Drama: Wilhelm Tell (1803-1804)
Autor/in: Friedrich SchillerEpoche: Weimarer Klassik
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Friedrich Schillers letztes vollendetes Drama „Wilhelm Tell“ wurde 1804 in Weimar zum ersten Mal aufgeführt. Es handelt von den Freiheitsbestreben der Schweiz gegen die
Schreckensherrschaft der Österreicher im 13. Jahrhundert, also im Hochmittelalter. Als die Bürger zunehmend durch die Vögte tyrannisiert wurden beschlossen sie gemeinsam Widerstand gegen diese zu leisten. Wilhelm Tell steht hierbei als eine Art Symbol der Freiheit, da er sich für seine Rechte einsetzt und das Risiko dabei nicht fürchtet. Er verkörpert hier also als die Hauptperson, das Idealbild eines freien Menschen.
Gegenüber den Bürgern und den Vögten, steht der Schweizer Adel, der zum Teil auf der Seite der Österreicher steht, teils aber auch ähnliche Absichten, wie die Bürger verfolgt.
Die erste Szene des zweiten Aufzugs ist eine Auseinandersetzung zwischen dem Freiherrn von Attinghausen und seinem Neffen Ulrich von Rudenz, da diese ebenfalls unterschiedliche Ansichten zur vorherrschendes Situation haben, obwohl sie im gleichen Stand sind. Zuvor haben die drei Kantonen Uri, Schwyz und Unterwalden mit ihren Planungen zum Widerstand gegen die Vögte begonnen, nachdem sich die Lage zugespitzt hatte, da die Bürger gezwungen wurden den Hut Gesslers zu verehren. Im Anschluss an die vorliegende Szene folgt der Schwur zahlreicher Landleute, sich einander treu zu bleiben, und dass sie nie wieder unter fremder Herrschaft leben wollen. Von diesen Widerständen wissen der Freiherr und sein Neffe jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Attinghausen will ihn aber davon überzeugen seinem Vaterland treu zu bleiben, anstatt nur Ruhm zu erstreben.
Das Gespräch findet am Edelhof des Freiherrn statt, in einem geschmückten gotischen Saal. Dadurch wird ein eindeutiger Kontrast zu den vorherigen Szenen in den Bergen gesetzt und die Stellung des Freiherrn, der ebenfalls als sehr edel beschrieben wird, verstärkt. Für unsere heutige Zeit wirkt die Sprache zwar veraltet , jedoch ist sie für die Zeit aus der das Werk stammt gewöhnlich, also ein einfacher Stil und für die Menschen damals leicht verständlich. Die Länge der einzelnen Redeanteile nimmt im Laufe der Auseinandersetzung zu, da sich die Situation immer weiter aufschaukelt. Zum Schluss besitzt jedoch der Freiherr die größeren Anteile. Obwohl dieser versucht im Gespräch zu dominieren, indem vor allem er seine Aussagen immer länger ausführt, lässt sich Rudenz nicht von seinen Absichten abbringen und geht schließlich.
Die Szene kann in sechs Sinnabschnitte untergliedert werden. Zu Beginn (V. 752-778) teilt der Freiherr den „Frühtrunk“ (V. 754) mit seinen Knechten, was bereits darauf hindeutet, dass er sich diesen nicht höher stellt. Rudenz hingegen lehnt das Angebot mit ihnen zu trinken ab, als ihm einer der Knechte den Becher geben will. Im zweiten Sinnabschnitt (V. 780-838) erklärt Attinghausen wie fremd sein Neffe durch seine österreichische Tracht (vgl. V. 779-781) für ihn wirkt und drückt anschließend sein Mitgefühl für das Volk unter der Herrschaft der Tyrannen aus. Anschließend (V. 780-838) widerspricht Rudenz, dass das Volk selbst schuld sei an der Situation, da es für den eigenen Vorteil das Bündnis mit Österreich verhindern wolle und spricht den Freiherrn darauf an, ob er sich seinen eigenen Knechten gleichstellen möchte. Er hingegen erstrebt die „Welt des Ruhms“ (V. 831).
