierung und Interpretation
Das Drama „Wilhelm Tell“ wurde von dem deutschen Dichter und Schriftsteller Friedrich von Schiller verfasst und in den Jahren 1803 und 1804 erstmals aufgeführt. Das dramaturgische Werk ist in fünf Aufzüge gegliedert und beschäftigt sich mit dem gleichnamigen Schweizer, der sich im Widerstand gegen machtgierige, korrupte und sadistische Unterdrücker beweist. Zu seiner Seite steht die politisch passive aber dafür fürsorgliche Gattin Hedwig Tell. Im Folgenden gilt es somit diese Figur unter die Lupe zu nehmen und näher zu analysieren und zu charakterisieren.
Zunächst lassen sich Aussagen zur Herkunft und zum Bildungsgang treffen. Die Figur der Hedwig ist vermutlich nicht sehr gebildet (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 37 ff.), da sie sich ausschließlich der Rolle der sowohl hingebungsvollen Hausfrau (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 36) als auch liebevollen und fürsorglichen Mutter (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 65 f.) verschrieben hat. Zudem ist ihr Vater Walther Fürst ein Bauer, sodass ihre eher simple und einfache Herkunft Hedwigs niederen Bildungsgang erklärt.
Des Weiteren kann man einige Charakteristiken in Bezug auf ihren Beruf, ihre äußeren Umstände und ihre familiären Verhältnisse konstatieren1. Hierbei ist Hedwig mit dem Alpenjäger und „Schweizer Helden“ Wilhelm Tell verheiratet (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 36). Herr und Frau Tell residieren in einem Haus in den Schweizer Alpen in der Nähe von Altdorf (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 63) und leben dort mit ihren zwei Söhnen, welche Wilhelm (nach seinem Vater benannt) und Walter heißen (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 3f.). Als Hausfrau ist sie vermutlich zufrieden mit den Lebensverhältnissen und -umständen. Ihrer Meinung nach hat sie alles, was man zum Leben braucht (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 84).
Darüber hinaus prägen die Figur Hedwig wichtige Erfahrungen und Ereignisse, die sie zu ihrem Vorteil nutzt, um ihr Umfeld, insbesondere Wilhelm Tell, davon abzubringen, sich und seine Familie in Gefahr zu bringen. Trotz oder gerade weil sie diese Drohungen nutzt, zeugt ihr übervorsichtige Verhalten von Liebe und mütterlicher Sorge. Unter anderem weiß sie somit von der Rettungsaktion von Stauffacher (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 75 f.), was sie als Information nutzt, um ihrem Gatten Wilhelm Angst einzujagen und ihn davon abzubringen, sich in Gefahr zu begeben und seine Familie zu vernachlässigen. So sagte sie einmal in einem Gespräch mit Tell, dass „das Schwerste wird [sein] Anteil sein wie immer. […] Den Unterwaldner hast du auch im Sturme über den See geschafft – ein Wunder war’s, dass [sie] entkommen. – Dachte [er] denn gar nicht an Kind und Weib?“ (s. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 75 f.). Davon abgesehen erfährt der Leser, dass sie ebenfalls von dem Treffen der Rütli - Verschwörer weiß (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 67 ff.), weil sei bezeugt, dass „sich etwas gegen die Vögte spinnt – auf dem Rütli ward getagt […]“ (s. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 67 f.). Sie benutzt diese Information, um Wilhelm sein gefährliches Vorhaben auszureden. Auch wenn ihre Versuchungen erfolglos sind, zeugt dies von ihrer Fürsorge und Vorsicht. Sie scheint sehr bekümmert um ihre Familie zu sein, da dies ebenfalls ihrer Priorität entspricht. Das ist nicht überraschend, denn sie widmet ihr ganzes Leben ihren Kindern, ihrem Gatten und dem Haushalt. Darüber hinaus weiß Hedwig Bescheid über Tells Begegnung mit Gessler in dem Gebirge (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 96 ff., 131 f.). Somit erklärt sie, dass „der Landvogt jetzt dort ist. [Wilhelm Tell] soll weg von Altdorf bleiben“ (s. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 96). Infolgedessen interessiert sich Hedwig sehr für die aktuellen Geschehnisse im Land und weiß bestens Bescheid, was ihr Gatte vorhat. Dieses große Interesse korreliert mit der Charakteristik, dass sie sehr voller Neugier und wissbegierig ist. Zudem scheint sie sich sehr mit ihrer Rolle als Ehe- und Hausfrau zu identifizieren. Sie tritt nie aus ihnen heraus und argumentiert ausschließlich aus dieser Perspektive, was sie leicht überfürsorglich aber gleichzeitig liebevoll und altruistisch darstellt.
Des Weiteren gilt es Hedwigs Interessen, Vorlieben und Einstellung zu bestimmen. Zum einen scheint sie sehr religiös zu sein und erwähnt Gott auch inflationär in ihrem Sprachgebrauch, etwa bei „Ach, wollte Gott, sie lernten’s nie“ (s. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 24 Infolgedessen hat sie vertrauen in Gott, was allgemein ihre traditionelle und konventionelle Art bezeugt. Außerdem missbilligt sie das Vorgehen der Rütli - Verschwörer, was darauf schließen lässt, dass sie nicht nur nicht politisch interessiert ist, sondern die – insbesondere korrupte, machtgierige und ungerechte – Politik despektierlich betrachtet und verabscheut. Diese Einstellung scheint im ersten Moment primitiv, korreliert aber wiederum mit der Person von Hedwig, weil die Politik erfahrungsgemäß ihrer Familie nur Übel gebracht hat. Folglich ist ihre negative politische Attitüde plausibel. Darüber hinaus will Hedwig ausschließlich ihre Familie schützen (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 96), weil diese gewissermaßen ihren gesamten Lebensinhalt ausmacht. Nicht zu leugnen ist, dass sie sich selber ebenfalls immer an letzte Stelle stellt (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 75). Dies sieht man auch bei ihrer Wortwahl, wenn sie etwa sagt: „Mich ängstigt’s. Bleibe weg, Tell. […] Dachtest du denn gar nicht an Kind und Weib?“ (s. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 76 f., 136). Überdies zeigt sich ihre Abneigung der Politik über vor allem darin, dass sie in Ruhe und Frieden leben möchte. Deshalb soll sich Tell aus den politischen Aktionen heraushalten (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 65 - 90).
In diesem Zusammenhang äußern sich auch ihre Sorgen, Ängste und Sehnsüchte. Infolgedessen lehnt sie aus Furcht die Schießübungen mit den Söhnen Wilhelm und Walther ab (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 24), da sie den Beruf des Alpenjägers zu gefährlich findet (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 35 - 53). Des Weiteren hat sie Angst vor Gessler, dem im weitesten Sinne „Feind“ von Tell, da ein Zusammenstoß zwischen dem Protagonisten und Antagonisten höchstwahrscheinlich in einer gefährlichen und drohenden Auseinandersetzung enden wird (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 96, 99, 102, 136). Insgesamt hat sie somit Angst um ihre Familie, insbesondere um den Alpenjäger Tell (vgl. z. B. 3. Aufzug, 1. Szene, Z. 35).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Figur der Hedwig eine fürsorgliche Mutter und Hausfrau ist, die ständig Angst um ihre Familie hat. Aufgrund dieser ständigen Sorge um sie versucht sie ihre Liebsten stets zu schützen. Friedrich von Schiller hat somit eine Figur geschaffen, die in ihrer Rolle als Mutter aufblüht und sie vollkommen verkörpert.