Im darauf folgenden Sinnabschnitt (V. 739-892) betont Attinghausen, wie wichtig die Treue zum Vaterland und den alten Sitten sei, da Rudenz der letzte des Stammes ist. Dieser aber ist überzeugt, dass sich an den König anzuschließen die einzige Möglichkeit ist etwas zu erreichen. Auch als sein Onkel ihn noch ein letztes mal überreden will (V. 893-942) seine Treue und Freiheit, sowie die alten Tugenden beizubehalten und zum Schluss seinen Verdacht äußert er tue alles nur aus Liebe zu Berta von Bruneck, bleibt er bei seinem Standpunkt.
Am Anfang beschreibt Attinghausen seine Sehnsucht nach der gemeinsamen Arbeit mit den Knechten in den Bergen und deutet darauf an, dass er nicht mehr lange leben wird (Vgl. V 762-764). Die Anthithese „die Heimat zur Fremde“ (V. 777-778) stellt die Welten der beiden gegenüber, die bei der Auseinandersetzung miteinander konfroniert werden und drückt gleichzeitig die Trennung zwischen den Generationen aus.
Durch die Metapher1 „Dein Vaterland von schwerer Geißel blutet.“ (V. 795) wird die drastische Situation des Volkes bildhaft dargestellt und verstärkt welche Bedeutung die Heimat für den Freiherrn hat und damit verbunden, wie wichtig es für ihn ist, seinen Neffen auf seiner Seite zu haben. Im Laufe des Gesprächs hinterfragt Rudenz Attinghausen häufig (V. 797, V. 811-819, V. 879-880), wodurch deutlich wird, dass er sich keinesfalls von ihm umstimmen lässt und er kritisiert damit beispielsweise auch, „neben diesen Hirten zu regieren“ (V. 814). Die Vorstellung von Ruhm und Ehre hat auf ihn eine beinahe anziehende Wirkung, was durch den Klimax2 (V. 831-833) verstärkt wird, der seinen Gedankengang beschreibt.
Attinghausen hingegen verwendet immer mehr Ausrufesätze (V. 839-841, V. 848, V. 858-861, V. 895-897, V. 909), was seine zunehmende Empörung und Verzweiflung gegenüber der Sturheit Rudenz ausdrückt. Zum Schluss, nachdem der Neffen bereits gegangen war, klagt er ebenfalls über seine Sorgen und benutzt dabei sehr viele Ausrufesätze.
Sowohl der Saal in dem sie sich befinden, als auch die Figuren werden als sehr edel beschrieben. Regieanweisungen sind in der Szene aber wenig enthalten, durch die bereits erwähnten Frage- und Ausrufesätze wird jedoch bereits Stimmung und Lautstärke erzeugt. Im Laufe des Gesprächs besitzt immer derjenige die größeren Redeanteile, der seinen Standpunkt gerade ausführt, jedoch besitzt zum Schluss Attinghausen die größeren Anteil. Rudenz gibt nämlich nur noch kurze Antworten, da die Diskussion für ihn zu Ende sein scheint. Dadurch wirkt seine Art gegenüber dem Freiherrn, der sich immer mehr aufregt, sehr provokativ.
Insgesamt ist der Freiherr von Attinghausen als sehr patriotisch zu charakterisieren. Er schätzt die alten Tugenden und die Treue zum Vaterland. Außerdem hat er Mitleid mit den Menschen, die unter den Tyrannen leiden müssen, da er sich mit ihnen verbunden fühlt und sich ihnen gleich stellt.
Rudenz hingegen hat wenig Mitgefühl zum Volk, für ihn sind die einzig wichtigen Dinge, eine angesehene Stellung zu erreichen. Er erscheint in der österreichischen Tracht und es ist nicht tragbar für ihn als Bauernadel bezeichnet zu werden. Auf seine Ziele ist er vollkommen fixiert und auch die Verzweiflung Attinghausens kann ich nicht davon abbringen.
Friedrich Schiller hat sich in diesem Werk mit der Französischen Revolution auseinandergesetzt. Er verfolgt hierbei die Intention zu erziehen und somit das Ideal der schönen Seele zu erzeugen. Denn er herrschte eine sehr unruhige Zeit vor, weshalb die Absicht war, die Menschen auf Veränderungen vorzubereiten. Mit der schönen Seele ist hier gemeint, dass der Mensch dann etwas nicht nur deshalb tut, weil es seine Pflicht ist, sondern, weil er es auch so will und überzeugt davon ist.
Das Prinzip der schönen Seele ist auch heute noch die Grundlage für Veränderungen, Zusammenhalt und Hilfe für andere. Denn Harmonie kann nur erreicht werden, wenn man es so will und nicht wenn man muss.